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Der Aufsichtsrat, dein Freund und Helfer

Die SPÖ macht die Verfassungsrichterin und brave Parteisoldatin Claudia Kahr zur Aufsichtsrats-Vorsitzenden der Asfinag. Und das nur wenige Stunden, nachdem Kahr in diesen Aufsichtsrat überhaupt erst eingerückt ist. Das ist formalrechtlich in Ordnung, sollte aber dennoch alle Alarmglocken läuten lassen.

Die erste Sorge gilt der Asfinag: Wird nun auch die Autobahngesellschaft endgültig parteipolitisch kaputt gemacht, wie es der SPÖ schon bei der ÖBB und Rot und Schwarz beim Wiener Flughafen geglückt ist? Kehren wir bei den verbliebenen Staatsbetrieben total in die furchtbaren Jahre der Verstaatlichten Industrie zurück? Wo jeder Portier ein Parteibuch haben musste, wo die Partei jahrelang ihre schützende Hand darüber gehalten hat, bis die Verstaatlichte mit einem Totalcrash an die Wand gedonnert ist.

Frau Kahr könnte diese Besorgnis rasch zerstreuen: Sie könnte dem Vorstand Inserate und sonstige Kooperationen mit Medien verbieten, um nicht in den Verdacht zu geraten, parteipolitische Bestechungsaktionen zu erlauben. Wenn es wirklich einen objektiven Grund geben sollte, die Autobahnen inseratmäßig zu bewerben (es fällt freilich schwer, sich einen solchen vorzustellen), dann sollten diese Inserate in totaler Transparenz durch professionelle Schaltagenturen nach rein ökonomischen Kriterien geschalten werden. Eine solche Reform wird freilich nicht gerade das Motiv gewesen sein, warum Kahr von der Partei in diesen Posten gehievt worden ist.

Die Asfinag war diesbezüglich im Vergleich zu ÖBB und sämtlichen Unternehmen im Machtbereich der Gemeinde Wien noch relativ zurückhaltend. Dennoch ist die Gesellschaft alles andere als politisch unabhängig. Sonst hätte sie nicht jedem österreichischen Bürgermeister nachgegeben, der nach einer aufwendigen Lärmschutzwand entlang der Autobahn verlangt hat, und nicht jeder Hauptschulklasse, die für einen teuren Kröten-Tunnel unter der Autobahn gekämpft hat.

Rein rechtlich geht die Bestellung Kahrs aber in Ordnung. Hat ja beispielsweise auch der frühere VfGH-Präsident Korinek nicht alle Aufsichtsrats-Mandate zurückgelegt – etwa jene im Kulturbereich.

Dennoch ist das alles andere als sauber. Denn selbst wenn sich Frau Kahr bei jeder Causa, bei der die Asfinag eine Rolle spielt – was gerade bei einer Autobahngesellschaft in einer Vielzahl von Fällen denkbar ist –, jeder Mitwirkung im Gerichtshof enthält, leidet dennoch das Ansehen der Objektivität des VfGH darunter, das gerade für das oberste Verfassungsschutzorgan so wichtig ist. Wenn es um eine Kollegin geht, schaut man sich halt die Akten mit einer ganz anderen inneren Einstellung an als sonst, ob man will oder nicht. Gerade wenn einem der Rechtsstaat wichtig ist, sollte gerade der VfGH daher auch außerhalb des Bereichs verbotener Handlungen einen breiten Gürtel der freiwilligen Sauberkeit beachten.

Wir sollten aber auch für die gesamte Wirtschaft – die staatliche wie die private – die Rolle von Aufsichtsräten dringend überprüfen. Wir müssten dringend wegkommen vom Bild des Aufsichtsrats als Helfer, um nicht zu sagen Komplicen des Vorstands. Die Aufsichtsräte sollten zu wirklichen Aufsehern werden. Das können wir nur dadurch erreichen, dass kein Aufsichtsrat von Entscheidungen des Vorstands  persönliche Vor- oder Nachteile haben darf. So ist es geradezu absurd, wenn ein Rechtsanwalt, der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft ist, dann auch vom Vorstand derselben Gesellschaft honorarträchtige Aufträge bekommt.

