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Es ist im Grund atemberaubend, welchen Gummiparagraphen die EU-Regierungschefs da knapp vor Weihnachten beschlossen haben. Huschpfusch wird da die erste Änderung des Lissabon-Vertrags durchgezogen, ohne dass irgendjemand klar sagen könnte, was diese zwei Sätze bedeuten, was in der Black Box dieser Vertragsänderung wirklich drinnensteckt.
Sie kann nämlich Alles oder Nichts enthalten – und auch alles, was zwischen Alles und Nichts liegt liegt. Uns will man vorerst irgendwie einreden, dass die Vertragsänderungen zwar im Grund überhaupt nichts bedeuten, aber dennoch ein Allheilmittel zur Behebung der europäischen Finanzkrisen seien.
Reichlich widersprüchlich? Nicht doch für die wie immer lammfrommen EU-Berichterstatter.
Würde man Klartext reden, bestünde freilich Gefahr, dass nicht alle 27 Parlamente zustimmen. Dass Irland etwa eine Volksabstimmung durchführen müsste (was freilich in einem bankrotten Land, das zusammen mit anderen diese Vertragsänderung überhaupt erst ausgelöst hat, doch reichlich skurril wäre). Und dass die Kronenzeitung ihren Lieblingsbriefpartner im Bundeskanzleramt an sein Versprechen erinnern könnte, eine Volksabstimmung über eine solche Vertragsänderung durchzuführen. Freilich: Wer schon die Verfassung eiskalt gebrochen hat, wird doch wohl imstande sein, ein Wahlkampfversprechen ohne sonderliche Gewissensbisse zu brechen. Aber zu Faymanns Glück (und zum Schaden für deren Auflage) ist die Krone jetzt ohnedies schon fast total auf Parteilinie eingeschwenkt.
Wer uns einreden will, dass die Vertragsänderung notwendig ist, damit man künftig auch die Gläubiger eines überschuldeten Landes an den Sanierungskosten beteiligt, der lügt. Selbstverständlich wäre das, also ein teilweiser Forderungsverzicht der Gläubiger, immer schon möglich gewesen – im Fall Griechenland genauso wie im Fall Irland.
Wer uns einreden will, dass die Vertragsänderung notwendig ist, damit die EU-Länder einander Geld borgen oder füreinander haften dürfen, der hat Recht: Er gibt damit aber gleichzeitig zu, dass die Aktionen Griechenland und Irland sowie die Schaffung eines Rettungsschirmes ein glatter Vertragsbruch waren.
Wer uns einreden will, dass durch die Vertragsänderung eine europäische Wirtschaftsregierung geschaffen wird, sollte das ehrlich und viel deutlicher sagen. Denn das wäre eine Katastrophe, auch wenn sich nun sogar auch Deutschland dafür ausspricht. Denn eine solche Wirtschaftsregierung hat mit Sicherheit nur einen Effekt: Sie wird Europas Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Asien und anderen Regionen noch weiter reduzieren. Dabei hat gerade die jüngste Prognose des Wifo klar gesagt: Europas Wachstum wird in den nächsten Jahren mit 1,5 Prozent das weltweit niedrigste sein, während die Weltwirtschaft im Schnitt mit über 4 Prozent wächst. Die Sozialdemokraten und Gewerkschaften haben dennoch immer schon eine EU-Wirtschaftsregierung verlangt, mit der sie in den 27 Ländern eine Anhebung von Steuern und Sozialleistungen auf das jeweils höchste Niveau durchsetzen wollen. So als ob sie von China und den USA bestochen wären.
Wer uns einreden will, dass durch diese Vertragsänderung nun den Sünderländer harte und konkrete Bedingungen gestellt werden können, der lügt: Denn solche Bedingungen hätten Geldgeber schon immer verlangen können. Es gibt jedoch auch nach der Vertragsänderung keine effektiven Instrumente, falls sich die Sünder nicht an die Bedingungen halten, oder halt nur ein bisschen. Letztlich müssten solche Instrumente ähnlich wie bei österreichischen Gemeinden oder bei einem normalen Konkurs aussehen, die bankrotten Staaten müssten einen Zwangsverwalter mit Gesetzgebungskompetenz an die Kassa gesetzt bekommen.
Wer uns einreden will, mit dieser Vertragsänderung sei die Idee von Euro-Anleihen vom Tisch, der lügt. Die sind weiterhin möglich und bleiben eine reale Gefahr. Genauso wie weitere teure und riskante Schutzschirme für die Sünderländer.
Wer uns einreden will, als Folge der Vertragsänderung werden sich Parlamente, Regierungen, Subventionsjäger und nicht zuletzt die hetzerischen Gewerkschaften vieler Länder zu fürchten beginnen und rechtzeitig Maß halten, der sollte sich besser als Kabarettist verdingen.
Man darf angesichts all dieser Ambiguitäten wirklich gespannt sein, ob 27 nationale Parlamente eine solche Black Box mit unbekanntem Inhalt ankaufen werden.
Für alle, die in der Leere des EU-Textes zwischen den dürren Zeilen Genaueres entdecken können als ich, hier der ganze Wortlaut, mit dem der Lissabon-Vertrag ergänzt wird: "Die Mitgliedstaaten, die der Eurozone angehören, können einen Stabilitätsmechanismus aktivieren, um im Notfall die Stabilität der Eurozone als Ganzes zu sichern. Die Garantie für die erforderliche Finanzunterstützung wird strikten Bedingungen unterworfen".
Aha.
PS.: Herr Faymann, der bei EU-Gipfeln bisher immer nur jene Meinung zu haben versuchte, die sich dann durchsetzte, muss sich nun erstmals in einer wichtigen Frage entscheiden: Die anderen Nettozahlerländer wollen die EU-Ausgaben einfrieren, die europäischen Sozialdemokraten sind – wie immer – gegen jeden solchen Zwang zur Sparsamkeit. Was werden Androsch und Tumpel dem Kronenzeitungsleser am Ballhausplatz jetzt raten, der wahrscheinlich nicht einmal weiß, was Nettozahler bedeutet?