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Die katholische Kirche Österreichs zahlt den Opfern von Missbrauch in Erziehungseinrichtungen Entschädigungsbeiträge. Und wird dafür allenthalben gelobt. Zu Recht?
Sieht man genauer hin, dann stößt man freilich auf gewaltig viele Fragezeichen.
Erstens hält man als kleiner Kirchenbeitragszahler fest: Während bei einem ordentlichen Gerichtsverfahren jede Forderung mit Beweisen unterlegt sein muss, die auch unabhängig und objektiv überprüft werden, ist das hier nicht der Fall. Kann es auf Grund der Verfahrensweise auch gar nicht sein. Hier gibt es einfach mehr oder weniger glaubwürdige Vorwürfe. Von denen sicher viele stimmen, wobei es aber sehr fraglich ist, ob das bei allen der Fall ist.
Zweitens entsteht daraus die Frage: Geht man solcherart wirklich korrekt mit fremdem Geld um - nur weil das halt im amerikanischen Rechtssystem so üblich ist? Kommission wie Bischöfe haben jedenfalls hier nicht über ihr eigenes privates Geld entschieden. Auch wenn ihnen zugute zu halten ist, dass sie die zum Teil allzu erpresserischen Forderungen mancher Opferverbände trotz heftiger Unterstützung durch den ORF ignoriert haben.
Drittens: Niemand gibt der Kirche jetzt Rechtssicherheit, dass nicht doch noch jemand kommt und trotz der breitgestreuten Entschädigungen auf gerichtlichem Weg viel höhere Summen einzuklagen versucht.
Viertens: Es wird rundum betont, dass für die Zahlungen Kirchenvermögen und nicht Kirchenbeiträge herangezogen wird. Das soll all jene Kirchenmitglieder beruhigen, die nicht für die Untaten einzelner übler Gesellen aufkommen wollen, welche noch dazu meist lange verjährt sind. Nur: auch Kirchenvermögen stammt in der Regel von einzelnen Gläubigen, die – wenn auch oft vor langen Zeiten – der Kirche etwas geschenkt oder vererbt haben, damit es wohltätigen oder liturgischen Zwecken zugutekommt. Die nunmehrigen Zahlungen sind aber wohl eher nicht in den Intentionen der Spender gelegen.
Fünftens hat mir bis heute niemand erklären können, warum kein einziges Opfer geklagt oder Anzeige erstattet hat, als die Täter noch am Leben und die Taten nicht verjährt waren. Waren wirklich Hunderte so lange traumatisiert und hilflos, bis sich mit einem Schlag alles geändert hat?
Und sechstens: Woher nur nimmt die Kirche die Illusion, dass jetzt für sie wieder alles gut wird? Dass etwa künftig all jene Medien objektiv oder gar wohlwollend über sie berichten werden, denen „normale“ Missbrauchsfälle schnurzegal sind, denen grüne Forderungen nach Straffreiheit für Pädophilie und grüne EU-Politiker, die selbst Kindesmissbrauch eingestanden haben, nie ein kritisches Wort wert waren, die normalerweise jede Forderung nach Schutz gegen Kinderschänder als rechtsradikale Scharfmacherei denunzieren, die aber jeden Vorwurf gegen die Kirche zur Schlagzeile und Spitzenmeldung in den Abendnachrichten machten.
Diese kritischen Fragen heißen nun keineswegs, dass alles falsch war, was die sogenannte Klasnic-Kommission tat. Es ist absolut gut und richtig, für die Zukunft viel bessere Aufklärungsmechanismen zu schaffen, den Opfern auch kirchenintern seriöses Gehör zu schenken und vor allem sehr spät, aber doch zu erkennen, dass Menschen, deren sadistische oder pädophile Veranlagung offenkundig wurde, nicht einfach – nach Reue und Vergebung – wieder auf junge Menschen losgelassen werden dürfen. Weil hier eben der beste Vorsatz nichts hilft.
Die wichtigsten Erkenntnisse aus den letzten Monaten (ebenso wie aus den zwei letzten Jahrtausenden) liegen aber überhaupt jenseits aller Kommissions-Erwägungen: Die eine sollte das in Wahrheit so manche Heuchelei beendende Eingeständnis sein, dass Priester im Schnitt keine besseren Menschen sind als der Rest, dass sie aber eine viel schwerere Aufgabe haben. Die andere Erkenntnis ist die Unvermeidbarkeit des – schon in der Bibel angesprochenen – Auseinanderklaffens von Realität und Ideal, welches das Christentum den Menschen vorzugeben versucht.