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Vorschläge gegen Medienkorruption

Österreich wird vom wahrscheinlich größten Korruptionsskandal seiner Geschichte geplagt. Das ist hier  schon mehrfach aufgezeigt worden. Das hindert aber Politik und Medien nicht, die Bestechung auf Kosten der Steuerzahler ungeniert fortzusetzen. Da auch dem Rechnungshof nichts einfällt, wie man den Sumpf wirkungsvoll trockenlegen kann (vielleicht will auch er sich nicht ernsthaft mit den Medien anlegen), seien hier einige konkrete Vorschläge gemacht.

Die traditionelle Korruption besteht in der Annahme eines Vorteils durch Beamte oder Politiker, und zwar in Hinblick auf ihr Amt. Korruption ist aber auch in umgekehrter Form möglich: Nämlich als Missbrauch von staatlichen Mitteln, um sich selbst oder der eigenen Partei zu nutzen. Das ist also das, was im normalen Wirtschaftsleben als Untreue bezeichnet und bestraft wird.

Ohne irgend etwas an den klassischen Korruptionsformen schmälern oder gar beschönigen zu wollen, scheint diese Form noch schlimmer. Denn dabei wird den Steuerzahlern durch missbräuchliche Verwendung öffentlicher Mittel sogar ein direkter Vermögensschaden zugefügt. Und diese Form der Korruption findet zum Teil in aller Öffentlichkeit statt, ohne dass jemand einschritte. Weil der geschädigte Steuerzahler kein Einspruchsrecht hat.

Da diese Korruption an der Schnittstelle zwischen Politik und Medien passiert, berichten die Medien nur ungern darüber. Weil sie die Nutznießer, die Bestochenen sind. Und wenn sie das Thema einmal thematisieren, dann immer mit dem Unterton der Eifersucht anderer Zeitungen, warum "Österreich", "Heute" oder die "Krone" so viel Inserate, Kooperationen, Beilagen, gesponserte Seiten (die dem Leser als redaktionelle Inhalte entgegentreten) von Gemeinde Wien und all ihren Töchtern, von Bundesbahn und Asfinag, von allen SPÖ- und etlichen ÖVP-Ministerien bekommen, man selber aber so wenig. Warum also etwa die SPÖ-Ministerien in einer Ausgabe der "Krone" 20 Seiten lang inserieren. Heiter und demaskierend sind auch die entsprechenden Vorwurfsduelle zwischen "Krone" und "Österreich". Auffallend war aber auch, dass sogar viele so genannte Qualitätsmedien am Wochenende vor den burgenländischen Wahlen in großer Aufmachung nach Korruption riechende Lobesartikel auf das kleine Bundesland veröffentlicht haben.

Ein scheinbares Randthema sei dazwischengeschoben: Die Republik hat in den letzten Jahren den Einkauf einer Vielzahl von Produkten in eine gemeinsame Einkaufsgesellschaft zusammengelegt. Was  von der Hotelbuchung bis hin zum Bleistiftkauf deutlich günstigere Konditionen und überdies größere Transparenz verschafft. Was also das Defizit ein wenig verringert. In einigen Bereichen wird jedoch nicht gemeinsam eingekauft - von vielen Spitälern, Ländern und Gemeinden, die lieber alleine einkaufen. Was die Dinge für sie und damit den Steuerzahler teurer macht. Der Vorwand ist meistens, dass man lokal einkaufen will. Das widerspricht dem Prinzip der sparsamen Verwendung von Steuermitteln. Das schafft große Intransparenz, an wen letztlich die Aufträge gehen, also wie nahe der Auftragnehmer den Regierenden steht. Das ermöglicht Korruption der jeweils zuständigen Einkaufs-Verantwortlichen. Und das widerspricht auch dem Prinzip eines gemeinsamen Binnenmarktes.

