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Liebe EU, mach doch bitte Ungarn den Prozess!

Irgendwie erinnert man sich elf Jahre zurückversetzt. Auch damals haben unter Anstiftung der europäischen Sozialdemokraten und unter tumber Mitwirkung der bürgerlichen Parteien alle anderen EU-Länder eine beispiellose Hetze gegen ein Mitgliedsland ausgelöst. Was damals Österreich war, ist heute Ungarn.

Dieser Vergleich heißt nun nicht, dass alles, was heute Ungarn vorgeworfen wird, substanzlos und an den Haaren herbeigezogen ist. Jedoch wird in jedem einzelnen Punkt der Vorwürfe maßlos übertrieben.

Dadurch wird aber ein Verdacht täglich größer: nämlich dass das eigentliche Delikt der Ungarn darin besteht, dass sie mit mehr als zwei Drittel der Stimmen eine Partei der Rechten an die Macht gebracht haben, und dass die nennenswerteste Opposition überdies eine noch weiter rechts stehende Gruppierung ist, während die Ungarn die Sozialisten mit Schimpf und Schande davongejagt haben, nachdem diese das Land wirtschaftlich ungebremst gegen die Wand gefahren haben.

Aber Europas oberstes Gebot lautet: Wähle keine Sozialisten ab, wenn es dir wohlergehen solle auf Erden. Genauso wenig hätten sich vor elf Jahren Blau-Schwarz in Österreich erdreisten sollen, eine Regierung zu bilden. Europa hat links regiert zu werden – selbst wenn die Wähler noch so sehr für rechte Parteien stimmen. Dementsprechend haben auch diesmal die konservativen, liberalen und christdemokratischen Parteien lauthals wie ungeprüft die sozialistischen Denunziationen nachgebetet. Und wieder einmal tun dies die Luxemburger Christdemokraten an vorderster Stelle.

Dabei kann man jede Wette eingehen: Keiner der Ungarn-Basher hat das neue ungarische Mediengesetz bisher auch nur gelesen, das ja den Stein des Anstoßes bildet. Bis vor kurzem lag es nämlich nur auf Ungarisch vor und erst seit kurzem in einer fast 200 Seiten langen Teilübersetzung auch auf Englisch. Das Tempo und die Geschlossenheit der internationalen Reaktionen auf ein vorerst unbekanntes Gesetz müssen daher mehr als stutzig machen.

Im Hauptpunkt der Kritik geht es darum, dass dieses neue Mediengesetz den Medien eine ausgewogene Berichterstattung vorschreibt. Die ungarische Regierung behauptet nun, dass es keinerlei Sanktionen für eine nicht ausgewogene Berichterstattung gibt. Die Opposition, die sich – mangels Erfolgen bei den Wahlen – derzeit vor allem über die Medien und das Ausland artikuliert, behauptet das Gegenteil.

Vorerst gibt es also für Nicht-Ungarischsprechende absolut keine Möglichkeit, den Wahrheitsgehalt des Vorwurfes zu überprüfen. Wobei auch festzuhalten ist, dass bisher niemand in Ungarn wegen unausgewogener Berichterstattung belangt worden ist, obwohl das Land sehr viele linke wie kritische Medien hat; die ersten anhängig gemachten Fälle beziehen sich vielmehr nur auf das, was man bei uns einst Jugendschutz genannt hatte.

Andererseits sollte freilich unmissverständlich klar sein: Sollte unausgewogene Berichterstattung in Ungarn tatsächlich bestraft werden, dann wäre das absolut nicht zu akzeptieren, dann müsste der europäischen Menschenrechtsgerichtshof (der übrigens nichts mit der EU zu tun hat!) jedes derartige Urteil zurückweisen. Aber eben erst dann, wenn solches wirklich passiert, und nicht schon wenn es die internationalen Sozialisten behaupten!

