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Vaclav Klaus und seine europäischen Wahrheiten

Vaclav Klaus hat dieser Tage fundamentale Kritik an der EU geübt. Diese ist jedenfalls ernstzunehmen, ist der tschechische Präsident doch einer der ganz wenigen europäischen Spitzenpolitiker mit einer fundierten ökonomischen Bildung – und gleichzeitig mit dem Mut, seine Meinung ohne die sonst üblichen Rücksichten und diplomatischen Floskeln brutal und pointiert zu formulieren. Davon können wir alle nur profitieren, selbst wenn wir dem Mann auf dem Hradschin nicht in Allem zustimmen sollten.

Was hat er nun gesagt? Erstens hat er darauf verwiesen, dass es ein grober Fehler sei, die EU und Europa gleichzusetzen. Damit hat er zweifellos recht. Haben doch auch wir Österreicher bis 1995 sehr unter dieser Gleichsetzung gelitten, als wir eben noch nicht Teil der EG beziehungsweise EWG waren, wie die EU früher hieß.

Europa ist nicht nur größer, sondern auch viel älter als die EU. Und es wird auch wohl dann weiterbestehen, wenn die EU einmal als Folge von allzuvielen Fehlern ihrer Akteure zerbrechen sollte. Auch wenn wir uns das nicht wünschen, so ist es doch sicher gut, sich der potenziellen Endlichkeit der Union endlich wieder bewusst zu werden. Dieses Bewusstsein ist ja auch eine Warnung, allzu leichtfertig die EU zu missbrauchen.

Zweitens macht Klaus ein strengen Unterschied zwischen Integration und „Unifikation“. Er bekennt sich voll zur Integration, womit er die Liberalisierung des Lebens und der Wirtschaft sowie insbesondere die Beseitigung der Barrieren zwischen den einzelnen Ländern und ehemaligen Blöcken meint. Dieses Lob von Klaus wird wohl von fast allen Europäern geteilt. Die Integration hat uns alle wohlhabender, freier, mobiler gemacht.

Unter Unifikation versteht Klaus hingegen den Versuch, Europa künstlich in eine harmonisierte und zentralisierte Nation zu verwandeln. Diesen Versuch lehnt er ab; und prophezeit ihm ein Scheitern.

Der Tscheche hat damit den wunden Punkt Europas angesprochen: Wollen die Menschen das überhaupt? Hat das unausgesprochen von vielen europäischen Akteuren angestrebte Ziel, die EU zu Vereinigten Staaten von Europa weiterzuentwickeln, eine demokratische Legitimation? Man darf zweifeln. Schon die großen sprachlichen Unterschiede, aber auch die völlig unterschiedliche historische und kulturelle Identität machen eine Überwindung des nationalen Denkens und Handelns so gut wie unmöglich.

Man sehe sich nur an, mit welch großer Intensität die Österreicher nach wie vor das Handeln ihrer Bundesregierung und ihres Parlaments diskutieren, wie wenig emotionale Aufmerksamkeit hingegen das europäische Parlament oder die diversen EU-Ministerräte beziehungsweise Kommissions-Sitzungen hierzulande erregen.

Es gibt nicht einmal funktionierende gesamteuropäische Medien. Lediglich das Eliteblatt „Financial Times“ widmet Europa mehr Raum und Gewicht als nationalen Vorgängen. Das ist natürlich schade, aber doch ein Faktum, das ich selber bei meinen eigenen Vorträgen beobachten kann: bei österreichischen oder weltanschaulichen Themen ist der Saal meist recht gut besucht, Europa-Themen leeren ihn hingegen.

Diese Unifikation ist in Wahrheit ein reines Projekt der Brüsseler Eliten, aus welchem Land immer sie kommen mögen. Medien, Politiker, EU-Beamte, Lobbyisten denken europäisch, der Rest des Kontinents tut das nicht. Deshalb wird den Europäern auch regelmäßig mehr Subsidiarität versprochen – also dass die einzelnen Nationen wieder mehr Rechte und Macht bekommen. Geschehen tut aber leider oft das Gegenteil.

Freilich sollte man dafür nicht allzusehr die anonyme Institution EU geißeln. Denn im Rat, dem noch immer mächtigsten Gremium Europas, sitzen lauter nationale Minister oder Regierungschefs. Ohne ihre Beschlüsse könnte das Subsidiaritätsprinzip auch nie verletzt werden. Aber in Wahrheit tun die versammelten Minister das sehr gerne. Denn in einer Ratssitzung kann man unter lauter meist gleichgesinnten Kollegen viele Dinge durchbringen, mit denen man daheim im Ministerrat, am Finanzminister, im Parlament oder in der Öffentlichkeit scheitern würde. Und das Ergebnis kann man dann scheinheilig wieder der EU in die Schuhe schieben.

In den einzelnen Fachministerräten beschließen die versammelten Umwelt- oder Frauen- oder Landwirtschaftsminister in nichtöffentlichen Sitzungen Vieles, was nur im ganz spezifischen Interesse einer Lobby liegt. Die Gesamtsicht, für die etwa in Österreich die Einstimmigkeitspflicht im Ministerrat sorgt, geht dabei hingegen verloren. Das ist aber ein gravierender Fehler.

Problematisch wird Klaus freilich in einem weiteren Punkt, nämlich wenn er die „Soziale Marktwirtschaft“ weitgehend mit dem Kommunismus gleichsetzt. Da wird seine pointierte Vereinfachung allzu holzschnittartig und damit falsch. Da ja in der EU keineswegs die Wirkung der Marktmechanismen abgeschafft ist.

Und vor allem vergisst Klaus eines: Noch immer gibt es neben den schädlichen Unifizierern in der EU-Kommission auch viele erfolgreiche Kämpfer für den Markt, gegen Monopole und Kartelle. Ohne sie stünden wir, stünden vor allem die Konsumenten viel schlechter da.

Aber dennoch ist es sehr schade, dass die interessanteste Rede eines europäischen Politikers seit Jahren so wenig diskutiert wird.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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