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SN-Kontroverse: SPÖ-Wehrpflichtdebatte

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Ist die SPÖ in der Wehrpflichtdebatte auf dem richtigen Kurs?

 

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

 

Gut, dass diskutiert wird

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Seit dem Fall der Berliner Mauer, dem Ende des Kalten Kriegs und dem Beitritt zur EU befindet sich Österreich in einer vollkommen anderen sicherheitspolitischen Situation als nach 1945. Die Bedrohungsszenarien und die Anforderungen bei der Bewältigung der militärischen Kernkompetenzen sind anders. Niemand würde heute glauben, dass Russland in Österreich durchmarschiert, um mit der NATO einen Krieg zu führen. Diese Annahme war in den 1960er-Jahren realistisch und hat folglich zur Entwicklung des Raumverteidigungskonzepts, der Spannocci-Doktrin geführt.

Jetzt ist es die allgemeine Wehrpflicht, die der Überprüfung durch die Realität nicht mehr standhält. Denn wie rechtfertigt es ein Staat, dass er jährlich Abertausende junge Männer zu einem mehrmonatigen Zwangsdienst verpflichtet, der weitgehend sinnentleert ist? Österreich ist von befreundeten Staaten umgeben, die keine kriegerischen Absichten hegen. Die Verteidigung des Vaterlandes als Grund für die Aufrechterhaltung der Wehrpflicht fällt somit weg. Und gerade im Kriegsfall wäre die heutige Form der Ausbildung völlig ungeeignet. Kriegsgerät und Kriegsführung setzen hoch spezialisiertes Expertentum voraus. Aus den Knarren in der Hand des Infanteristen sind längst technisch hochkomplexe Waffensysteme geworden, die nur von geschulten Profis bedient werden können.

Auch das Argument, dass mit der Aufhebung der Wehrpflicht das Sozial- und Gesundheitssystem mit einem Schlag billige Arbeitskräfte verliert, zieht nicht. Es gibt zahllose Möglichkeiten, um jungen Leuten den freiwilligen Sozialdienst schmackhaft zu machen. Und da es Aufgabe der Politik ist, auf geänderte Situationen neue Antworten zu finden, ist es gut, dass nun eine Debatte über die Aussetzung des militärischen Zwangsdienstes entfacht wurde. 


Welche Debatte? Welcher Kurs?

Andreas Unterberger

Heute tue ich mir schwer mit der gestellten Frage. Denn ich kann weder eine Debatte erkennen noch einen Kurs der SPÖ (oder einen der ÖVP).

Geht es um den Kurs der „Kronen Zeitung", den Michael Häupl in der eitlen Hoffnung, solcherart seine Schlappe bei den Wien-Wahlen abzuwenden, im letzten Moment apportiert hat? Geht es um den Kurs des Verteidigungsministers, der alle paar Monate das Gegenteil als „in Stein gemeißelt" erklärt? Geht es um die hohlen, aber neuerdings heftig trainierten Töne des SPÖ-Bundeskanzlers? Geht es um den Kurs des SPÖ-Wehrsprechers, des SPÖ-Verfassungssprechers, des SPÖ-Bundespräsidenten, die alle für die Wehrpflicht sind?

Ich kann aber auch keine Debatte erkennen. Soll diese im brutalen Hinauswurf des obersten Offiziers bestehen, nur weil der eine solche zu führen versucht hat? Soll das vom Minister auf den Tisch des - in mehrfacher Hinsicht sprachlosen - Koalitionspartners geknallte Papierchen eine Debatte darstellen? Sollen es die darin enthaltenen Zahlen sein, die entgegen den ursprünglichen Expertenberechnungen auf seine Anordnung so lang manipuliert wurden, bis dann doch irgendwie eine Berufsarmee als finanzierbar dargestellt werden konnte? Sollen das die Lügen sein, dass es in Schweden, Belgien oder Deutschland positive Erfahrungswerte mit einer Berufsarmee gäbe? Soll die Debatte im Fehlen jeder Analyse bestehen, auf welche neuen Aufgaben und Gefahren Österreich und Europa sich eigentlich vorbereiten müssten? Oder in der panischen Angst vor jeder Neutralitätsdebatte? Oder im totalen Ignorieren der ernsthaften Sorgen, dass sich die künftige Armee überwiegend aus Rechtsradikalen, aus Arbeitslosen sowie aus Zuwanderern ohne emotionale Bindung an Österreich rekrutieren dürfte?

Eine ernsthafte Debatte wird es erst geben, wenn die SPÖ einen ernsthaften Minister präsentiert. Also einen anderen.

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