Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.
Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:
„Deutschland spart am Sozialstaat – ein Vorbild für Österreich?“
In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.
Das Glas halbvoll oder halbleer
Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).
Manche Dinge ändern sich nie. So etwa Hader und Zank um die Frage, ob ein Glas halbvoll oder halbleer ist. Oder anders gefragt im Jargon der Finanzwelt: Wer muss sparen - wem wird genommen? Eher selten hört man/frau die Frage nach der Klugheit von Reformen. Dies würde nämlich voraussetzen, dass Dimensionen und Verhältnismäßigkeiten berücksichtigt werden.
Hier könnten sich die „Ösis" einiges vom „deutschen Michl" abschauen. Die Nachbarn haben in den rund zwanzig Jahren seit der Wiedervereinigung enorme Lasten im Interesse des europäischen Friedenswerks geschultert. Man denke an den Solidarbeitrag und an Hartz IV. Als Polen beim Kopenhagener Gipfel (2002) in die EU aufgenommen wurde, griff der damalige Kanzler Gerhard Schröder noch einmal tief in die Tasche. Deutschland ist gleichzeitig in einem hohen Maß reformbereit, um die soziale Balance halten zu können.
Die Administration Angela Merkel II tut dies ebenfalls. Finanzminister Schäuble kündigte ein Sparprogramm UND den Alleingang bei der Einführung der Finanztransaktionssteuer an. In Österreich hingegen hört man wieder häufiger den Klassiker „Gesudere", wenn es um Zukunftsvorsorge geht. Kernstück des Sparens ist der Dauerbrenner Verwaltungsreform. Wir leisten uns in neun Bundesländern eine sündteure Hochbürokratie. Seit der verfassungsrechtlichen Verankerung der Landesverwaltungsgerichte sind die Bürokratenbonzen in den Ländern obsolet. Entbehrlich ist die Länderkammer. Ein vergleichender Blick nach Bayern zeigt wie aufgeblasen die föderalen Strukturen in Österreich sind. Bayern ist mit 70.000 Quadratkilometern flächenmäßig kleiner als Österreich, dafür leben um 4,3 Millionen Menschen mehr im Freistaat. Allein dieser Faktenvergleich zeigt, wie versteinert und gleichzeitig teuer Österreich verwaltet wird.
Es geht gar nicht anders
Andreas Unterberger
Österreich gibt rund 29 Prozent seines Inlandsprodukts für soziale Zwecke aus. Das ist weit mehr als für alle anderen Staatsausgaben zusammen, also für: Beamte, Justiz, Schulen, Universitäten, Forschung, Polizei, Landesverteidigung (diese etwa erhält nur 0,7 Prozent), Landwirtschaft, Umwelt, Straßen, Kanäle, Wasserversorgung, Bahn. Der weitaus größte Brocken dabei sind die Zinsen für Kredite (von Rückzahlung gar nicht zu reden), die wir schon früher für – den Sozialstaat aufgenommen haben.
Mit anderen Worten: 290 von 1000 Euro, die jeder Arbeitnehmer, Unternehmer, Bauer, Freiberufler, Beamter verdient, werden ihm de facto nur deshalb weggenommen, um es zu angeblich Armen (oder Faulen?) umzuverteilen. Jetzt werden es mit der Grundsicherung noch mehr.
Wer vorgibt, die überlebensnotwendigen Einsparungen zur Vermeidung eines Staatsbankrotts ohne Sozialabbau vornehmen zu können, spricht die Unwahrheit.
Tatsache ist, dass nicht nur Deutschland, sondern auch die links regierten Länder Griechenland, Spanien und Portugal tiefe Schnitte am Sozialstaat vornehmen mussten. Eben weil es nicht anders geht. Auch dort wettern überall Gewerkschafter und Demagogen, dass man doch besser bei den ominösen Schuldigen an der Krise sparen soll. Sie sagen nur nicht, wie das gehen soll.
Bei China, Vietnam & Co, die europäische Produzenten vom Weltmarkt verdrängen? Bei Kreisky, dessen Rettung inzwischen längst wieder verlorener Arbeitsplätze die Schulden in die Höhe getrieben hat? Bei Banken, die zur Rettung unserer Sparschillinge gerade gerettet werden mussten? Bei den Abgeordneten, die im September 2008 dafür gestimmt haben, dass das Pensionsantrittsalter weiterhin um vier Jahre niedriger ist als etwa in Schweden? Bei den Sparern (den „Reichen“), die ihr Geld jetzt schon im Expresstempo in Gold, Eigentumswohnungen und Schweizerfranken umschichten? Bei den Eigenheimbesitzern?
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