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Die halbe Wahrheit ist schlimm genug: Die neuen Zahlen über die Bestechungsinserate der Politik sind aussagekräftig – und sagen doch noch lange nicht alles.
Im Schnitt haben die untersuchten österreichischen Tageszeitungen zuletzt schon zwölf Prozent ihres Anzeigenumsatzes mit öffentlichen Institutionen, staatsnahen Firmen und Parteien gemacht. Das hat der VÖZ, der Verband Österreichischer Zeitungen, nun interessanterweise selber veröffentlicht. Das ist schon an sich ein schlimmer Wert: Denn jeder, der sich nur halbwegs im Verlagsgeschäft auskennt, weiß, welche Abhängigkeiten bei einer solchen Dominanz einer einzigen Inserentengruppe entstehen.
Noch schlimmer ist, wenn man sich die einzelnen Zeitungen ansieht: Bei der Kronenzeitung ist dieser Wert 13, bei „Österreich“ sogar 19 Prozent und bei „Heute“ unfassbare 28 Prozent. Mit anderen Worten: Alle Österreicher und vor allem Wiener, die glauben, ihnen werde da etwas geschenkt, haben sich ihren U-Bahn-Begleiter über ihre Steuern, Fahrscheine, Stromgebühren usw. in einem hohen Ausmaß selbst finanziert.
Daher ist es auch kein Wunder, dass der plötzliche unfreiwillige Abgang des „Heute“-Chefredakteurs zu – natürlich nicht beweisbaren – Spekulationen über einen politischen Grund geführt haben. Waren doch in dem stark verbreiteten Blatt in den letzten Monaten einige dort ungewöhnliche Beiträge zu lesen gewesen. Dort wurde insbesondere der Selbstverteidigungsminister Darabos heftig attackiert. Es wurden auch einige Subventionsmissbrauchs-Skandale aus dem Dunstkreis des Wiener Rathauses enthüllt. Auch wenn offiziell ganz andere, nichtssagende Gründe für seinen Hinauswurf genannt werden, so wäre es doch zumindest naheliegend, dass Rathausgewaltige den (sich hinter einem Treuhänder versteckenden) Blatteigentümern signalisiert haben, dass bei einer solchen Berichterstattung der Inseratenstrom aufhören könnte. Jedenfalls war der Chefredakteur nach diesen Ansätzen einer unabhängigen Berichterstattung seinen Job los. Obwohl er ja früher durchaus brave SPÖ-Nähe gezeigt hat.
Aber zurück zu den vom VÖZ veröffentlichen Inseraten-Aufstellungen. Da keine Zeitung ihre wahren Umsätze verrät, wurden bei dieser Messung einfach die „Brutto-Werte“, also schlicht die Inseraten-Tarife multipliziert mit der Inseraten-Fläche verwendet. Jedoch wird in der ganzen Inseraten-Branche wie wild geschleudert. Wer nur 20 oder 30 Prozent Rabatt bekommt, hat schlecht verhandelt.
Lediglich eine Gruppe von Inserenten handelt so gut wie gar nicht: nämlich die öffentliche Hand. Sie tut dies vor allem dann nicht, wenn der Zweck des Inserats gar nicht primär die Werbung für ein Ministerium, einen ÖBB-Bahnhof oder einen Wiener Infrastrukturmonopolisten ist, sondern die Beeinflussung der – scheinbar unabhängigen – restlichen Berichterstattung der Zeitung. Daher wird von politischen Auftraggebern in der Regel mehr oder weniger der volle Tarif bezahlt.
Das heißt aber mit anderen Worten, dass der 12-prozentige Anteil der öffentlichen Hand sich nur auf die reine Inseratenfläche bezieht. In Hinblick auf die wahren Umsätze ist er naturgemäß viel größer. Denn die inserierenden Banken oder Handelsunternehmen feilschen natürlich mit großer Professionalität.
