Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Der Unsinn der Irlandhilfe

Was bewirkt die europäische Hilfe für Irland? Wenig Gutes, viel Übles. Wer aber ist schuld daran, dass es so weit gekommen ist?

Was die Haftung der EU-Länder für Irland bewirkt, ist klar: Irland bekommt nun leichter Geld – also nicht nur zu unerschwinglich hohen Zinsen –, um die Hilfe für seine maroden Banken zu finanzieren. Im Gegenzug werden aber Deutschland, Österreich, die Niederlande und die Skandinavier – derzeit noch die Lokomotiven des europäischen Hilfszugs – zunehmend höhere Zinsen zahlen müssen.

Denn kein Geldgeber, kein Anleihezeichner wird übersehen, dass Deutschland & Co immer mehr Schulden und Haftungen auf sich laden. Schon seit einigen Monaten muss ja sogar Spitzenreiter Deutschland bei der Kreditaufnahme höhere Zinsen zahlen als solide Industriekonzerne. Das hat es in der Geschichte noch nie gegeben. Da hatte insbesondere Deutschland seit 1950 als unsinkbares Schiff gegolten.

Warum steht Irland so schlecht da? Eigentlich steht es lange nicht so schlecht da wie Griechenland. Es hatte bis vor zwei Jahren sogar nur eine halb so hohe Staatsverschuldung wie etwa Österreich und eine blühende Wirtschaft mit schönen Wachstumsraten. Und es wird auch nach der Übernahme der Bankschulden eine Schuldenquote haben, die jener Belgiens oder Italiens gleicht, also von Staaten die durchaus noch Kredite bekommen. Die Iren haben nur das Problem, dass bei ihnen die Schuldenexplosion mit einem Schlag passiert ist, während die Schulden der anderen über Jahre akkumuliert worden sind.

Was schlimm genug ist. Aber Irland hat im Vergleich zu fast allen anderen EU-Ländern einen strukturellen Vorteil: Es hat kein strukturelles Defizit, sondern es wird nach Übernahme der Bankschulden wieder relativ akzeptabel budgetieren. Es hat den Sozialstaat lange nicht so aufgebläht wie Griechenland, Italien oder Belgien. Es ist daher im Grunde viel sinnvoller, Irland zu helfen, als es bei den in den Tag hineinlebenden Griechen war.

Irland hat freilich zwei schwere Fehler gemacht: Es hat wie alle Länder zugeschaut, wie die Banken des Landes durch zu riskante Geschäfte eine in keiner Weise erträgliche Größe erreicht haben. Und es hat zweitens dann die Haftung für die krachenden Banken übernommen, als diese die Finanzkrise nicht überstehen konnten. Statt die Gläubiger der Banken bluten zu lassen – darunter auch viele Banken auf dem Kontinent.

Was wäre passiert, hätte Irland die Bankenschulden nicht übernommen? Nun, dann wären viele andere Banken ebenfalls in Schwierigkeiten gekommen. Das ist aber allemal weniger riskant, als wenn nun Schritt für Schritt alle europäischen Staaten finanziell destabilisiert werden.

Die Haftungsübernahme durch die anderen Europäer ist aber auch für die Iren deprimierend. Denn sie sind nun wie die Griechen in Sachen Geld auf einen halbkolonialen Status degradiert, in dem sie nur noch auf Befehl von außen handeln dürfen. Sie werden wohl von den anderen gezwungen werden, die niedrigen Steuern für Unternehmen zu erhöhen, die aber der Grundstein für den irischen Aufschwung in den letzten beiden Jahrzehnten waren. Die daher – im Gegensatz zur hiesigen Neidgenossenschaft, wie sie gerade wieder einmal der ÖGB-Präsident in der Pressestunde so ungeschminkt verkörpert hat, – auch beim Iren von der Straße sehr beliebt sind.

Wo aber sind die Fehler passiert, dass es soweit kommen konnte? Nun sie lassen sich alle darauf zurückführen, dass die europäischen Politiker trotz intensiver Warnungen immer wieder populistisch den Weg des geringsten Widerstandes gegangen sind, dass der Euro – bei aller wirtschaftlichen Bedeutung – primär ein politisches Projekt gewesen ist.

1.     Die seit Jahrzehnten laufenden teuren Transferleistungen an Länder wie Griechenland, Portugal, Spanien oder Irland (unter für die Bürger unverständlichen Tarnnamen wie „Kohäsion“) haben sich als fatal erwiesen. Diese Länder haben dadurch jede Selbstverantwortung verlernt. Gratisgeld von außen bringt ein Land nämlich nie in die Höhe – das sieht man ja auch bei der Entwicklungshilfe. Nur wer selber weiß, dass sich jetzt jeder Spaß aufhört, der lernt Verantwortungsbewusstsein und Selbstbeschränkung.

2.     Bei der Einführung  des Euro sind keine effizienten Sanktionen für Defizitsünder beschlossen worden. Jetzt im Nachhinein gibt es keine Chance auf einen Konsens über wirksame und vor allem automatische Straf-Maßnahmen ohne jedes Mehrheitserfordernis unter den Mitgliedsländern. Wie es etwa ein Ausschluss aus dem Euro gewesen wäre. Oder die automatische Kürzung aller staatlichen Ausgaben – Beamte, Pensionen, Subventionen – schon bei Überschreiten einer der drei Maastricht-Grenzen für Defizit, Schulden und Inflation.

3.     Stattdessen hat man Länder in den Euro genommen, die von Anfang an diese Grenzen verletzt haben.

4.     Immer klarer wird, dass weltweit die Rettung aller großen Banken (bis auf Lehman) ein schwerer Fehler war. Wenn man einmal das Prinzip aufgibt, wer pleite ist, muss in Insolvenz gehen, dann nimmt man jedes Risikobewusstsein aus dem Wirtschaftsleben. Und fördert so eine Eskalation des Risikos. Wenn sich Gläubiger nicht mehr anschauen müssen, wem sie Geld borgen, dann kann die strengste (und teuerste) Bankaufsicht nichts mehr helfen.

5.     Ein noch größerer Fehler war dann im Frühjahr die Rettung Griechenlands. Wenn man jenem Land hilft, das sogar nachgewiesenermaßen bei der Schuldenaufnahme kriminell gehandelt hat (durch Fälschung der Statistiken), dann kann man bei keinem anderen Land mehr Nein sagen.

6.     Die Iren jetzt zu zwingen, neben den notwendigen Sparmaßnahmen auch die Unternehmenssteuern zu erhöhen – wie es auch Österreich verlangt –, öffnet in den anderen EU-Ländern neue Türen für neue Begehrlichkeiten. Die Nutznießer der staatlichen Ausgaben und insbesondere die Gewerkschaften sowie ein Teil der europäischen Sozialdemokraten glauben ja immer noch, dass Sparen, dass eine Beschneidung des üppigen Wohlfahrtsstaates überflüssig ist und dass alle Probleme durch immer höhere Steuern gelöst werden können. Was aber in Wahrheit nur die Konkurrenzfähigkeit Europas verschlechtert, was schlecht für Investitionen, Arbeitsplätze und die Steuereinnahmen der Zukunft sind. Und was vor allem und einzig der asiatischen Konkurrenz hilft.

Dass man mit der Irland-Hilfe auch noch die EU-Verträge brutal bricht, die verbieten, einem verschuldeten Mitgliedsland zu helfen, – das ist seit Griechenland ja schon geradezu europäischer Brauch. Und macht es illusorisch, auf bessere Regeln zu hoffen. Die dann eh wieder gebrochen werden.

zur Übersicht

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)

Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print




© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung