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SN-Kontroverse: Ende der Neutralität?

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Soll die notwendige Heeresreform zur Abschaffung der Neutralität genützt werden?


In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Besser eine Profi-Armee und neutral


Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

In Österreich gibt es  „heilige Kühe". Sie laufen als „grundsätzliche Junktims" durch die res publica. Eine derartige Verknüpfung ist die Frage nach der Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht mit jener der Neutralität.

Die Sicherheitspolitik der EU oder der UNO - bei beiden Organisationen ist Österreich bekanntlich Mitglied - hat keine grundsätzlichen Auswirkungen auf die Frage der Wehrpflicht. In der EU gibt es sowohl Staaten in denen Wehrpflicht besteht (z.B. Deutschland) und andere, die Berufsheere haben (z.B. Großbritannien). Der Status der bewaffneten Neutralität zwingt Österreich weder zur allgemeinen Wehrpflicht noch zum Berufsheer. Zur Aufgabe der Neutralität - die besagt, dass Österreich sich nicht an Kriegen beteiligt und sich keinem Militärbündnis anschließt - kann Österreich niemand zwingen.

Handlungsbedarf besteht aber, weil sich das System der allgemeinen Wehrpflicht selbst überholt hat. Jährlich werden rund 43.000 junge Männer in ein System gepresst, das nicht mehr zeitgemäß ist. Rund 30.000 von ihnen, die sich nicht zum Zivildienst entschließen, hausen in verfallenden Kasernen und absolvieren lebensgefährliche Übungen. Das ist menschenunwürdig. Das Heer ist außerdem wenig effizient, weil moderne Waffensysteme geschulte Profis benötigen, um bedient werden zu können.  Etwa 13.000 Stellungspflichtige, die sich jährlich für den Zivildienst entschließen,  sind gegenüber den Grundwehrdienern benachteiligt. Sie müssen länger dienen und Caritas, Rotes Kreuz, Kinderheime usw. sind auf ihre Mitarbeit dringend angewiesen. Fallen die Zivis aus, herrscht soziales Chaos im Land. Ihre Dienste müssten dann auf dem „freien Markt" zugekauft werden. Das ist teuer, und nur deshalb hält das neutrale Österreich an der teuren allgemeinen Wehrpflicht fest.



Ohne Nutzen und Funktion


Andreas Unterberger

Ich weiß nicht, ob eine neue Heeresreform notwendig ist. Ginge es nach der Zahl der Reformbeschlüsse in den letzten 55 Jahren, dann müsste unser Bundesheer ja das beste Heer der Welt sein . . .

Ganz unabhängig davon hat die Neutralität – so beliebt sie auch ist – keinerlei Funktion und Nutzen. Österreich hatte im Kalten Krieg vor allem deshalb in Frieden und steigendem Wohlstand überleben können, weil es de facto unter dem Schutz der Nato gestanden ist. Trotzdem wären seine flacheren Landesteile im Falle eines großen Krieges sofort Schlachtfeld geworden – wie das ebenfalls neutrale Belgien in beiden Weltkriegen –, es gab auch konkrete Eventual-Pläne zum Einsatz von Atomwaffen in Österreich.

Heute ist unsere Sicherheit nicht unmittelbar bedroht. Sehr wohl aber durch Konflikte, die eine Massenflucht nach Österreich auslösen können, wie auf dem Balkan; durch Konfrontationen, die einen Weltenbrand auslösen können, wie in Nahost; durch Kriege, welche im Fall einer Niederlage einen Vorstoß der terroristischen Aggressionen islamistischer Fanatiker bis ins Herz Mitteleuropas auslösen könnten, wie in Afghanistan; durch die gewaltige Zunahme der Piraterie auf den Weltmeeren, die nicht nur Kreuzfahrer, sondern auch viele österreichische Arbeitsplätze bedrohen; daneben gibt es noch eine Unzahl von potenziellen Konflikten, die „nur“ zu humanitären Katastrophen führen können, wenn nicht eine Streitmacht für Ordnung sorgt, wie im Tschad.

Und all diesen Gefahren ist eines gemeinsam: Die zivilisierten Länder können sie nur gemeinsam entschärfen oder gar nicht. Wenn aber die Zahl der Schwarzfahrer immer mehr steigt, die sich an den unangenehmen Aufgaben zur Eindämmung dieser Konflikte nicht beteiligen wollen, dann werden auch die anderen bald sagen: Wir sind doch nicht blöd; wir kümmern uns auch nur noch um uns selbst.

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