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Der Rücktritt eines Dünnhäutigen

Hat Horst Köhler eine zu dünne Haut? Ist ihm Unrecht widerfahren? Hatte er selbst in einem Interview einen Fehler begangen? Oder steckt da etwas ganz anderes dahinter als die Debatte über seine Äußerung zum Einsatz deutscher Soldaten im Ausland? Jedenfalls ist der plötzliche Rücktritt des deutschen Bundespräsidenten extrem brisant - und ungefähr das Letzte, was die Bundesrepublik in diesen Stunden braucht, da die Finanzkrise Deutschland auch eine schwere politische Krise beschert hat.

Jedenfalls klingt Köhlers Begründung eigenartig: Er vermisse den notwendigen Respekt vor dem höchsten Staatsamt. Nun: Die Zeiten der Monarchie sind vorbei, und selbstverständlich muss es möglich sein, auch einen Bundespräsidenten scharf zu kritisieren.

Die SPD hatte Köhler zuvor heftig attackiert. Dieser hatte in einem Interview gesagt, ein Land mit einer so starken Außenhandelsorientierung wie Deutschland müsse wissen, "dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen."

Das war von den Linksparteien sofort mit dem Afghanistaneinsatz in Verbindung gebracht worden - obwohl gerade dort niemand ernsthafte wirtschaftliche Interessen hat. Der Köhler-Satz bestätigte aber perfekt das marxistische Weltbild, wonach Kriege nur aus ökonomischen Interessen angezettelt werden.

Eine These, die sicher bei vielen Kriegen nicht stimmt. Die aber sicher nicht prinzipiell falsch sein muss. Wenn ein Land durch fremde Mächte vom Welthandel abgeschnitten wird, sodass Hunger und Not drohen, dann muss es irgendwo einen Punkt geben, wo ein Recht zu Gegenmaßnahmen entsteht. Zumindest muss darüber diskutiert werden.

Wie auch immer. Der Rücktritt ist für Angela Merkel eine Katastrophe, nachdem die Nordrhein-Westfalen-Landtagswahlen ihre Machtposition in der Bundesversammlung empfindlich geschwächt haben, die ja den deutschen Bundespräsidenten zu wählen hat.

Gleichzeitig fällt aber auch auf, dass der Köhler-Rücktritt nur wenige Tage nach dem Rücktritt des hessischen Ministerpräsidenten Koch erfolgt ist.

Köhler wie Koch nennen ganz andere Gründe. Dennoch erscheint es dem Tagebuchautor durchaus logisch, wären beide Rücktritte im seltsamen Verhalten Merkels in der Finanzkrise begründet. Da hat die Bundeskanzlerin ja massivem Druck aus Frankreich, den USA und etlichen Schuldnerstaaten  nachgegeben, dass - vereinfacht ausgedrückt - die Europäische Zentralbank und der deutsche Steuerzahler zur Rettung der verschuldeten EU-Staaten ausrücken müssen.

Das war - zumindest nach Ansicht vieler - ein glatter Rechtsbruch. Das wird vor allem Deutschlands wirtschaftliche Zukunft (und die Österreichs übrigens auch) massiv belasten. Das ist daher in Deutschland und insbesondere in weiten Kreisen der CDU/CSU total unpopulär.

Das ist seit wenigen Stunden noch unpopulärer, seit die Deutsche Bundesbank vehement gegen den Ankauf griechischer Staatsanleihen durch die EZB protestiert hat. Auf diesem Weg bekommen vor allem die französischen Banken (Griechenlands Hauptgläubiger) elegant ihre riskanten Griechenland-Papiere los. Während die deutschen Banken dem Finanzminister garantiert hatten, keine griechischen Anleihen zu verkaufen. Damit steht Deutschland nun doppelt als belämmert und über den Tisch gezogen da.

Irgendwie würde das alles viel besser den aufsehenerregenden Doppelrücktritt erklären als der Ärger über Kritik der Opposition.

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