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Die Briten bitte vor den Vorhang

Auch wenn sich in Good Old England im Laufe der Zeit manches zum Schlechteren verändert haben mag: Ein erfreulicher Restbestand an typisch britischer Fairness ist jedenfalls noch immer in signifikantem Umfang vorhanden.

Das zeigt die offizielle Entschuldigung der britischen Regierung Cameron für ein vor 38 Jahren angerichtetes Blutbad an nordirischen Katholiken. Dieser Entschuldigung ging eine ebenso eingehende wie unabhängige und objektive Untersuchung voraus, die an Quantität und Qualität so ziemlich alles übertrifft, was etwa in der Republik Österreich auch bei den kompliziertesten Strafprozessen an Zeugeneinvernahmen stattfindet.

Die britische Entschuldigung ist auch alles andere als ein taktischer Trick. Wie es etwa der plötzliche Antifaschismus der SPÖ war, die ab 1986 die NS-Vergangenheit massiv zu instrumentalisieren begonnen hat. Zuerst um Kurt Waldheim mit miesen Untergriffen zu bekämpfen. Und dann um die FPÖ zu bekämpfen, als diese unter einem neuen Parteiobmann das Interesse an der Koalition mit der SPÖ verloren hat.

Die britische Regierung hat hingegen weder taktische Vorteile noch einen Popularitätsgewinn durch diese Entschuldigung zu erhoffen. Daher: Hut ab vor der britischen Fairness. Dass Art und Stil der britischen Nordirland-Untersuchung nicht einmal im entferntesten eine Ähnlichkeit (bis auf den Namen) mit dem haben, was hierzulande unter dem Stichwort Untersuchungsausschuss stattzufinden pflegt, braucht wohl gar nicht mehr betont zu werden.

Das gilt übrigens auch für eine ganze Reihe von britischen Historikern, die in den letzten Jahren sehr seriös begonnen haben, in Hinblick auf den ersten Weltkrieg die Frage zu stellen, ob Großbritannien nicht einen großen Fehler begangen hat, an der Seite Russlands und Frankreichs in den Krieg zu treten. Von französischen Historikern sind mir solche um Fairness ringenden Texte unbekannt (für die war natürlich immer die Rückeroberung von Elsass und Lothringen ein viel klareres Kriegsziel).

Diese britische Fairness hat sich übrigens schon beim ersten wichtigen Schritt zur Entspannung des Nordirland-Konflikts gezeigt: John Major (ein zu Unrecht wenig beachteter Premier) hatte den nordirischen Katholiken zugesagt, dass London ein Referendum für eine Abspaltung Nordirlands respektieren würde. Seither braucht sich die katholische Energie primär nur aufs Kindermachen und nicht mehr aufs Menschentöten zu konzentrieren.

Wie viel friedlicher könnte Spanien leben, könnte auch Belgien leben, wenn dort das gleiche Prinzip gelten würde. Für die Basken, für die Katalanen, für die Flamen. Die Trennung der Tschecho-Slowakei hat ja gezeigt, dass  aus einer solchen Trennung - wenn sie geordnet und friedlich abläuft - nachher bald die beste Freundschaft entstehen kann.

Längst ist doch klar, dass es sich in kleinen Ländern mindestens genauso gut leben lässt wie in den großen, die noch immer an den Wert der Größe glauben. Freilich: Während die beiden britischen Premiers mit besonderen Verdiensten für die Lösung der Nordirland/Ulster-Problematik zu den Konservativen gehören, sind die spanischen Konservativen besonders radikale Nationalisten und würden am liebsten jeden lebenslang wegsperren, der den Gedanken an das Selbstbestimmungsrecht auch nur ausspricht.

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