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Dutzende Male habe ich es von Gegnern der Marktwirtschaft gehört: Diese sei ein verrücktes System, weil jede Auto-Reparatur nach einem Unfall das BIP erhöht. Weshalb manche gleich den Kapitalismus als erledigt abhaken wollen.
Der Vorwurf ist aus vielen Gründen blanker Unsinn: Auch wenn es richtig ist, dass die Umsätze einer Werkstätte in das Bruttoinlandsprodukt einfließen, so bedeutet ein Verkehrsunfall doch fast immer einen viel größeren Schaden für das BIP: Da gibt es etwa den Verdienstausfall der Beteiligten, der von Krankenständen bis zur Unfähigkeit reichen kann, ohne Auto seinem Erwerb nachzugehen. Da stehen wegen eines Unfalls bisweilen Tausende Autos im Stau, was ebenfalls ein Minus am BIP bedeutet, weil sie ja in dieser Zeit nicht arbeiten. Und da vermindert jeder Unfall natürlich den Gewinn der Versicherung oder das für andere Zwecke verfügbare Einkommen.
Dass Unfälle und Katastrophen durchaus ein schwerer Schaden für das BIP sind – dass also die Marktwirtschaft nicht so pervers ist, wie sie gerne dargestellt wird –, kann man in diesen Tagen weltweit sehen: Die Erdbeben- und Tsunami-Katastrophe hat weltweit die Wachstumserwartungen stark reduziert. Und die Börsenkurse sinken lassen. Hätten die Marktwirtschaftsgegner recht, müsste die Weltwirtschaft hingegen jubeln. Was sie bei Gott nicht tut – auch wenn es neben den vielen Verlierern mittelfristig einige Branchen geben wird, die an der Beseitigung der Katastrophenfolgen ganz gut verdienen werden.
Vor allem aber ist das BIP bloß eine von vielen Messgrößen. Kaum jemand behauptet, Wachstum und BIP wären die wichtigsten oder gar einzigen Parameter für menschliches Glück. Nur ganz wenige Ökonomen wie Gary S. Becker haben versucht, auch zwischenmenschliche Beziehungen wie Liebe und Geborgenheit mit Geld zu bewerten. Was ein Irrweg ist, auch wenn es natürlich das Phänomen der käuflichen Liebe gibt, auch wenn reiche Männer viel leichter eine Partnerin finden als arme.
Faktum ist aber auch: Das Streben nach Wohlstand ist eine der stärksten menschlichen Antriebskräfte. In Not, hungrig, mit geringer Lebenserwartung und erhöhtem Krankheitsrisiko sein Leben zu fristen, empfinden nur wenige als besonderes Glück. Freilich gibt es in der modernen Glücksforschung auch viele Indizien, dass eine weitere Reichtumsvermehrung ab einer gewissen Schwelle keine zusätzliche Glücksvermehrung mehr bringt. Vor allem dann nicht, wenn sie durch Erbschaft oder einen Lotto-Gewinn zustandekommt, wenn sie also nicht das Produkt eigener Anstrengung ist, auf die man stolz sein kann.
Dabei kommt es aber immer auch auf die Dynamik der Wohlstandsvermehrung an, nicht nur die absolute Höhe. Sonst wäre es nicht erklärbar, wie sehr sich fast alle Medien zuletzt über einen steilen Zuwachs der Exporte im Jahr 2010 gefreut haben. Niemand scheint also noch zu wissen, dass 2007 und 2008 noch viel mehr exportiert worden ist als im bejubelten 2010. So ist halt alles relativ.
Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.