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No Leadership

Selten hat sich Josef Pröll so für eine Personalbesetzung exponiert wie einst für den Transfer von Ernst Strasser an die Spitze der ÖVP-Europaparlamentsgruppe. Das fällt ihm nun schwer auf den Kopf.

Zum einen werfen ihm viele ÖVP-Wähler vor, dass er nach der EU-Wahl das massive Vorzugsstimmenvotum für Othmar Karas einfach ignoriert hat. Das lastet so mancher Pröll bis heute als zynische Missachtung des Wählerwillens an. Dabei kann man die Aversion des ÖVP-Obmanns gegen Karas ja noch irgendwie nachvollziehen, da sich dieser immer wieder als für den Parteichef unlenkbares Geschoß erweist und viel stärker europäisch als österreichisch denkt.

Was man manchmal loben kann: Wie etwa die Karas-Kritik an der „oberflächlichen“ neuen Sicherheitsdoktrin. Wie etwa sein mutiges Wort von der „Neutralitätslüge“. Wie etwa seine Kritik an der Bankensteuer und den unehrlichen Regierungsbehauptungen, dass diese nicht die Konsumenten träfe.

Vieles kann man an Karas aber auch oft gar nicht nachvollziehen: Etwa seine Unterstützung für Eurobonds, also die gemeinsame Haftung aller Euro-Länder auch für griechische und andere Wackel-Anleihen. Etwa seinen Kampf gegen eine Begrenzung des EU-Budgets. Etwa seinen Einsatz für eigene EU-Steuern. Etwa seine Befürwortung eines neuen Integrations-Staatssekretariats.

Noch viel schwerer nachzuvollziehen war und ist aber Prölls Einsatz für Ernst Strasser. Denn dieser ist zwar unter Pröll parteiloyal (was er unter Schüssel nicht war). Aber Strasser hatte und hat einen extrem problematischen Hauptberuf, den er auch bei der Rückkehr in die Politik nicht aufzugeben gewillt war. Wer als Berater für meist nicht bekanntgegebene große kommerzielle und politische Klienten arbeitet, sollte in keiner Weise als Gesetzgeber arbeiten dürfen. Denn die Grenze zum verbotenen Lobbyismus ist dann überhaupt nicht mehr erkennbar.

Die Nominierung Strassers war daher eine politische Zeitbombe. Die nun vorzeitig explodiert ist. Gewiss mag man es als Pech ansehen, wenn ein Abgeordneter von getarnten journalistischen Provokateuren angebohrt wird. Aber wer sich in seinem Beruf Geld anbieten lässt, um eine Gesetzesnovelle im Parlament einzubringen, und wer den gewünschten Text auch noch an Parteifreunde weiterreicht, statt sofort Behörden und Polizei zu verständigen, der ist nicht mehr tragbar. Und sollte sofort zurücktreten. Dies umso mehr, als der sonst so eloquente Strasser nicht einmal eine halbwegs glaubwürdige Begründung für sein Verhalten formulieren kann.

Damit steht natürlich auch wieder die Frage von verbotener Einflussnahme auf die Politik im Zentrum. Sind die Mittel, die auf vielfältigen Wegen aus Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund zum Nutzen der SPÖ fließen, nicht genauso unkorrekt? Sind es nicht genauso alle Hilfen etwa der Industriellenvereinigung zugunsten der ÖVP? Sind nicht die vielen Gewerkschafter, Interessenvertreter und Kammerfunktionäre im Parlament in der gleichen Rolle wie Lobbyist Strasser? Was ist mit den Mitteln, die offensichtlich die Kärntner Freiheitlichen über diverse Werbeagenturen lukriert haben? Was ist mit den zahlreichen Grünen, die nun in der Gemeinde Wien versorgt werden und deretwegen etwa im Krankenanstaltenverbund 55-jährige Familienväter einfach auf die Straße gesetzt werden? Was ist mit dem tiefen Griff der Regierungsparteien, vor allem der SPÖ, in die Steuerkasse, um sich Medien wohlgesonnen zu erhalten (und der auch durch eine nun beschlossene Scheinreform nicht gestoppt wird!)?

Dass ähnliche Probleme fast jedes andere Land der Welt plagen, mögen die einen als Trost, die anderen als doppelten Grund zur Depression ansehen. Am ehesten sauber scheinen da noch die Schweiz (wo die direkte Demokratie die Parteien weitgehend entmachtet) und Skandinavien (wo die Verfassungen eine viel höhere Transparenz jedes staatlichen Handelns erzwingen).

Für Josef Pröll kann das aber sicher kein Trost sein. Denn er hat es in jedem Fall höchstpersönlich zu verantworten, dass er einen in jedem Fall einschlägig besonders riskanten Mann an die Spitze der EU-Liste transferiert hat. „Culpa in eligendo“ würden das Juristen und Lateiner nennen. „No Leadership“ heißt das in der Sprache der Briten und Managementexperten.

 

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