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Darf er das? Dürfen die das?

Dürfen Beamte den eigenen Minister kritisieren? Darf der Verteidigungsminister den Generalstabschef wegen offen kommunizierter Meinungsverschiedenheiten seiner Funktion entheben? Seit Norbert Darabos ohne irgendwelche Argumente nicht nur über seinen eigenen, vor wenigen Monaten noch in Stein gemeißelten Standpunkt, sondern auch über die Bedenken praktisch aller Offiziere drübergefahren ist, steht neben dem unglückseligen Burgenländer, dem genauso armseligen Bundesheer auch das Beamten-Dienstrecht im Zentrum der Aufmerksamkeit.

Die Debatte zeigt, wie sehr diese billige Willfährigkeit des Ministers gegenüber der Kronenzeitung und dem Wiener Bürgermeister die Offiziere, aber auch eine ganze Reihe von SPÖ-Abgeordneten empört. Die Kontroverse um die Abschaffung der Wehrpflicht ist doch einzig deshalb ausgebrochen, weil Michael Häupl im Wahlkampf das Wasser bis zum Hals gestanden ist und er geglaubt hat, mit einer Demutsgeste gegenüber der wehrdienstfeindlichen Kronenzeitung noch die absolute Mehrheit retten zu können. Womit er freilich die Bedeutung des im langsamen Abstieg befindlichen Blattes überschätzt und er den rückgratlosen Darabos in extreme Peinlichkeit gebracht hatte.

Der Widerstand ehrt in jedem Fall die Offiziere und Unteroffiziere. Sie haben immerhin einen Eid darauf abgelegt, zusammen mit ihren Soldaten die Republik auch unter Einsatz des eigenen Lebens zu verteidigen. Das passt so gar nicht mit dem billigen parteipolitischen Opportunismus der SPÖ-Führung zusammen.

Der Widerstand ehrt aber auch die – wenigen – mutigen SPÖ-Abgeordneten. Immerhin zeigt sich, dass auch in dieser Partei einige sitzen, denen Grundsätze wichtiger sind als populistischer Opportunismus. Warum sie dann nicht schon längst einem Werner Faymann die Treue aufgekündigt haben, bleibt freilich offen. Weiß doch schon seit Jahr und Tag jeder bis auf Josef Pröll, dass der Mann mit der Visitenkarte „Bundeskanzler“ seine Großmutter und als Zugabe auch noch Österreich zu verkaufen bereit wäre, nur um sich an der Macht halten zu können. Und dass er natürlich auch parteiabhängige Schwächlinge wie einen Darabos zu Ähnlichem zwingen kann.

Norbert Darabos hat freilich dennoch juristisch und politisch das Recht, einen Generalstabschef abzuberufen, der mit ihm nicht einer Meinung ist. Denn ohne den in der Verfassung festgehaltenen Primat der Politik kann kein Land funktionieren.

Gleichzeitig weiß Darabos, dass er mit einem Disziplinarverfahren gegen den abberufenen General Entacher keine Chance hätte. Es kann kein Disziplinarverfahren gegenüber Staatsbürgern geben, die ihre verfassungsmäßigen Rechte in Anspruch nehmen. Und dazu zählt nun mal die Meinungsfreiheit.

Der Minister kann Soldaten lediglich den Befehl beziehungsweise die Weisung geben, in dienstlicher Funktion keine öffentlichen Aussagen zu machen und in privater Funktion kein dienstliches Wissen preiszugeben. Aber mit den Argumenten des gesunden Menschenverstandes darf sich zweifellos auch künftig ein General genauso wie ein Gefreiter zu Wort melden. Ein Soldat kann also jedenfalls den Rücktritt auch des eigenen Ministers verlangen. Schwerer tut er sich hingegen, wenn er taktisch-strategische Analysen, die notgedrungen auf seinem Dienstwissen aufbauen, in die Rücktrittsforderung einbaut.

