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Europa blickt seit Jahrzehnten auf den Mittleren Osten, auf die Atomgefahr Irans; der Islamismus und der israelisch-palästinensische Konflikt nehmen fast die ganze Aufmerksamkeit der Medien in Anspruch. Sofern sie halt überhaupt noch irgendwelche über Wulkaprodersdorf hinausgehende Perspektiven haben.
Hingegen wird fast nirgendwo das wahrscheinlich für das neue Jahrhundert bestimmende Match zweier Großmächte thematisiert. Es handelt sich um jenes zwischen China und den USA. Was macht China so gefährlich? Kann China überhaupt noch eingehegt werden? Die Fakten: China hat 1.35 Milliarden Einwohner; trotz der „Ein-Kind-Politik“ wächst die Bevölkerung jährlich um Millionen. China ist eine Nuklearmacht mit einer 2,2 Millionen Mann starken Volksbefreiungsarmee, die ständig modernisiert wird. Die Wachstumsraten lagen selbst im Jahr der Krise bei acht Prozent, derzeit sind es wieder zehn. China gibt bald mehr für seine Verteidigung aus als alle Staaten der EU zusammen. China will weg von seiner Rolle als Werkbank der Welt. Es investiert daher große Summen in das für den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt notwendige Knowhow. Freilich, auch China hat gewaltige Probleme. Seine Minderheitenpolitik und die brutale Verweigerung sozialer Mindeststandards könnten sich in Unruhen entladen. Diesen dürfte die Volksbefreiungsarmee aber gewachsen sein. Ein weiteres Megaproblem ist die Umweltverschmutzung in gigantischem Ausmaß. Diese belastet China auch finanziell, Ressourcen wurden nachhaltig zerstört. Dies alles dürfte aber Chinas Aufstieg nicht stoppen. Viele (vor allem europäische) Analysten glauben an Chinas Gerede von einer „Harmonischen Weltordnung“. Aus diesem von Peking oft propagierten Begriff ziehen sie den Schluss, dass China durch seine enge wirtschaftliche Vernetzung mit dem Westen in eine kooperative Weltordnung einzubinden sei und dass daher schwere Konflikte mit dem Westen vermieden werden könnten. Die europäischen Außenpolitiker sehen zwar, dass der chinesischen Führung die "Einheit“ und „Unversehrtheit“ viel wert ist, sie messen diesen Kategorien aber kaum Bedeutung zu. Den Europäern sind „Nationalismus“, „Nationalstolz“ oder auch „Ideologie“ als Kategorien, welche die Handlungsweise eines Staates beeinflussen, fremd geworden. Die Kraft und Bedeutung dieser Ideen zu ignorieren ist aber ein großer Fehler. Dieser Fehler entsteht aus dem Glauben der Europäer, dass in einer Welt, in der nur noch Handelsmächte existieren, keine Kriege mehr geführt werden. Handelsnationen seien friedliche Nationen. Doch diese Denkweise ist naiv. Chinas Nationalstolz, seine Verknüpfung von wirtschaftlicher und stetig steigender militärischer Macht, sein Wunsch nach dem Status einer Weltmacht, die den pazifischen Raum beherrscht, seine Politik gegenüber Taiwan, Chinas Streben, die Niederlagen der Vergangenheit wieder gut zu machen, das aktive Bestreben nach wirtschaftlicher Führung (und nicht nur Werkbank zu sein): All dies ist traditionelle Machtpolitik. Da kann China mit Taiwan wirtschaftlich noch so verbunden sein: Sobald China zulässt, dass Taiwan zum Vorhof der USA wird, glaubt es an Glaubwürdigkeit als Führungsmacht des asiatischen Raumes zu verlieren. China weiß, was Europa nicht mehr weiß: Macht setzt sich zusammen aus wirtschaftlicher Unabhängigkeit und militärischer Stärke. Und China ist im Gegensatz zu Europa bereit, beide Sektoren weiter voranzutreiben. Wer könnte sich einem militärisch starken, ja übermächtigen, China auf Dauer wirtschaftlich widersetzen? Will Europa nicht restlos in der globalen Bedeutungslosigkeit versinken, sollte es die Welt so sehen wie sie ist, sonst läuft Europa Gefahr in einigen Jahrzehnten die „Werkbank der Welt“ zu werden. Oder bestenfalls der Hotelportier für asiatische Touristen.