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SN-Kontroverse: Kernenergie unethisch?

 Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Ist die Nutzung der Kernenergie ethisch vertretbar?

 In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Millionenfacher Wahnsinn

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Nein, Nein und noch einmal Nein. Die Nutzung der Kernenergie ist nach allem, was in den Kernkraftwerken dieser Welt passierte - beginnenden bei Mayak, über Windscale, Three Mile Island, über Tschernobyl und Tokaimura bis zur Katastrophe in Fukushima - weder aus Vernunftgründen, noch wegen finanzieller oder ökonomischer Überlegungen und schon gar nicht aus ethischen Gründen vertretbar.

Atomkraftwerke sind nicht beherrschbar und von ihnen geht eine ständige Bedrohung für Millionen Menschen über unzählige Generationen aus.

Um einen GAU auszulösen, braucht es keine Tsunamis. Es genügen kleine Fehler, wie menschliches Versagen wie z. B. in Tschernobyl, wo ein Testlauf nicht mehr unter Kontrolle gebracht werden konnte. Oder ein winziger Materialverschleiß, der nicht behoben werden kann. Atomenergie ist extrem teuer. Die Betreiber übernehmen nur einen Bruchteil der Kosten. Dem Staat - also den Bürgerinnen und Bürgern - bleiben die hohen Kosten für die Entwicklung und den Bau neuer sowie für das Abwracken alter Anlagen.

Nicht einkalkuliert sind Schäden aus Atomkraftwerken. Keine Versicherung der Welt übernimmt die Haftung, wenn etwas passiert. Die Energieversorger selbst können natürlich die Folgen eines Unfalls nicht finanzieren. Ungelöst ist die Frage, was mit dem Atommüll passieren soll. Wer ein Endlager baut, braucht Sicherheit für 250.000 Jahre oder 12.000 Generationen.

Weltweit gibt es daher kein einziges brauchbares Endlager, in den meisten Fällen wird der hoch radioaktive Müll irgendwo am Kraftwerksgelände „zwischengelagert". Diese sind bei weitem nicht sicher. Das deutsche Lager Asse etwa ist bereits nach 40 Jahren (also zwei Generationen) vom Einsturz bedroht. Atomkraftwerke zu bauen und betreiben ist millionenfacher Wahnsinn, der in die fernste Zukunft wirkt.


Was alles unethisch ist

Andreas Unterberger

Man kann mit guten Argumenten die Kernenergie verdammen. Besonders leicht kann man das in einem mit Wasserkraft gesegneten Land wie Österreich. Aber ethisch anständig wäre das nur, wenn man dann auch alles, was noch riskanter ist, ebenfalls für unvertretbar erklärt.

Zu verbieten wären dann: der Straßenverkehr, der allein in Österreich bisher weitaus mehr Todesopfer gefordert hat als die Atomkraft weltweit (einschließlich Tschernobyl) - wobei die CO2-Emissionen des Verkehrs noch gar nicht berücksichtigt sind; Hausbrand und Industrie, fordert doch Feinstaub Ärzten zufolge allein in Österreich jährlich 2500 Todesopfer; Rauchen, Alkohol und Medikamente sowieso; Staudämme, weil von diesen bei Erdbeben der Stärke 9 viele mit mörderischen Folgen geborsten wären; Windmühlen, die bei einem solchen Beben zu Tausenden umstürzen würden; Solaranlagen, weil viele in diesem Fall durch Kurzschlüsse Häuser in Brand stecken würden. Und so weiter.

Merkwürdig ist freilich: Technik und Wissenschaft, vor deren Produkten sich viele immer mehr fürchten, haben dazu geführt, dass wir im Schnitt doppelt so lang und viel gesünder leben als unsere Vorfahren ohne Technik.

Sind nicht eher die deutschen Grünen unethisch, die mit La-Ola-Wellen begeistert die japanische Katastrophe feiern? Oder jene Medien, die sich fast nur um die Atomangst, aber nicht um die vielen Opfer von Beben und Tsunami scheren? Oder unsere Atompanik-Parteien, die ignorieren, dass Österreich fast sieben Prozent des Stroms aus AKW bezieht? Oder jene Gruppen, die Strom- statt Benzinautos verlangen, aber jedes Kraftwerk und bekämpfen? Oder die Alternativ-Lobby, die verschweigt, dass ein rascher Atomausstieg eine Katastrophe für Lebensmittelversorgung, Natur und Arbeitsplätze wäre? Oder die EU, die nun erleichtert das libysche Drama ignorieren kann?

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