Ein solcher Aufsichtsrat wird im Grund seines Herzens primär an seine eigene Interessen denken, bevor er an die der Eigentümer und der Firma denkt. Dasselbe gilt für jeden anderen Geschäftspartner der Gesellschaft: Der wird als Aufsichtsrat immer die Sicht darauf im Auge haben, dass seine eigene Firma weiterhin gute Aufträge bekommt. Selbst wenn eigentlich ein Konkurrenzlieferant viel günstiger wäre. Smarte Vorstände werden umgekehrt nie so blöd sein, persönliche Interessen eines Aufsichtsrats leichtfertig zu gefährden.

Selbstverständlich sind auch verschränkte Aufsichtsratsmandate ein Unding: Der Vorstand der Firma A "beaufsichtigt" die Firma B, und der Vorstand von B "beaufsichtigt" A.

Ausnahmen von dieser Regel kann es nur dann geben, wenn der Aufsichtsrat (oder seine Firma) selbst ein relevanter Aktionär der Firma ist. Denn dann hat er natürlich sehr wohl die langfristigen Interessen der Eigentümer im Auge, die ja vom Aufsichtsrat zu vertreten sind.

Eine solche Neuregelung widerspricht massiv dem Old-Boys-Klub-Denken rund um die Industriellenvereinigung. Sie würde auch Aufsichtsratssitzungen konfliktträchtiger machen, als man es bisher gewohnt ist. Aber sie ist der einzige Weg, zu einer sauberen Marktwirtschaft zu kommen, in die Menschen ihre Ersparnisse ohne allzu große Sorgen investieren können.

Eine solche Neuregelung würde auch ganz stark dazu führen, dass Aufsichtsrat zum Hauptberuf wird. Ein Hauptberuf, den man zweifellos in mehreren Firmen gleichzeitig ausüben kann – solange sie nicht in Konkurrenz zueinander stehen.

Ein solches Konkurrenzverbot müsste sicherlich auch zwei oder drei Jahre nach dem Rücktritt gelten. Es hätte auch den Skandal Gusenbauer verhindert: Ist doch der Altbundeskanzler vor wenigen Tagen nahtlos vom Aufsichtsrat der Alpine in den der Strabag gewechselt. Und niemand kann mir erzählen, dass er über Nacht jedes Wissen um die Alpine und ihre Geschäfte aus seinem Kopf eliminieren kann.

Es ist schon klar, dass die Bauwirtschaft die Nähe der Politik sucht. Aber das Gesetz und die weltweite Übung sieht im Aufsichtsrat eben die Rolle eines Aufsehers und nicht die eines Lobbyisten.

Keine Frage ist auch, dass ein wirklich sauberer Aufsichtsrat auch keine Betriebsräte in seinen Reihen haben dürfte. Denn auch die haben naturgemäß ganz andere Interessen im Auge – und durch die Arbeitsverfassung auch zahllose Möglichkeiten, sie zu betreiben –, als die eines Aufsichtsorgans. Diese deutsch-österreichische Fehlentwicklung der Mitbestimmung der Betriebsräte ist längst ad absurdum geführt. So haben etwa die Arbeitnehmer-Vertreter in der ÖIAG dort immer nur parteipolitisch agiert, sie haben immer sämtliche Verschwiegenheitspflichten ignoriert.

Wohin ein vom Betriebsrat gesteuertes Unternehmen geht, kann man ja am besten am Gewerkschaftsunternehmen ÖBB sehen. Die ist primär zum Selbstbedienungsladen geworden mit unzähligen dienstfreigestellten Betriebsräten, die aber gleichzeitig Gehälter beziehen, als wären sie die Chefs des Salzburger Hauptbahnhofs.

Ich weiß schon, dass eine solche Reform wohl noch lange nicht kommen wird. Rechtsstaat und Marktwirtschaft sind keine gewichtigen Argumente, vor allem wenn auf der anderen Seite Gewerkschaft, Partei und die industrielle Führungsklasse steht. Die alle Interesse am Status quo haben.

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