Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Wieder einmal sind die Wähler die Bösen, weil sie falsch gewählt haben. Wieder tritt eine traditionsreiche christdemokratische Partei den Weg in den Untergang an, weil sie verbraucht ist und die Zeichen der Zeit nicht erkennt. Und wieder kann in einem weiteren Land eine sozialdemokratische Partei ihren Erosionsprozess nicht aufhalten, weil sie verbraucht ist und die Zeichen der Zeit nicht erkennt (trotz massiver medialer Sympathien).
Natürlich hat keiner dieser Sätze über die niederländische Parlamentswahl irgendwelche Ähnlichkeiten mit Österreich . . .
Tatsache ist, dass zwei dominante Themen erdrutschartige Veränderungen in den Niederlanden ausgelöst haben, immerhin ein Land, das mehr als doppelt so viele Einwohner hat wie Österreich: Die Bedrohung durch die islamische Zuwanderung und die Erkenntnis, dass nur wirtschaftliberale Konzepte die gewaltige Krise lösen können.
Der rechtsliberale Wahlsieger Mark Rutte vereinigt beide Aspekte: Er ist ein scharfer Gegner der Immigration und setzt auf deutliches Sparen und auf Liberalisierung. Er ist nach seinen großen Zugewinnen nicht nur Nummer eins, sondern wird mit Sicherheit auch der nächste Regierungschef im Land der Kanäle und Tulpen.
Den allergrößten Zugewinn hat aber neuerlich der scharfe Antiislamist Geert Wilders erzielt. Er ist jetzt schon Nummer drei. Man kann ihm zu Recht vorhalten, dass er kein Team hat, dass er nur ein einziges Thema besetzt, und dass er bei diesem Thema, also seiner Kritik am Islam überspitzt formuliert. Er übertreibt dabei verbal so stark, wie die in den Medien und den gedemütigten Parteien regierende Political Correctness untertreibt.
Aber er hat es jedenfalls verstanden, das große europäische Unbehagen über das Hereinströmen von Zig-Millionen Muslims zu artikulieren. Diese sind in großen Teilen keineswegs so anpassungswillig und leistungsorientiert und sie haben keineswegs eine von undemokratischen totalitären Ansprüchen freie Religion, wie das der bisher vorherrschende Linksliberalismus und Christonaivismus angenommen hatten.
Der Islam ist qualitativ etwas ganz anderes, als es die diversen christlichen, jüdischen, buddhistischen oder agnostischen Weltanschauungen heute sind, die alle die Trennung von Staat und Kirche akzeptieren. Viele Menschen erkennen die Gefahr und handeln zumindest in der Anonymität der Wahlzelle entsprechend. Wilders artikuliert diese Ängste - wohl auch deshalb in übertriebener Laustärke, um nicht mehr totgeschwiegen werden zu können - und hat damit die Niederlande wie auch Europa verändert.
Sehr ernst nehmen sollten insbesondere die Christdemokraten das ihnen von den Wählern ausgestellte Zeugnis. Gewiss: Nach acht Jahren Regierungsführung sind viele Parteien verbraucht. Gewiss: Der von den Christdemokraten unterstützte Afghanistankrieg ist ob seiner Aussichtslosigkeit ein schwerer Ballast geworden. Dennoch sollte die größte Verliererpartei den internationalen Gleichklang ananlysieren: Die alten christdemokratischen Gruppierungen schwinden in vielen Ländern noch rascher als die sozialdemokratischen dahin.
Von Italien bis Spanien haben sie sich praktisch aufgelöst - aber nicht im Soge eines Linksrucks der Wähler, wie viele Medien es uns weismachen wollen. Sondern es haben sich zum Teil ganz neue Parteien auf der Rechten gebildet. Zum Teil nationalistisch (wie in Spanien), zum Teil populistisch (wie in Italien), zum Teil durchaus offen für konservativkatholische Positionen (die in der heutigen Christdemokratie weitgehend verpönt sind), aber dennoch weniger klerikal als ihre Vorgänger.
Diese Parteien sagen aber auch mutiger die richtigen Dinge zu Sozialstaat und Wirtschaft, als es die stark sozialdemokratisch infiltrierte Christdemokratie in der Regel tut. Sie wagen es vor allem, die Millionenimmigration aus der Dritten Welt zu kritisieren, auch wenn das von Sozialdemokraten und Linkskatholiken als faschistisch denunziert wird. Sie kämpfen auch für mehr Meinungsfreiheit, wie etwa die mancherorts erfolgreichen, aber vorerst noch kleinen Bewegungen für Internet-Freiheit. Sie sind gegen Big Government, das in allen Industriestaaten wie eine Krake immer mehr umschlingt.
Dieser gesellschaftliche Grundtrend kommt übrigens auch bei den Erfolgen der amerikanischen Republikaner deutlich zum Vorschein. Denn diese haben ja beim letzten Mal nur wegen des vermurksten Irak-Krieges und gegen einen charismatischen Gegner verloren, sind aber sonst viel besser im Gleichklang mit der nationalen Stimmung.
Keine Frage ist aber auch, dass dieser Trend mit einer allgemeinen Politikverdrossenheit Hand in Hand geht: Das zeigen die überraschenden Erfolge von Kabarettisten bei einzelnen Wahlgängen der letzten Zeit. Das war früher völlig undenkbar, ist aber auch ein Produkt der Tatsache, dass selbst öffentlich-rechtlich finanzierte Fernsehsender mit Primitivität und geistiger Einengung Programm machen.
Wen erinnert das an Österreich? Ein Land, wo übrigens die ÖVP soeben unter der Überschrift Gesamtschule so ungefähr die letzte Bastion räumt, die sie noch an einem Beitritt zur SPÖ gehindert hat?