Merkwürdig ist aber auch, dass sich die EU-Kommission überhaupt für das ungarische Mediengesetz für zuständig fühlt. Wo steht davon eigentlich etwas im EU-Vertrag? Und wenn die EU wirklich für Medienfreiheit zuständig wäre (was man durchaus begrüßen könnte), warum hat sie nichts unternommen, als sich europäische Justizminister – außerhalb der EU-Gesetzgebung – darauf geeinigt hatten, Meinungsdelikte mit zwei Jahren Haft zu bestrafen? Das ist wohl ein mindestens so schlimmer Eingriff in die Meinungsfreiheit, als es eine Pflicht zur Ausgewogenheit wäre. So sehr auch die mit der Meinungsfreiheit im Widerspruch steht. Denn selbstverständlich muss jede Zeitung ganz frei ihre eigene Sicht der Dinge berichten können, ohne dass Regierungen das nachprüfen dürfen.

Der zweite Kritikpunkt des Auslands in Sachen ungarisches Mediengesetz ist, dass die Medienbehörde komplett von der Regierungspartei nominiert wird. Nun: Wenn die Wähler diese Partei mit mehr als zwei Dritteln legitimiert haben, ist das durchaus rechtens. Wäre es anders, dann müssten beispielsweise fast sämtliche Postenbesetzungen der österreichischen Regierung komplett EU-widrig sein.

Eine einseitige Besetzung von angeblich objektiven Organen durch die Regierung trifft hierzulande nämlich nicht nur auf die Medienbehörden zu, sondern auf noch viel wichtigere Gremien: insbesondere auf den österreichischen Verfassungsgerichtshof. Der wird nämlich von oben bis unten rot-schwarz besetzt. Von der Opposition oder unabhängigen Juristen keine Spur. Ebenso hat die Wiener Regierung vor kurzem eine stramme Parteisoldatin als österreichischen Richter ins oberste EU-Gericht entsandt, die absolut keine richterliche Erfahrung hat. Was also ebenfalls viel skandalöser und wichtiger ist als die Besetzung der ungarischen Medienbehörde. Dabei haben die beiden österreichischen Regierungsparteien zusammen weniger Stimmenanteile erhalten als die ungarische Regierungspartei (und würden bei künftigen Wahlen kaum mehr die Hälfte der Stimmen bekommen).

Man darf also durchaus gespannt sein, wie es in Sachen EU vs. Ungarn weitergeht. Denn alles, was nun den Ungarn angehängt wird, kann auch anderen Ländern wie Österreich angehängt werden, obwohl die SPÖ ganz besonders laut gegen Budapest hetzt.

Vor allem aber ist es in einigen anderen Punkten um Österreichs Medienlandschaft noch viel schlimmer bestellt als um die ungarische: Wird doch hier der ORF-Generaldirektor wie die Leitung eines SPÖ-Sekretariats vergeben. Und vor allem: In keinem europäischen Land ist es erlaubt oder überhaupt denkbar, dass die Regierung – insbesondere die Kanzlerpartei – hemmungslos in den Steuertopf oder auch in die Kassa der Bundesbahn greift, um parteipolitisch freundliche Zeitungen zu belohnen. Das ist in Wahrheit Korruption in Reinkultur.

Also, liebe EU, nur zu: Mache doch den Ungarn einen Prozess – dann aber auch allen anderen, die genauso schuldig sind! Und zücke ja nicht zurück, wenn du draufkommst, dass dich wieder einmal linksintrigante Hysterie und rechte Dummheit auf gefährliches Glatteis geführt haben.

Spannend sind gewiss auch die anderen Vorwürfe gegen Ungarn. Etwa die neuen Steuergesetze, die bewusst so gestaltet sind, dass sie vor allem ausländische Firmen treffen. Solcher Protektionismus verstößt ganz sicher gegen den europäischen Geist und die Binnenmarkt-Prinzipien. Nur: Wie will die Union das verfolgen, wenn sie bisher beim noch viel ärgeren französischen Protektionismus geradezu demonstrativ weggeschaut hat? Quod licet Iovi?

Am wenigsten wird aber im Ausland vom jedenfalls schlimmsten Sündenfall der Ungarn geredet: Um die katastrophalen Budgetlöcher ein wenig zu stopfen, greift die Regierung einfach auf die private Pensionsvorsorge. Das ist nun wirklich eine schwere Verletzung des Grundrechts auf Eigentum. Das Schweigen der anderen Länder bedeutet Übles: Offenbar wird dort schon in etlichen Finanzministerien über ähnliches nachgedacht.

Was uns allen nahelegen sollte, unsere Ersparnisse ins Ausland zu tragen. Singapur soll noch ein recht solides Finanzsystem haben . . .

 

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