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Der Verfassungsgerichtshof hat sich wieder einmal zu den Kärntner Ortstafeln geäußert. Und wieder einmal ist ganz Österreich empört über die jahrelange Nichtumsetzung der wiederholt geäußerten Wünsche des Oberstgerichts. Der Verfassungsgerichtshof hat sich auch wieder einmal zum Thema Grundsteuer geäußert. Und wieder einmal ist kein Mensch empört über die jahrelange Nichtumsetzung der wiederholt geäußerten Wünsche des Oberstgerichts. Dabei wäre juristisch, ökonomisch und vom Gleichheitsprinzip her die Empörung viel mehr im zweiten als im ersten Fall am Platz.
Denn bei den Ortstafeln ist gar nicht die ständig gescholtene Kärntner Landesverwaltung im Verzug, sondern in Wahrheit der Bundesgesetzgeber, damit primär die Koalition, die aber so tut, als ginge sie das gar nichts an. Das Parlament müsste eigentlich seit langem ein Durchführungsgesetz zum Artikel 7 des Staatsvertrags erlassen. Das weist Günther Winkler, der große alte Mann des österreichischen Verfassungsrechts, immer wieder mit Vehemenz nach. Während die jüngere ideologiegeprägte Verfassungsrechts-Generation, die derzeit vor allem die Wiener Fakultät besetzt hält, eher an ein anderes oberstes Verfassungsprinzip glaubt: Im Zweifel sind immer die Kärntner zu verurteilen.
Der Bundesgesetzgeber zögert seit Jahr und Tag, weil nie ein Konsens erzielbar war. Und überdies will man die heikle Materie mit Zweidrittelmehrheit gegen alle schnellfahrenden Provokateure und übereifrigen Richter absichern. Der VfGH hat ja die Bestrafung eines solchen Schnellfahrers in einem durch bloß einsprachige Tafeln gekennzeichneten Ortsgebiet als Verfassungsverletzung aufgegriffen, weil der Staatsvertrag dadurch verletzt worden sei. Das wird er freilich nicht so leicht einem Normalbürger klarmachen können, der noch an Gesetze und Gerichte glauben soll.
Und warum gibt es dieses Gesetz nicht? Meistens waren es die (diversen) Kärntner Freiheitlichen, die sich quergelegt hatten, und ohne deren Zustimmung keine Bundesregierung bisher das Gesetz einzubringen gewagt hat. Der Grund des Zögerns in Wien liegt natürlich in der Angst vor einem neuen Ortstafelsturm. Denn rein juristisch haben die Kärntner ja gar kein Vetorecht gegen ein solches Gesetz. Sie sind also nur politisch, nicht rechtlich schuld am Fehlen der letzten Ortstafeln.
Ein einziges Mal hat es jedoch auch schon einen Konsens zwischen der Kärntner und der Bundesregierung sowie den deutsch- wie den meisten slowenischkärntner Heimatverbänden gegeben. Jener Konsens war im Jahr 2006 nach Vorarbeiten einer Historikergruppe unter dem Grazer Karner zwischen Wolfgang Schüssel und Jörg Haider ausgehandelt gewesen. Damals war es wiederum die SPÖ Alfred Gusenbauers, der es in seiner Totalopposition nicht zulassen wollte, dass die beiden Erzsatane seines leicht manichäischen Weltbildes einen solchen politischen Erfolg verbuchen.
Die Faymann-SPÖ ist hingegen jetzt wieder zu fast jeder Lösung bereit, um selbst den Erfolg einzufahren. Jetzt aber haben wiederum die Kärntner Machthaber keinerlei politisches Interesse, Faymann zu einem Erfolg zu verhelfen. Und sie erfinden ständig neue Bedingungen. Wohl auch aus Rache dafür, weil der jetzige SPÖ-Chef besonders darauf bedacht ist, die FPÖ nach alter Vranitzky-Art auszugrenzen.
So widerlich dieses Parteien-Hickhack auch ist und so juristisch problematisch die Judikatur des VfGH auch ist, so klar ist das, was der Verfassungsgerichtshof in Sachen Grundsteuern will. Und was seit Jahrzehnten alle Bundesregierungen nicht wollen: Der VfGH steht mit großer Logik auf dem Standpunkt, dass es eine grobe Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes ist, wenn Vermögen in Form von Bargeld, Aktien oder Sachwerten anders behandelt wird als Vermögen in Form von Grundstücken. Grundstücke sind nämlich durch den sogenannten Einheitswert massiv begünstigt.
An dieser Ungleichbehandlung ist schon die Erbschaftssteuer zerschellt, die vom VfGH aufgehoben und die dann nie wieder eingeführt worden ist. Dies erstens deshalb, weil die ÖVP sich freut, dass die Steuer abgeschafft ist, und zweitens weil alle Parteien an dieser Bevorzugung von Grundstücken festhalten wollen. Sie wissen zwar, dass das ungerecht ist, sie wollen es sich aber weder mit den Bauern noch mit den vielen Häuslbauern dieses Landes verscherzen, die davon profitieren.
Sie halten daher an diesem Steuerprivileg für Immobilien fest, obwohl es ebenso überholt und ungerecht ist wie beispielsweise das sogenannte Jahressechstel, also die geringe Besteuerung des 13. und 14. Monatslohns von Arbeitnehmern. Während das letztgenannte Gruppenprivileg von den Gewerkschaften wie der Heilige Gral verteidigt wird, steht bei der Grundsteuer natürlich der Bauernbund in vorderster Abwehrfront. Aber es gibt ohnedies keine einzige Partei, welche sich gegen die genannten Ungerechtigkeiten in diesen beiden Fragen engagieren will.
Sie stecken vielmehr alle den Kopf in den Sand – oder glauben gar, dass der VfGH gefügiger wird, wenn der Steuerspezialist des Gerichtshofs in absehbarer Zeit altersbedingt abtreten dürfte.
Bei der Privilegierung der Grundsteuer ist ein Aspekt besonders pikant: Der VfGH hat nun ihretwegen auch die gesamte Stiftungseingangssteuer für verfassungswidrig erklärt. Das bedeutet: Wenn sich die Parteien auch diesmal nicht auf eine gerechte Besteuerung von Grundstücken einigen sollten, fällt diese Steuer ab 2012 weg, was angesichts des hochgepeitschten Hasses der SPÖ auf Stiftungen (sofern sie nicht der Partei selber gehören) besonders skurril wäre.
Dabei ist eine stärkere – also im Sinne des VfGH gerechtere – Besteuerung von Grundstücken auch ökonomisch und steuerpsychologisch die sinnvollste aller Steuern: Denn einer Grund-Besteuerung kann niemand ausweichen, indem er Vermögen ins Ausland verschiebt. Was ja bei allen anderen Anlageformen durchaus sinnvoll sein kann, wenn Österreich zu hoch besteuert. Überdies könnte man mit Grundsteuern auch sehr effektvoll ökologisch steuern: Alles, was Grünland ist, wird gering besteuert; alles, wo der Boden betoniert oder sonstwie versiegelt wird, wird hoch besteuert.
Das wäre eine perfekte Lösung, mit der man auch andere, schädlichere Steuern etwa auf Arbeitslohn reduzieren könnte. Das wäre es – würden nicht die Häuslbauer in jedem Bundesland die Wahl entscheiden.