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Die Ministerin von der traurigen Gestalt

 Wann ist es eigentlich so weit, dass Ministerinnen zurücktreten müssen? Claudia Bandion-Ortner wäre mehr als reif dafür. Die Tatsache, dass nun sogar die Generalprokuratur – also die Parallelinstitution zur Staatsanwaltschaft auf Ebene des Oberstgerichts – die Neuaustragung fast des gesamten Elsner-Prozesses fordert, ist da nur das letzte Nichtgenügend im Zeugnis für die Justizministerin.

Immerhin haben ja die mehr agrarisch als juristisch gebildeten ÖVP-Granden Frau Bandion-Ortner gerade wegen jenes publicityträchtigen Monsterprozesses zur Ministerin gemacht (dass es ihre Seitenblicke-Auftritte und ihre Brillensammlung waren, wollen wir ja doch nicht annehmen). Und nun wird gerade ihr Urteil in diesem Prozess in der Luft zerrissen. Auch wenn man korrekterweise sagen muss, dass der OGH selbst noch nicht geurteilt, aber immerhin schon eine exzeptionelle lange Verhandlung anberaumt hat. Also stehen Bandion noch ein paar Wochen Überlebensfrist zu, bis das vorliegt.

Es ist jedenfalls ungeheuerlich, was alles in diesem Prozess schiefgelaufen ist, wofür Bandion-Ortner als öffentlichkeitsorientierte Richterin, aber auch die Staatsanwaltschaft die Verantwortung tragen. Was auch mehr oder weniger alle Juristen rund um das Wiener Landesgericht – und selbst dessen inzwischen leider verstorbene Präsidentin – kritisiert haben.

Die Liste der Bawag-Justizskandale:

1.     Die Tatsache, dass die Richterin Wolfgang Flöttl die Behauptung abgenommen hat, er wüsste wegen eines Computerabsturzes leider nicht, was mit Hunderten namens der Bawag angelegten Millionen geschehen sei, ist geradezu kabarettreif. Allerdings hat in diesem Punkt auch die Generalprokuratur das Urteil der ersten Instanz unterstützt. Extrem seltsam.

2.     Bandion-Ortner ist auch nie der Tatsache nachgegangen, dass die Hinweise auf illegale Parteifinanzierung buchstäblich handgreiflich waren (nämlich im Keller von Flöttl).

3.     Für kaum jemanden nachvollziehbar war die überlange Untersuchungshaft für Elsner, selbst wenn eine strenge Strafe für Elsner auch nach allen Rechtszügen zu erwarten ist.

4.     Völlig unverständlich ist, dass die Staatsanwaltschaft nicht den ÖGB-Präsidenten Fritz Verzetnitsch auf die Anklagebank gesetzt hat, der über den Aufsichtsrat hinweg zusammen mit Elsner die wichtigsten Bawag-Entscheidungen getragen hat.

5.     Umgekehrt ist die Bestrafung von relativ machtlosen Personen aus dem Bawag-Bereich ebenso merkwürdig.

Kann man nach einem solchen juristischen Mega-Pfusch noch Justizministerin bleiben? Wenn sich die ÖVP wirklich dazu entschließen sollte, dann ist das nicht nur ein weiteres Signal der Führungsschwäche und des Verlustes der einst bei den Schwarzen vorhandenen juristischen Kompetenz (von Graff bis Schüssel). Dann wird man auch ein weiteres Indiz haben, dass hinter dem Verlauf des Bawag-Prozesses und der Bestellung der Ministerin offenbar wirklich eine üble Mauschelei steckt. Deren Inhalt: Die einflussreiche (und bankenschwere) Großkoalitions-Lobby in der ÖVP habe diesem in Wien kursierenden Vorwurf zufolge geglaubt, sich die SPÖ verpflichten zu können, indem die ganze Schuld an der Bawag auf den Ungustl Elsner geschoben wird und sonst keine blöden Fragen gestellt werden. Die SPÖ hat ja bis heute nicht klargelegt, wie sie binnen kurzem den riesigen Schuldenberg abgebaut hat, den Viktor Klima zurückgelassen hat. Aber dass Dankbarkeit keine politische Kategorie ist – und bei der SPÖ schon gar nicht – wird in der ÖVP erst langsam begriffen.

Was spricht sonst noch gegen Bandion? Zur Erinnerung:

-         Sie ging nicht effizient gegen die extrem bedenkliche Vorgangsweise der Staatsanwaltschaft in Sachen Zweittäter im Falle Kampusch vor.

-         Sie brachte einen skandalösen Gesetzesentwurf („Antiterrorismus-Gesetz“) ein, der im Gegensatz zur Überschrift eine gravierende Einschränkung der Meinungsfreiheit für Gegner terroristischer Gruppen gebracht hätte.

-         Sie fährt in Sachen Neugestaltung der Korruptions-Staatsanwaltschaft einen wirren Zickzack-Kurs.

-         Sie hat außer Kinderpornographie noch keine einzige justizpolitische Vision erkennen lassen.

-         Sie hat es zumindest indirekt zu verantworten, wenn in Gerichten und Staatsanwaltschaft die aus blanker Ahnungslosigkeit begangenen Fehler zunehmen (Einvernahme von Journalisten auf deutschen Wunsch, obwohl der Vorwurf in Österreich gar nicht strafbar ist; vom Staatsanwalt vergessene Anzeigen gegen einen Minister; mehrere Urteile stehen vor der Aufhebung, weil Verwandte sowohl auf Seite  der Staatsanwaltschaft wie auch auf der Richterbank aktiv sind, usw.).

-         Sie schafft es nicht, den ständigen Bruch von Amtsgeheimnissen aus dem Bereich der Staatsanwaltschaft zu unterbinden.

-         Sie greift im Familienrecht zwar zu Recht die Frage der gemeinsamen Obsorge auf, übersieht aber die viel wichtigere Frage der beharrlichen Verweigerung eines Besuchsrechts.

Das alles ist in der Summe für die SPÖ (wegen der Bawag) genauso peinlich wie für die ÖVP, die Bandion-Ortner nominiert hat. Freilich sollte auch die FPÖ ein schlechtes Justiz-Gewissen haben: Den ihr einstiger Justizminister Böhmdorfer ist für die neue Strafprozessordnung verantwortlich, welche die schwer überforderte Staatsanwaltschaft so übermächtig gemacht hat. 

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