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In der gegenwärtigen Atomaufregung gibt es trotz allem bisweilen Grund zu einem erheiterten Auflachen. Zumindest in Österreich.
Da sagt der Wirtschaftsminister (zu Recht und erstaunlich unpopulistisch), dass das Land sich in der Atompolitik nicht allzusehr „die Schuhe aufblasen“ solle. Dieser offenbar im Mühlviertel übliche Spruch bedeutet die realistische Erkenntnis, dass sich der allergrößte Teil der EU-Länder nicht gerade von Österreich seine Energiepolitik vorschreiben lassen wird. Das hindert freilich den Landwirtschaftsminister nicht, wenige Tage später zu einem großen Bündnis der europäischen Atomgegnerstaaten zu blasen.
Die Liste jener fünf Staaten, die er dabei hoffnungsvoll als künftige Waffenbrüder aufzählt, ist ja nun wirklich eindrucksvoll: Zwei davon sind Zypern und Malta, also völlig bedeutungslose, aber kräftig EU-Hilfe kassierende Mittelmeerinseln. Und die anderen drei sind: Griechenland, Irland und Portugal. Diese drei Länder haben wir doch in ganz anderem Zusammenhang zuletzt ständig gehört und gelesen? Ob das auch einem Berlakovich auffällt?
Diese Armada der Bankrotteure und Inselzwerge ist ungefähr so eindrucksvoll, wie wenn die Freiwilligen Feuerwehren aus Berlakovichs Burgenland jetzt der Nato den Krieg erklären würden. Aber wahrscheinlich bin ich ein bezahlter Atomlobbyist, wenn mich dieser „Club Berlakovich“ nicht ganz davon überzeugen kann, dass AKW-losigkeit wirtschaftlich für Europa eine sehr sinnvolle Strategie ist. Übrigens auch für Österreich nicht, konsumiert das Land doch mindestens sechs Prozent seines Stroms aus Atomkraftwerken. Der nun übrigens sehr knapp werden wird, weil auch Deutschland den Strom aus seinen plötzlich stillgelegten Kraftwerken durch Import von französischem Atomstrom ersetzen muss.
Einen atomkraftwerksfreien Staat eines anderen Typus hat der wackere Minister hingegen bei seiner Aufzählung vergessen: nämlich Dänemark. Das wäre ja auch ein aufschlussreiches Beispiel für ein entwickeltes Land ohne Nuklearenergie: Denn in Dänemark zahlen die Haushalte um ein volles Drittel mehr für die Kilowattstunde als die Österreicher. Obwohl diese jetzt schon laut Eurostat den sechsthöchsten Strompreis unter den 27 EU-Staaten haben.
Daher sollte man bei aller täglichen Panikmache aus den Medien, die etwa in der vom ORF und der Fellner-Zeitung (jedoch keinem einzigen Wissenschaftler) über Österreich gesichteten Atomwolke gegipfelt ist, doch auch ein bisschen davon reden, welche Alternativen für die anderen EU-Staaten ein konsequenter Anti-Atom-Kurs bedeutet. Entweder den raschen griechischen Weg in den Bankrott oder den arbeitsplatzvernichtenden Weg eines exorbitant hohen Strompreises.
Wobei die Dänen freilich durch andere wirtschafts- und sozialpolitische Maßnahmen ihre Stabilität trotzdem absichern können. Nur bestehen diese in einem so kapitalistischen und rechten Kurs, dass er Grün&Co (also allen fünf österreichischen Parteien) wohl auch nicht so recht gefallen wird: In Dänemark können beispielsweise Arbeitgeber jederzeit und ohne Beschränkungen kündigen; Dänemark hat auch die höchsten Hürden gegen Zuwanderung aufgebaut. Das entlastet den dänischen Sozialstaat im Vergleich zu Deutschland oder Österreich massiv, da ja Zuwanderer in viel höherem Ausmaß die Wohlfahrtskassen belasten als Inländer.
Fast so skurril wie jener „Club Berlakovich“ ist aber auch das, was sich in den vergangenen Wochen in Österreich abgespielt hat: Da waren binnen kurzem sowohl Geigerzähler wie auch die (keineswegs ungefährlichen) Jodtabletten ausverkauft. Das war natürlich eine Folge der Rund-um-die Uhr-Panik der Medien.
Dieser Panik sind fast nirgendwo die relativierenden Fakten gegenübergestellt worden. Dazu hätte etwa die Tatsache gehört, dass nach dem Unfall im viel näher gelegenen Tschernobyl bis heute kein einziger gesundheitlicher Schadensfall in Österreich nachweisbar ist. Obwohl damals die Aufregung ebenso groß war, obwohl damals ein Gesundheitsminister wegen angeblicher Sorglosigkeit zurücktreten musste, obwohl damals ein (mir persönlich gut bekannter) SPÖ-Spitzenpolitiker seine Wohnung zwei Jahre lang nur noch in Socken betreten hat, um nur ja keinen verstrahlten Staub hineinzutragen, und seinen Milchbedarf nur mit kanadischem Trockenmilchpulver gedeckt hat.
Man hätte auch an andere Panikfälle erinnern können, die uns wochen- oder monatelang beschäftigt hatten, die heute aber wieder völlig vergessen sind: Etwa an die Vogelgrippen-Panik mit der höchsten Alarmstufe oder an die BSE-Krise. Während dieser hat ein Jahr lang fast niemand mehr Rindfleisch gekauft; während dieser sind in Deutschland sowie Österreich Zehntausende Rinder abgeschlachtet worden. Das alles wegen des vagen Verdachts, dass in Großbritannien einige Menschen an einer von Rindern übertragenen Krankheit verstorben sind.
Ich ließe mir ja all diese Paniken, Ängste und Vorsichtsmaßnahmen einreden, wenn die gleichen Menschen mit gleicher Intensität auf das Rauchen und Autofahren verzichten und ihr Übergewicht bekämpfen würden. Immerhin sterben daran alljährlich Millionen Menschen, also mehr als in den kühnsten Greenpeace-Phantasien an Atomunfällen sterben könnten. Aber diese Gefahren sind viel zu groß, viel zu offensichtlich und viel zu wenig unheimlich, als dass wir uns vor ihnen fürchten würden, und als die quoten- und auflagengeilen Medien für die tägliche Apokalypse nutzen könnten.