Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Nach den vielen ORF-Affären der vergangenen Jahre ist nun auch noch Paul Landvai, der prominente Ungarn-Experte des ORF in ein schiefes Licht gekommen. In ungarischen Medien werden belastende Dokumente aus ungarischen Geheimdienst-Archiven veröffentlicht, die auf eine überraschend gute Kooperation Lendvais mit den kommunistischen Behörden Ungarns hindeuten.
Diese Berichte erregen unter den in Österreich lebenden Ungarn derzeit großes Aufsehen.
Der in den 50er Jahren aus Ungarn emigrierte Lendvai hatte mehrfach selbst zugegeben, dass er in seiner Jugend an den ungarischen Sozialismus geglaubt hat. Nach seiner Emigration und als erfolgreicher Journalist für mehrere Print- und elektronische Medien hat er hingegen öffentlich keine Sympathien dieser Art mehr geäußert. Lendvai moderiert heute noch im ORF Sendungen – weit über alle Altersgrenzen hinaus, die der ORF normalerweise seinen eigenen Redaktionsmitgliedern setzt.
Während er die nunmehrigen Vorwürfe als „lächerlich“ bezeichnet, deuten die Dokumente doch auf ein sehr kooperatives Verhältnis Lendvais zu den ungarischen Kommunisten hin, das seinem Auftreten in Österreich deutlich widerspricht. Im Gegensatz zum Fall Zilk gibt es jedoch keinerlei Hinweise auf Geldflüsse oder eine formalisierte Agententätigkeit.
Vermutlich hat Lendvai etwas ganz anderes zu seiner kooperativen Haltung verleitet: Er hatte sich als Osteuropa-Spezialist einen Namen zu machen versucht und musste immer fürchten, dass ihm in Osteuropa die Dreh- und Reise-Genehmigungen entzogen werden. So hat etwa auch der Tagebuch-Autor rund zwei Jahrzehnte kein Einreisevisum in die Tschechoslowakei erhalten.
Besonders unerquicklich an den nunmehrigen Veröffentlichungen über Lendvai ist ein Bericht, dass dieser die ungarischen Behörden über ein Treffen ungarischer Oppositioneller mit westlichen Intellektuellen detailliert informiert habe, und zwar unter Einschluss der Teilnehmernamen. Lendvai habe auch – unter ausdrücklicher Bitte um Diskretion – ungarische Diplomaten mehrere Male über bevorstehende Berichte im ORF informiert.
Lendvai war eine Zeitlang von der Regierung Gusenbauer als parteipolitisch „Neutraler“ in den ORF-Stiftungsrat entsandt worden, das weitaus wichtigste ORF-Gremium. In jüngster Zeit hat sich Lendvai – der sich normalerweise mit politischen Meinungen sehr bedeckt hält – äußerst kritisch über die gegenwärtige konservative Regierung Ungarns ausgelassen. Vermutlich stehen die Veröffentlichungen von Dokumenten aus ungarischen Geheimdienst-Archiven nun damit in Zusammenhang.
Welches Gewicht man auch immer diesen Vorwürfen zumessen mag: Sie stellen eine weitere Belastung für die ohnedies in einer schweren Krise steckende ORF-Führung dar.