Es gibt aber auch Dienstleistungen, wo die Bundesministerien selbst keine gemeinsame Ausschreibung durchführen. Das trifft beispielsweise die so genannten Media- oder Schaltagenturen. Eine solche Agentur stellt die Schnittstelle zwischen dem werbenden Auftraggeber und den Medien her. Sie platziert die Inserate und Spots möglichst kostengünstig, zielgruppenadäquat und breitenwirksam. Das ist eine hochspezialisierte Dienstleistung, welche selbst die größten Markenartikel-Konzerne in Anspruch nehmen.

Könnte die Nicht-Ausschreibung dieser Leistung durch die Regierung vielleicht damit zusammenhängen, dass einzelne Ministerien sehr gerne zu viel bezahlen? Könnte es sein, dass die gleichen Schaltagenturen dann anderen Kunden Sonderrabatte gewähren? Etwa solchen, die dann einige Monate oder Jahre später einen Wahlkampf führen müssen? Oder weiß jemand einen anderen Grund, warum der Einkauf der Dienstleistungen von  Schaltagenturen nicht gemeinsam ausgeschrieben wird? Die Vermutung ist jedenfalls stark, dass hier vorsichtig ausgedrückt, ein gewaltiges Einsparungs- und Transparenz-Potential zu finden ist.

Noch viel dramatischer ist aber eine andere Tatsache im Schnittfeld zwischen Politik und Medien: In den letzten zwei Jahren ist die Zahl der geschalteten Inserate in ganz bestimmten Zeitungen auf Bundesebene und - schon viel früher - auf Wiener Ebene nachgerade explodiert. Diese Inserate haben nur noch in zweiter Linie den Zweck, Propaganda für einen bestimmten Politiker, eine bestimmte Partei zu machen. Was schon bedenklich genug ist. In erster Linie geht es aber ganz eindeutig darum, bestimmte Medien gefügig zu machen, sie in ihrer Berichterstattung zu bestechen. Was erstaunlich oft  zum Erfolg führt. Der Grund ist klar: Medien sind käuflich. Mindestens zwei Zeitungen hätten ohne diese Inserate längst den Konkurs anmelden müssen. Angesichts einer gewaltigen weltweiten Medienkrise – ausgelöst durch die Konjunkturflaute und den Leser- wie Inserentenschwund Richtung Internet – ging es in den letzten beiden Jahren praktisch allen Medien sehr schlecht, auch wenn sie es dementieren. Was man auch an vielen internationalen Zahlen ablesen kann.

Die Konsequenzen sind jedoch unterschiedlich: Im Ausland wurden Zeitungen zugesperrt, in Österreich bestochen. Die einst unter Kreisky geschaffene und dann unter Schüssel erneuerte offizielle Presseförderung stagniert hingegen auf einem unbedeutend gewordenen Niveau. Obwohl sie einst gleich hoch mit der Parteienförderung gewesen ist, macht sie heute höchstens noch ein Zehntel jener neuen unsauberen Pressebestechung aus. Obwohl – oder weil??? – die Kreisky-Schüssel-Presseförderung auf Grund ihrer genauen und detaillierten Regelungen keinerlei Handhabe für Willkür oder eine politische Beeinflussung bietet.

Allein die Werbung der Bundesregierung hat sich 2009 auf mehr als 29 Millionen vervierfacht, davon ging der größte Teil an die drei Boulevardzeitungen. Das ist aber nur ein Bruchteil dessen, was darüber hinaus ÖBB, Asfinag, Gemeinde Wien, deren zahlreichen Tochterbetriebe, aber auch die meisten anderen Bundesländer - wenn auch in etwas kleinerer Dimension - für eindeutig parteipolitisch motivierte Werbung ausgeben. Ich habe bei zwei Zeitungen, deren Chefredakteur ich war, erlebt, dass die Anzeigenleiter zu mir gekommen sind und geklagt haben, sie bekommen keine Werbung von Gemeinde Wien-Betrieben, weil wir so kritisch schreiben.

