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Die unpädagogischen Umwege um das Prinzip Selektion

Es ist halt ein Kompromiss, wie er so typisch ist für diese Koalition. Und wieder einmal kann sich die Opposition freuen, ohne auch nur einen einzigen besseren Vorschlag präsentiert zu haben.

Die SPÖ hat ihr aberwitziges Dogma durchgesetzt, dass es auch künftig bis auf die wenigen schon derzeit geltenden Ausnahmen keine quantitativen Limitierungen für Hochschulstudien geben darf. Damit bleibt die durch viele formale Kriterien entwertete Matura die einzige Zugangshürde.

Dabei wird mit dem skurrilen Argument gearbeitet, dass alles andere eine soziale Diskriminierung bildungsferner Schichten wäre. Dieses Argument wird zwar auch von vielen Journalisten nachgebetet, es führt aber in eine Sackgasse: Irgendwann gibt es im Leben immer eine Selektion. Auch wenn dieses Wort von Berufslinken bewusst mit dem Unterton verwendet wird, als ob jede Selektion eine Ähnlichkeit mit der tödlichen Selektion in NS-Vernichtungslagern hätte.

Selektion ist nicht nur unvermeidlich, sondern auch gut und legitim. Zumindest solange nicht alle bildungsfernen Österreicher Bundeskanzler werden können (derzeit kann das ja nur einer), oder Universitätsprofessor, oder Nobelpreisträger. Je länger man aber jungen Menschen die Illusion einer selektionsfreien und damit anstrengungsfreien Karriere gibt, umso härter wird sie dann die Realität des Lebens treffen, umso mehr Lebenszeit stiehlt man ihnen.

Die beiden wackeren Bildungsministerinnen haben einen anderen Weg versucht: Sie reduzieren statt einer ehrlich deklarierten Selektion die Prüfungswiederholungen am Studieneingang. Künftig sollen die in dieser Phase angesetzten Prüfungen nur einmal (bei Zustimmung der jeweiligen Uni zweimal) wiederholt werden dürfen.

Außerdem soll man sich lange vor Semesterbeginn für ein Studium anmelden müssen. Was offenbar viele Deutsche fernhalten soll. Mit diesen beiden kleinen Hürden hat sich wiederum die ÖVP ein wenig durchgesetzt.

Der Kompromiss ist zweifellos besser als der Istzustand, in dem manche Studienrichtungen zu einer unauffälligen Warte- und Wärmestube für die Absolventen der oft zum Billigsttarif absolvierbaren AHS geworden sind. Damit sind aber diese Studienrichtungen zu Massenbetrieben und in zwingender Folge völlig kaputt gemacht worden. Tatkräftig haben an diesem Ergebnis aber auch viele linke Professoren mitgewirkt, die alle Studenten positiv benotet haben, damit nur ja niemand sozial diskriminiert werde. Daher sind heute beispielsweise Publizistik-, Politologie- oder Geschichts-Abschlüsse völlig wertlos geworden.

Diese Regierung hat zwar schon üblere Kompromisse geliefert – siehe Budgetdefizit, Steuererhöhungen und Vermeidung aller Einsparungen –, aber gut ist dieser Kompromiss deswegen noch keineswegs. Er ist viel zu bürokratisch strukturiert, gibt den Unis nicht die notwendige Freiheit und schafft andererseits keine wirklich sinnvolle Steuerung der knappen Ressourcen. Das Thema Studienzugang wird daher mit Sicherheit auf der Tagesordnung bleiben.

Solange die Politik sich nicht Entscheidendes zu sagen traut, wird der chaotische Massenbetrieb weitergehen. Wie aber sollte eine solche Aussage der Politik aussehen? Sie müsste etwa aus folgenden Elementen bestehen:

  • Es kann nur die Studentenzahl X das Studium Y am Standort Z beginnen.
  • Diese Zahl wird unter Rücksicht auf die erwarteten Entwicklungen des Arbeitsmarkts mit einem Sicherheitsaufschlag für Studienabbrecher (die bei Einführung eines solchen System freilich mit Sicherheit viel seltener werden) und unerwartete Entwicklungen festgelegt.
  • Die einzelnen Unis, Fakultäten und Studienrichtungen haben das Recht, sich am Beginn die besten Studenten auszusuchen.
  • Diese Suche kann – muss aber nicht – auch andere Faktoren als eine Aufnahmsprüfung bewerten: die Maturazeugnisse (samt Berücksichtigung der Qualität der Schule), vorher erworbene Zusatzqualifikationen und soziale bzw. bürgergesellschaftliche Engagements.
  • Die Aufnahme-Entscheidungen der Unis sollten im Idealfall schon vor Semesterbeginn getroffen werden, um den jungen Menschen keine Lebensjahre zu stehlen, sie müssen aber spätestens nach einem Semester feststehen.
  • Jede Studienrichtung bekommt Steuergeld in Relation zu den Anfängerzahlen und der Art des Studiums.
  • Dieses Geld wird in weiteren Budgetjahren auf Grund externer Evaluationen der Studienabsolventen vermehrt beziehungsweise gekürzt. Dabei wird künftig zusätzlich auch der berufliche Erfolg beziehungsweise Misserfolg drei Jahre nach Studienende berücksichtigt. Auf Grund dieser Nach-Studien-Erfolge werden auch die Zahlen der finanzierten Studienplätze erhöht oder vermindert.
  • Unabhängig davon wird die Forschungsleistung jeder einzelnen Fakultät bewertet und honoriert.

Sollte eine Reform in diese Richtung nicht möglich sein, wird in spätestens 20 Jahren ein sehr unsoziales Ergebnis eintreten: Junge Österreicher werden nur noch im Ausland oder an privaten Unis ein gutes Studium absolvieren können.

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