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Europa ist reich. Es ist zumindest reich an Ideen, wie die Europäische Union weiterentwickelt werden soll. Die allermeisten Ideen sind jedoch im Lauf der Monate, Jahre, Jahrzehnte wieder in den Schubladen verschwunden. Dasselbe wird zwangsläufig mit dem gerade modischen Projekt einer „europäischen Wirtschaftsregierung“ passieren.
Dieses Projekt konnte überhaupt nur deshalb so an Prominenz gewinnen, weil die Politik beim EU-Gipfel irgendetwas nach Substanz Klingendes diskutieren wollte. Und weil sich der französische Staatspräsident in absehbarer Zeit den Wählern stellen muss. Aber auch weil die EU davon ablenken wollte, dass Europa in Sachen Ägypten keinen klaren Kurs gezeigt hat. Dafür ist sie ja heftig kritisiert worden.
In Wahrheit aber kann man in Sachen Ägypten der EU ihre relativ zurückhaltenden Stellungnahmen gar nicht vorwerfen. Denn Ägypten ist ein unabhängiger und trotz Armut selbstbewusster Staat. Auch die USA haben keine klare Linie zu Ägypten gefunden. Überdies ist es gefährlich, Partei zu ergreifen, wenn man den Ausgang eines Konflikts nicht vorhersagen kann. Ganz abgesehen davon ist es ziemlich fraglich, welcher Ausgang des ägyptischen Bürgerkriegs eigentlich im Interesse Europas wäre. Es kann sich nicht wünschen, dass dort antiwestliche Islamisten die Macht übernehmen, noch aber kann die EU in irgendeiner Weise die Seite eines von der Mehrheit seines Volkes offensichtlich abgelehnten Diktators ergreifen.
Zurück zum Projekt Wirtschaftsregierung. Wer die europäischen Verträge kennt, wer auch nur halbwegs eine Ahnung von wirtschaftlichen Zusammenhängen hat, der weiß, dass die Idee nie abheben wird können. Was auch besser ist.
Denn laut den EU-Verträgen hat die Union gar keine Kompetenzen, das zu machen, was sich die Verfechter einer EU-Wirtschaftsregierung so als neue Gemeinsamkeiten ausgedacht haben: eine zwingende Schuldenbremse, eine Harmonisierung von Steuern, Lohn- und Sozialpolitik oder eine Angleichung des Pensionsantrittsalters. Das könnte nur freiwillig oder über eine massive Änderung der Verträge passieren – die jedoch absolut aussichtslos ist. Das haben schon die Begleitumstände der letzten Vertragsänderungen gezeigt. Der Widerstand gegen den Transfer weiterer Kompetenzen nach Brüssel ist in vielen Ländern so groß, dass keinerlei Aussicht auf Annahme einer solchen Änderung besteht. Ganz abgesehen davon, dass der Kampf darum die Union mindestens fünf Jahre lang lähmen würde.
Eine Wirtschaftsregierung würde den innereuropäischen Wettbewerb ausschalten, dafür Europa als Ganzes im internationalen Wettbewerb noch weiter zurückfallen lassen. Denn in der Realpolitik würden sich in dieser Wirtschaftsregierung meist jene durchsetzen, welche die Steuern und Sozialleistungen hochtreiben wollen, die Hochleister jedoch bremsen. Das konnte man schon am geradezu unglaublichen Vorschlag einiger EU-Beamter ablesen, welche die deutschen Exporterfolge einbremsen wollen.
Aber ist eine solche Wirtschaftsregierung nicht absolut unverzichtbar, um den Euro zu retten? Nein, ganz sicher nicht. Europa hat und hatte nämlich gar keine Eurokrise – sondern eine Verschuldenskrise, eine Bankrottgefahr einiger Mitgliedsländer. Es redet ja auch niemand von einer Dollarkrise, wenn Kalifornien, also der weitaus wichtigste amerikanische Bundesstaat, sowie einige kleinere US-Staaten von Zahlungsunfähigkeit bedroht sind. In Europa sind hingegen bisher nur einige kleinere Staaten ins Schleudern geraten; und Deutschland, also Europas Kalifornien, steht zumindest im Vergleich blendend da.
