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Kleines Tauwetter in der ÖVP

Es ist immer schwer, mit einem Übervater konfrontiert zu sein. Vor allem wenn man nicht dessen Lieblingssohn war. Dementsprechend hat Josef Pröll fast zwei Jahre lang Wolfgang Schüssel auf der Eselsbank verkümmern lassen, statt sein Wissen, seine Talente, seine europaweite Reputation zu nutzen. Oder ihn auch nur in seinen Ansprachen zu erwähnen.

So kindisch wie menschlich wie politisch falsch - auch wenn es viele andere Politiker ebenfalls tun. Siehe den Umgang der SPÖ mit Gusenbauer oder Klima. Siehe die einstigen Klagen Erhard Buseks, der sich von Schüssel den Auftrag zu weiteren wichtigeren Ämtern erhofft hatte. Es ist dennoch falsch gewesen: Denn das politische Personal mit halbwegs brauchbaren Qualitäten ist in der ÖVP längst so dünn gesät wie in allen anderen Parteien, vor allem auf Bundesebene. Zunehmend musste man im letzten Jahr schon einen Erwin Pröll für den schwarzen Politiker mit der höchsten Professionalität halten.

Der 65. Geburtstag Schüssels hat nun offenbar das Eis gebrochen. Josef Pröll fand erstaunlich warme Worte für seinen Vorvorgänger als Parteiobmann - ohne legitimerweise die Schwierigkeiten im Umgang mit diesem zu verschweigen. Schüssel war ja gegenüber seinem Team unglaublich hart und unbarmherzig fordernd - aber gleichzeitig von einer in der Politik unüblichen Loyalität.

Die schlechten Zeiten einer keineswegs überstandenen Finanzkrise, die explodierenden Defizitzahlen, der eskalierende kalte Krieg in der Lächelkoalition und der verbreitete Reformunwille haben auch in Josef Pröll die Erkenntnis wachsen lassen, dass Mut in der Politik unverzichtbar ist, und dass Schüssel im Jahr 2000 "unverzichtbar" richtig gehandelt hat. Daran ändert der Umstand nichts, dass aus Prölls Umgebung lange verbreitet worden ist, dass Schüssels Politik abgewählt worden sei. Es wurde nur nie klar, welche Politik nach Ansicht der jetzigen ÖVP-Führung hineingewählt worden ist.

Dass das Pröll wohl nicht ganz leicht gefallen ist, zeigte schon der Umstand, dass die Einladungen zum Geburtstagsempfang für Schüssel recht knapp hinausgegangen sind. Offenbar ist das nicht gerade durch Professionalität geplagte ÖVP-Generalsekretariat erst durch die private Geheim-Einladung der Viererbanden-Mitglieder Plassnik, Molterer und Bartenstein für die 150 engsten Freunde Schüssels darauf aufmerksam gemacht worden, dass der wichtigste Politiker Österreichs seit Jahrzehnten Geburtstag hat. (Dass beide Schüssel-Feste in einer Orangerie in Schönbrunn stattfanden, ist eine kleine Pikanterie am Rande; Pröll tat das allerdings in der Orangerie des Schlosses, und die Viererbande in jener des Tiergartens: Wo dann ein erstaunter Orang Utan durch die Glasscheibe Schüssel beim Cello-Spielen zuschaute.)

Dass der amtierende Bundeskanzler nicht den Minimal-Anstand hat, zum runden Geburtstag seines Vorvorgängers auch nur ein Wort zu verlieren, überrascht ja wirklich niemanden. Er unterscheidet sich damit vom Bundespräsidenten, der zum Pröll-Empfang kam, wenn auch mit gezielter Verspätung genau zum letzten Satz der Dankesrede Schüssels. Aber immerhin. In der Präsidentschaftskanzlei hat man eben noch deutlich bessere Umgangsformen als in der geistigen Tiefebene zwischen Gemeindebau und Kanzleramt.

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