Ein Minister kann sich gegenüber anders denkenden Beamten nur auf eine Weise rächen: bei Beförderungen beziehungsweise Funktionseinteilungen. Wer Charakter und Gewissen hat, der wird das aushalten. Vor allem ein Generalstabschef tut sich da leicht, der nichts mehr werden kann und an dessen Bezügen sich durch die Abberufung nichts ändern kann.

Wäre es anders, wären wir wieder in die Zeit der Monarchie zurückgesunken: Damals durften Offiziere nicht einmal vom Wahlrecht Gebrauch machen. Weder aktiv noch passiv. Sie hatten willenlose Instrumente des Kaisers zu sein. Will uns jetzt ausgerechnet die Sozialdemokratie wieder in jene Zeiten zurückführen? Das wäre nun doch ein Treppenwitz der Geschichte, ist der jetzigen SPÖ-Führung aber durchaus zuzutrauen. Hat doch beispielsweise auch der Bundeskanzler den mit der Erstellung unabhängiger Rechtsgutachten beauftragten Chef des Verfassungsdienstes brutal gefeuert, der im Gegensatz zu Entacher öffentliche Kritik geäußert hat – während Vorvorgänger Schüssel übrigens noch alle roten Sektionschefs verlängert hat.

Dass weisungsunterworfene Beamte volle Meinungsfreiheit haben, zeigt sich auch daran, dass es in der Republik schon Hunderte Beamte als Abgeordnete gegeben hat – auch Abgeordnete einer anderen Partei als jener des Ministers.

Das einzige, woran Beamte gebunden sind, sind Weisungen, Amtsgeheimnisse  und Gesetze. Aber von einem Gesetz über das Ende der Wehrpflicht sind die krausen und völlig unkonkreten Vorstellungen des Herrn Darabos noch Kilometer entfernt. Es gibt nicht einmal Regierungsbeschlüsse dazu. Und die ÖVP scheint langsam zu erkennen, dass sie bei einer auch nur annähernden Zustimmung zu den Darabos-Plänen weitere Mandate an die Strache-FPÖ verlieren würde. So wie schon bei jedem bisherigen Nachgeben vom Grundeinkommen bis zur Schwulenehe bis zur Verlängerung der Hacklerregelung bis zur Verschiebung des Budgets nach die Wiener Wahlen.

Die Berufssoldaten waren bisher eine schwarze Festung. Die würden wohl geschlossen zu den Blauen wechseln, während die SPÖ mit ihrer anti-Wehrdienst-Linie höchstens bei den 16- bis 18-jährigen Burschen punkten kann.

Wenn sich nicht wieder die schlechten Ratgeber und der konfliktscheue Charakter des ÖVP-Obmanns durchsetzen, die ihm in den letzten zwei Jahren immer wieder zu selbstbeschädigendem Nachgeben geraten haben, dann bleibt Darabos der Blamierte. Und die Herrn Edmund Entacher, Peter Wittmann und Heinz Fischer werden über Nacht zu lobenswerten Charakteren.

Sie haben wenigstens eine Linie, zu der sie stehen. Was übrigens nichts daran ändert, dass eine ernsthafte Debatte über Bedrohungsbilder und die besten Abwehrstrategien mit offenem Ergebnis geführt werden sollte. An deren Ende alles stehen könnte: von einer allgemeinen Dienstpflicht für Burschen und Mädchen bis zu einer hochprofessionellen Berufsarmee. Aber eben nach einer ernsthaften Debatte und nicht nach dem Modell Krone-Häupl-Darabos.

PS: Massiv drängen sich übrigens die Ähnlichkeiten zwischen dem Vorgehen von Norbert Darabos und jenem von Ernst Strasser im Jahr 2000 auf. Innenminister Strasser hat damals einige offen Widerstand leistende SPÖ-Polizeikommandanten ihrer Funktionen enthoben. Der Widerstand äußerte sich etwa auch in der Teilnahme an aggressiven Antiregierungs-Demonstrationen. Man kann nun gespannt sein, wie sehr sich linke Journalisten zwischen Falter, Profil und Standard ihrer damaligen Kommentare erinnern werden, als sie wegen der Strasser-Maßnahmen noch Jahre nachher den Ausbruch des Faschismus an die Wand gemalt haben.

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