Aber auch das ist noch nicht die ganze Wahrheit: Denn die sogenannten Druckkostenbeiträge sind – aus welchen Gründen immer – vom Zeitungsverband in diese Aufstellung gar nicht aufgenommen worden. Und in diesem Bereich haben die öffentlichen Zahler mit Sicherheit einen noch viel höheren Anteil.
Dabei sind diese Druckkostenbeiträge vom journalistischen Ethos noch viel problematischer als Anzeigen (sofern diese als solche erkennbar sind): Denn da kauft sich ein Ministerium ganz direkt einen bestimmten Inhalt; dieser tritt dem Leser aber als scheinbar ganz unabhängige redaktionelle Berichterstattung gegenüber. Und nur wirkliche Profis finden dann auf einer einzigen Seite beispielsweise einer umfangreichen Forschungsbeilage (um nur einen Typus solcher "Kooperationen" zu nennen) den versteckten Hinweis, dass da ein Ministerium einen Druckkostenbeitrag gezahlt hat. Oder dass die Beilage in Zusammenarbeit mit diesem Ministerium entstanden ist.
In anderen Ländern weiter westlich wäre das alles längst als massive Untreue und Offizialdelikt vom Korruptionsstaatsanwalt aufgegriffen worden; und wegen der Verletzung des Mediengesetzes, das auch bei solchen „Kooperationen“ eine saubere und umfassende Kennzeichnung verlangt, vor dem Medienrichter.
Jetzt aber kommt ein Gesetz, das zur halbjährlichen Veröffentlichung der diesbezüglichen Ausgaben von Bundes- und Landes-Regierungen sowie von öffentlichen Betrieben zwingt. Klingt gut oder?
Leider nicht wirklich. Dieses Gesetz sieht nämlich weiterhin keine Begrenzung der politischen Werbeumsätze vor. Diese aber haben sich auf Bundesebene (samt ÖBB!) seit dem Eintritt von Werner Faymann in die Bundesregierung vervielfacht. Auch das „Spar“-Budget erzwingt keine Kürzung. Mit anderen Worten: Nachdem ja schon die bisherigen Inserate und Druckkostenbeilagen in aller Öffentlichkeit stattgefunden haben, wird man sich nur wenig genieren, wenn halt irgendwo auf einer Homepage dann auch der bezahlte Betrag steht. Da werden höchstens die Familie Fellner und die Familie Dichand genau schauen, dass der jeweils andere Clan nicht mehr bekommt als sie selber.
Das Gesetz sieht auch weiterhin keinen Zwang zur inhaltlichen Überprüfung der Notwendigkeit einer Information der Bürger durch die öffentliche Hand vor. Das könnten sehr leicht halbwegs unabhängige Gremien wie etwa der PR- oder Werberat machen. Wenn man schon annimmt, dass in bestimmten Fällen die Notwendigkeit einer Information durch die Politik gegeben sein könnte.
Auch sieht der Regierungsentwurf keine Ausschreibung der regierungsnahen Schaltungs- und Werbearbeit vor, die ansonsten bei jedem größeren öffentlichen Auftrag vorgeschrieben ist. Wenngleich man darauf hinweisen muss, dass die Regierung Faymann-Pröll skandalöserweise die Schwelle deutlich angehoben hat, ab der öffentliche Aufträge ausgeschrieben hat. Was die Steuerzahler teuer kommt, aber niemanden wirklich interessiert. Für jede Markenartikelfirma ist es jedenfalls eine selbstverständliche Routine, nur professionelle Schaltagenturen mit der Aufgabe zu betrauen, einen möglichst hohen Werbewert in der gewünschten Zielgruppe zu einem möglichst niedrigen Preis zu erzielen.
Aber nicht doch die Regierung. Trotz allem werden sich alle Beteiligten rühmen, wie hart sie gegen die eigene Korruption vorgingen. Diese aber wird in kaum veränderter Form munter weitergehen.
Erzählt man das Alles ausländischen Politikern oder Branchenexperten, dann schütteln sie den Kopf und höhnen: „Jetzt wissen wir, warum der Balkan schon in Wien beginnt.“