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Österreich belehrt und beschert die Welt

Die Welt erzittert, sie wird zweifellos nach dieser strengen Ermahnung in sich gehen und tätige Reue üben. Davon gehen offenbar alle fünf Parlamentsparteien des Landes aus, seit sie in einer eigenen Parlamentssondersitzung und mit einem großspurigen Regierungsbeschluss der Welt klargemacht haben, dass Atomenergie des Teufels ist. Man kann sich lebhaft ausmalen, wie jetzt in allen Staatskanzleien die Minister mit hochrotem Kopf beieinander sitzen und ergriffen die verdammenden Worte der Viererbande Faymann, Berlakovich, Glawischnig und Strache studieren.

Bald werden in Wien Jubeltelegramme eintrudeln, die den weisen Österreichern ob ihrer klugen Ratschläge Dankeshymnen singen. Endlich, endlich wurde der Welt klargemacht, dass es völlig gleichgültig ist, wenn weit mehr als Zehntausend Menschen in einstürzenden Häusern und Flutwellen elendiglich verrecken, dass aber der hoffentlich und (angesichts der Panikmache) endlich bald zu vermeldende erste Strahlungstote ein historisches Verbrechen gegen die Menschheit verkörpert.

Würden ihnen nämlich die wirklichen japanischen Opfer irgendetwas bedeuten, dann hätten die weisen österreichischen Politiker ja zweifellos auch weitere Beschlüsse gefasst, die künftig das Auftreten von Erdbeben und Tsunamis verbieten.

Natürlich ist es reiner Zufall, dass die Boulevard-Politik dieses Landes nur noch in jenen geistigen Regionen unterwegs ist, in denen sich die Boulevard-Medien dieses Landes bewegen. Und diese haben ja seit zwei Wochen in ständig schriller werdenden Tönen – gleichgültig ob auf den ORF-Bildschirmen oder in gedruckter Form – den Österreichern die totale Atompanik eingejagt.

Da kann natürlich die Politik nicht zurücktreten, sondern macht nun ihrerseits noch heftiger Panik. Da ist natürlich unter 183 Abgeordneten kein einziger, der noch selbst nachzudenken vermag oder wagt. Denn dann hätte er wohl entdeckt, dass sämtliche 54 japanischen Atomkraftwerke Japans das schwerste Erdbeben der jüngeren Geschichte überstanden haben. Und dass nur die gewaltige Flutwelle eines Tsunami eine Serie schlimmer Pannen und Schäden angerichtet hat. Und dass in den Kraftwerken rund um Österreich die Zahl der Tsunamis nicht einmal in Schaltjahren sonderlich zunimmt.

Aber welcher Politiker will den Menschen schon etwas sagen, was sie beruhigen würde? Wer wagt schon Aussagen, die einem in den Fellner-Dichand-Wrabetz-Medien den Vorwurf einbringen würden, ein Atomlobbyist zu sein.

Es ist ja auch nicht so, dass Österreich keine größeren Sorgen hätte. In Wahrheit ist die Regierung durchaus froh, dass von den wirklichen Herausforderungen nicht geredet wird, sondern nur von Vorgängen, deretwegen heftig, aber folgenlos gegen das böse Ausland gehetzt werden kann. Die Opposition ihrerseits hetzt sowieso immer gerne – und ist wohl auch zu blöd, um den wirklichen Skandal dieser Tage zu erkennen.

Der besteht nämlich darin, dass sich die Regierung in dieser Woche verpflichten wird, nicht weniger als 2,2 Milliarden an neuen Schulden zugunsten eine noch größeren Rettungsschirmes für Griechenland, Portugal & Co aufzunehmen. Dabei geht es erstmals um echtes Bargeld, das Österreich abliefern muss.  Ein ansehnlicher Betrag. Nur zum Vergleich: Für all seine Universitäten gibt Österreich 3,3 Milliarden aus.

Diese 2,2 Milliarden sind aber noch lange nicht alles. Dazu kommt noch die überhaupt unvorstellbare Summe von 25 weiteren Milliarden an Haftungen der Republik für die europäischen Krisenländer. Haftungen sind zwar nach der von dieser Regierung erfundenen neuen Finanzmathematik irrelevant – aber es gibt böse Gläubiger, die das anders sehen und sehr wohl in der Stunde der Fälligkeit auf Zahlung bestehen. Die nehmen es dann sogar in Kauf, dass sie von Laura Rudas als gierig beschimpft werden, sobald sie eine Rückzahlung verlangen.

Rechnet man diese Beträge ehrlich um, dann hat die Bundesregierung durch ihre – völlig kritik- und nachdenkenlose – Zustimmung zu den diversen europäischen Rettungsschirmen binnen weniger als einem Jahr jeden Österreicher mit rund 3400 Euro belastet. Einschließlich der Babys, der Sozialhilfeempfänger und der Pflegefälle.

Die europäischen Schuldenmacher sind geradezu genial in ihrem betrügerischen Agieren: Sie haben einfach beschlossen, dass die Haftungen und Kredite, die Österreich nun selber aufnehmen muss, um dem Griechenklub zu helfen, nicht auf die Staatsschuld anzurechnen sind.

Das ist ein geniales Modell: Man verschuldet sich wie ein Stabsoffizier und dekretiert dann, dass niemand die Schulden Schulden nennen darf. Allen Kreditnehmer dieses Landes sei dieses einträgliche Beispiel empfohlen (wer dann vor dem Strafrichter landet, möge aber bitte nicht mich als Anstifter verraten).

Aber gibt’s da nicht wieder die bösen Gläubiger und die Ratingagenturen (deren Gutachten die Gebebereitschaft der Gläubiger stark beeinflusst), die bei den Spielen der EU-Finanzjongleure nicht mittun? Auch da haben sich die genialen Europäer etwas einfallen lassen: Sie erklären den Ratingagenturen den Krieg, wollen sie unter Kontrolle stellen und gar eine eigene EU-Ratingagentur gründen. Das ist zwar ungefähr so, wie wenn die Drogenmafia künftig selbst die Drogenpolizei stellen darf. Die grandiosen europäischen Finanzstrategen glauben aber offenbar wirklich, dass die Gläubiger bei der Vergabe von Krediten an EU-Länder künftig nicht mehr den großen internationalen Agenturen vertrauen werden, sondern einer EU-eigenen Ratingagentur.

Es ist alles nur noch Schimäre. Und keineswegs unterhaltend.

 

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