Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.
Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:
Ist eine gemeinsame Schule der 10- bis 14jährigen sinnvoll?
In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.
Gemeinsam ist es besser
Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).
Manche Dinge sind schwer ausrottbar. Dies gilt besonders für Vorurteile, die sich im politischen Diskurs hartnäckig über viele Generationen halten. Ein solches existiert in der Alpenrepublik im Zusammenhang mit der Gesamtschule. Gegen sie wird seit Jahrzehnten mit längst widerlegten Argumenten polemisiert.
So wird behauptet, die Gesamtschule bringe den bildungspolitischen Einheitsbrei. Das ist grober Unfug, denn das Konzept der Gesamtschule sieht sehr wohl eine Differenzierung vor. Diese wird allerdings in die Schule verlegt und besteht nicht zwischen den einzelnen Schulformen. Ziel der Gesamtschule ist es, mehr Fairness und Chancengerechtigkeit im Bereich der Bildung herzustellen. Kinder egal welcher Herkunft werden bis zum 14. Lebensjahr in einer gemeinsamen Schule unterrichtet. Die frühzeitige soziale und generationenübergreifenden Spaltung der Gesellschaft soll so gemildert werden. Die Schwachen lernen von den Starken und umgekehrt. Dazu kommt, dass Entscheidungen über den Lebensweg – und dies sind nun einmal in einem essentiell Ausmaß bildungspolitische Weichenstellungen – für Kinder im Alter von zehn Jahren schwer zu treffen sind. Vier Jahre später hingegen zeichnen sich die besonderen Fähigkeiten deutlicher ab und die Entscheidung welcher Schultyp passender ist, fällt leichter. Dazu kommt, dass es für Zehnjährige schmerzlich ist aus ihrem Freundeskreis, der vielfach aus dem schulischen Umfeld besteht, heraus gerissen zu werden. Mit Vierzehn fällt der Beginn eines neuen Lebensabschnitts leichter.
Das alles spricht für die Einführung der Gesamtschule auch in Österreich. Es ist gut, dass Wissenschaftsministerin Beatrix Karl die Zeichen der Zeit erkannt hat und gegen bildungspolitische Steinzeitpolitiker in den eigenen Reihen antritt. Chapeau!
Die Vergewaltigung der Eltern
Andreas Unterberger
Zu keinem Thema wird so viel gelogen wie zur Gesamtschule, mit der den Eltern das Recht auf freie Schulwahl genommen werden soll.
Tatsache ist, dass die Mehrheit der Eltern, Schüler und Lehrer dagegen ist. Tatsache ist, dass die Gesamtschule Milliarden kostet, die man schon für einige (viel sinnvollere) Ganztagsschulen nicht hat. Tatsache ist, dass die Gesamtschulversuche keine Aussagekraft haben können: wird doch in diese – in skandalöser Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes – pro Kopf viel mehr Geld gesteckt als in normale AHS oder Hauptschulen, gibt es doch dort viel kleinere Klassen und trotzdem viel mehr Lehrer. Tatsache ist, dass die Gesamtschule vor allem von kinderlosen Politikern (Karl, Schmied) oder reichen Unternehmern (von der Industriellenvereinigung bis Alfred Gusenbauer) gefordert wird, die ihre eigenen Kinder in sauteure internationale Schulen schicken. Tatsache ist, dass eine Gesamtschulpflicht wie in den USA den städtischen Mittelstand zwingen würde, seinen Kindern ebenfalls Privatschulen zu zahlen, um Klassen mit 40 bis 90 Prozent Migrationshintergrund (und zwar meist mit Drittwelt-Charakter) zu fliehen. Tatsache ist, dass derzeit die Mehrheit der Maturanten aus Hauptschulen (meist den guten ländlichen) kommt. Tatsache ist, dass laut Pisa-Bericht keine Überlegenheit der Gesamtschule ableitbar ist. Tatsache ist, dass im einzigen Staat, in dem die Schulsysteme vergleichbar sind, weil es bei sonst gleichen Bedingungen Länder mit und Länder ohne Gesamtschule gibt, dass also in Deutschland die Gesamtschulen in jeder Hinsicht deutlich schlechter abschneiden.
Tatsache ist aber auch, dass unser Schulsystem schlechter geworden ist. Aber nicht weil es (noch) differenziert ist, sondern weil Disziplin, Leistung, negative Noten, Aufnahmsprüfungen von den gleichen Pädagogen zurückgedrängt worden sind, die jetzt die Gesamtschule propagieren.
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