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Solche Entscheidungen wie die jüngste des Europäischen Gerichtshof tragen massiv dazu bei, das Ansehen der EU zu zerstören. Man darf dabei sogar vermuten, dass der EuGH bei seinem Urteil durchaus populistisch sein wollte: Er hat nämlich verboten, dass Versicherungen für Männer und Frauen unterschiedliche Tarife haben.
Das klingt nicht nur populär, sondern auch gerecht. Warum sollen Frauen denn für private Rentenversicherungen deutlich höhere Beiträge zahlen als Männer, für Ablebensversicherungen oder Kfz-Schadensversicherungen hingegen viel niedrigere? In Wahrheit aber ist nur und genau diese Unterscheidung gerecht. Denn Frauen haben deutlich niedrigere Unfallzahlen und eine deutlich höhere Lebenserwartung. Diese Unterschiede in den Versicherungsprämien abzubilden ist genauso gerecht wie die höheren Versicherungstarife für unfallfreudige Fahrer (beiderlei Geschlechts).
Jede Versicherungsmathematik muss nämlich alle signifikanten Fakten einberechnen: Wenn man einer Frau beispielsweise eine lebenslange Rente ab ihrem 60. Geburtstag verkauft, dann wird sie diese im Schnitt mehr als fünf Jahre länger konsumieren als ein Mann, dem dieselbe Rente versprochen wird. Versicherungen müssen aber darauf aufpassen, nicht bankrott zu gehen. Daher haben sie logischerweise für die Frauen deutlich höhere Beiträge zu dieser Rentenversicherung verlangt als für Männer.
Die staatliche Pensionsversicherung muss sich hingegen nicht vor dem Bankrott fürchten. Sie verlangt daher gleichviel von Männern und Frauen, sie lässt Frauen sogar früher als die Männer in Pension gehen. Nur von einem verlangt sie angesichts solcher Absurditäten nicht gleich viel: nämlich vom Steuerzahler, dem sie alljährlich immer noch tiefer in die Tasche greift.
Jetzt haben offenbar naive Richter geglaubt, man könne auch bei den privaten Renten-Versicherungen dasselbe tun. Irgendwer werde es auch dort schon zahlen. In der Tat gibt es diesen Irgendwer: Mehr zahlen müssen bei Rentenversicherungen künftig die Männer, bei Ablebens- und Kfz-Versicherungen die Frauen.
Wer ans Gegenteil geglaubt hat, also dass durch dieses Urteil Versicherungen billiger würden, versteht nichts von Logik und Mathematik. Denn: Versicherungen müssen tendenziell immer das schlimmste Risiko einkalkulieren. Und mit Sicherheit werden künftig viele Männer ihren Lebensabend über andere Wege abzusichern versuchen als über Lebensversicherungen (die ja ohnedies seit Wegfall der Steuerbegünstigung nicht mehr sehr attraktiv sind und in Zeiten wachsender Inflationsängste schon gar nicht). Noch herrscht ja zumindest in diesem Bereich Vertragsfreiheit. Also müssen die Versicherungen mit einem wachsenden Anteil an langlebigen Frauen rechnen.
Wie kommen solche realitätsfremden Urteile zustande? Nun das hängt nicht zuletzt mit der Zusammensetzung des Gerichtshofs zusammen. Dieser wird nämlich von den Regierungen (Parteien) besetzt und nicht etwa von unabhängigen (richterlichen) Personalkommissionen wie bei den meisten normalen Gerichten. Dabei ist der in Luxemburg residierende EuGH viel wichtiger als jeder österreichische Gerichtshof.
Viele Europaexperten sehen den EuGH sogar im Vergleich zur Europäische Kommission als bedeutender an, auch wenn seine Mitglieder keine Pressekonferenzen oder Vorträge geben oder im EU-Parlament auftreten. Vielleicht hat er sich gerade deshalb als Machtzentrum entwickeln können. Der EuGH hat ja etwa im Gegensatz zu den EU-Verträgen die österreichischen Universitäten gezwungen, in Massen deutsche Studenten aufzunehmen, obwohl diese daheim nicht für ein Studium qualifiziert waren.
Nur die Politik hat die Bedeutung des EuGH noch nicht begriffen. Unter den Politikern gibt es regelmäßig einen viel intensiveren Wettlauf um den Posten eines EU-Kommissars als um den eines europäischen Richters.
Daher ist es auch bezeichnend, dass die Regierung den österreichischen Sitz beim EuGH mit einer Frau besetzt hat, die davor keinen einzigen Tag ihres Lebens als Richterin gearbeitet hat. Dasselbe gilt übrigens auch für das zweite wichtige internationale Gericht, nämlich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg (der trotz des Namens nichts mit der EU zu tun hat, sondern dem Europarat untersteht).
Die Politik begreift nicht, dass ihr längst die diversen Oberstgerichte das Handeln abgenommen haben, weil Regierungen und Parlamente immer entscheidungsunfähiger werden. Und die EU begreift nicht, wie sehr ein wenig durchdachter Populismus von Gerichtshof oder (was noch häufiger ist) Kommission am Ende des Tages die Wertschätzung der Europäer für die EU ruiniert. Und dazu wird nun auch dieses neue Urteil massiv beitragen – spätestens dann, wenn die Versicherungen ihre Kunden über die höheren Prämien informieren. Und über deren Ursachen.