Geradezu grotesk zahnlos sind die so genannten Richtlinien, mit denen die Regierung seit heuer vorgibt, – als Antwort auf eine sieben(!) Jahre alte Forderung des Rechnungshofs – diesen Missbrauch einzudämmen. Die Zahnlosigkeit dieser Richtlinien ist geradezu ein Beweis dafür, dass diese Korruption weitergehen soll.

Besonders grotesk ist, dass der Politik und ihren ausführenden Organen oft schon gar keine Inhalte mehr einfallen, wie sie den durch Bestechung entstandenen Inseratenplatz füllen können. Die ÖBB-Werbetexter bewerben in ihrer Verzweiflung schon ein Einkaufszentrum am künftigen Wiener Hauptbahnhof, das frühestens in fünf Jahren in Betrieb sein wird. Absurder geht’s nicht mehr. Oder glaubt jemand, Billa oder Spar oder Kika würden eine in fünf Jahren zu eröffnende Verkaufsfläche bewerben?

Richtlinien gegen Korruption und für die Beschränkung der Regierung auf saubere Information (die möglich sein muss) wären erst ernstzunehmen, gälte folgendes:

  1. Jede Regierungswerbung muss über eine gemeinsam ausgeschriebene Mediaagentur vergeben werden.
  2. Diese Schaltagenturen erhalten jeweils veröffentlichte Vorgaben über die zu bedienende Zielgruppe (z.B.: Alle, Jugendliche, Senioren, Unternehmer, Arbeitslose), die dann durch die Agentur möglichst effizient und billig zu informieren ist.
  3. Zehn Prozent des Werbewertes wird als Förderung der Vielfalt darüber hinaus aliquot auf jene Tages- und Wochenmedien aufgeteilt, die wegen ihrer zu kleinen Auflage von den Schaltagenturen nicht berücksichtigt werden.
  4. Diese Schaltagenturen müssen auch von allen Bundesländern und Gemeinden benutzt werden.
  5. Die Regelungen gelten auch für alle Kammern mit Pflichtmitgliedschaften sowie für alle zu hundert Prozent im öffentlichen Eigentum befindlichen Wirtschaftsunternehmen (kleinere Beteiligungen können, müssen aber nicht erfasst werden, weil da Minderheitseigentümer ohnedies rechtliche Instrumente bei Untreue-Verdacht gegen die Geschäftsführung haben).
  6. Diese Regelung umfasst nicht nur klassische Inserate, sondern jede Form von Gegengeschäften, Kooperationen, Verlagsbeilagen -  und wie die Tarnbezeichnungen für Mediensubventionen bzw. Parteiwerbung auf Steuerkosten sonst noch heißen mögen.
  7. Die Inhalte solcher Inserate müssen zuvor vom Rechnungshof oder einer unabhängigen Kommission (wie Presserat oder PR-Rat) daraufhin geprüft werden, dass es ausschließlich um für die Bürger relevante Sachinformationen geht, die auch keinerlei Assoziation zu einer parallelen Kampagne einer Partei erwecken. Sie dürfen nur der sachlichen und relevanten Information über Gesetze, Verordnungen oder Sachthemen (wie etwa Impfungen) dienen, aber nicht der Agitation über politische Anliegen, die noch auf keinem Parlamentsbeschluss aufbauen können, wie etwa Pro oder Kontra Gesamtschule oder die Darstellung der Staatsverschuldung.

Unsaubere Formen der Parteifinanzierung oder Politikerbestechung gibt es leider in fast allen Ländern. Wobei Österreich nach meinen jahrzehntelangen Beobachtungen als außenpolitischer Redakteur hier nicht überproportionale Probleme hat. Hingegen ist die österreichische Form der Bestechung scheinbar unabhängiger Medien durch Politiker mit Steuermitteln absolut einmalig unter den westlichen Demokratien. Und sie ist doppelt problematisch, weil hier die vierte Gewalt selbst als Kontrollor ausfällt. Solange  nur jedes Medium irgendwie bedient wird.

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