Der Euro ist nach wie vor eine der sichersten Währungen der Welt. Freilich hat ihm eines schwer geschadet: Das war nicht die Krise in Griechenland oder Irland, sondern die falsche Reaktion darauf. Man hat 2010 darauf verzichtet, in diesen Ländern das im Falle von Überschuldung übliche Szenario einzuleiten, nämlich eine Umschuldung. Bei einer solchen verlieren die Gläubiger 20, 30 oder 40 Prozent oder müssen zumindest viel länger auf die Rückzahlung warten. Eine Umschuldung ist etwa mit den Schulden Polens aus kommunistischer Zeit passiert – und hat die Grundlage für den nachfolgenden steilen Aufstieg des großen slawischen Landes gelegt.
Inzwischen ist in der Finanzwelt die Überzeugung stark gewachsen, dass nur eine neuerdings gerne „Haircut“ genannte Umschuldung die Lösung sein kann. Und weder eine Wirtschaftsregierung bringt eine Lösung noch die vielen gefährlichen Konstruktionen, die in den letzten Monaten diskutiert worden sind, wie etwa die Aufnahme gemeinsamer Eurobonds durch die Euro-Länder. Denn dabei würden wieder die disziplinierten Länder zugunsten der Sünder draufzahlen – solange bis am Schluss alle marod sind. Dasselbe würde die Ausweitung des „Rettungsschirmes“ bedeuten, den die Länder im Vorjahr für die Krisenintervention geschaffen haben. Und der schon damals ein Fehler war.
Eine Wirtschaftsregierung kann nur dann funktionieren, wenn eine zentrale Stelle das Recht zum Eingriff in die nationalen Gesetze und Budgets hat. Also wenn die teilnehmenden Länder auf den Status von Provinzen degradiert werden. Gibt es dieses Recht nicht, dann sollte man endlich wieder das gelten lassen, was die Marktwirtschaft, aber auch die Rechtsordnungen sämtlicher Industrieländer seit langem lehren: Wer insolvent ist, der soll in Insolvenz gehen (die heißt halt bei Ländern „Umschuldung“). Alles andere würde jede finanzielle Disziplin ad absurdum führen.
Gewiss ist eine Insolvenz für die handelnden Politiker unangenehm, weil sie in der Regel ihren Posten verlieren – wie es halt auch dem Management insolventer Firmen passiert. Diese Insolvenzgefahr würde sie daher zwingen, schon vorbeugend ordentlich zu wirtschaften.
Es würde übrigens auch Österreich gut anstehen, dieses Prinzip wieder anzuwenden. Die extrem teure Rettung der Hypo Alpe-Adria ist ja nur deshalb erfolgt, weil sich die Republik nicht getraut hat, Kärnten in Konkurs gehen zu lassen, das leichtfertig Haftungen in der gigantischen Höhe von fast 20 Milliarden für diese Bank eingegangen ist.
Eine Wirtschaftsregierung ist letztlich so zahnlos und überflüssig wie der Stabilitätspakt, der von Anfang an von fast keinem Land eingehalten worden ist. Dafür hat man 2010 die wichtigste Regel bei der Einführung des Euro skandalös gebrochen, nämlich das „No Bail-out“. Trotz ausdrücklichem vertraglichem Verbot haben Mitgliedsländer, Kommission und EZB den Sünderländern Geld zugeschoben, also ein Bail-out vorgenommen.
Auch aus diesem Grund sollte man nicht lange über europäische Wirtschaftsregierungen diskutieren, deren Beschlüsse ja noch weniger Verbindlichkeit hätten als das Bail-out-Verbot. Sondern jedes Land muss selber wissen, dass leichtsinnige und verschwenderische Politik immer schmerzliche Folgen hat.
Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.