Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Chuzpe oder Orwell

Warum fallen einem oft nur noch solche starken Worte wie Chuzpe, Verlogenheit und Dummheit ein, wenn man die öffentlichen Diskussionen verfolgt? Da ich immer noch irgendwie an das Gute in den öffentlichen Akteuren glauben will, wäre ich dankbar für freundlichere Erklärungen zu den folgenden vier öffentlichen Enuntiationen zu brennenden Themen wie Gesamtschule oder Schuldenkrise.

Erstens: Der selbsternannte Schulexperte einer Boulevardzeitung, Andreas Salcher, tritt im ORF auf und polemisiert wild für die Gesamtschule. Was nicht weiter ungewöhnlich ist. Der Mund blieb einem aber offen angesichts der zwei Hauptargumente Salchers. Das eine ist die Prophezeiung: Wenn nicht sofort die Gesamtschule eingeführt werde, dann werden die Eltern mit ihren Kindern in Massen in Privatschulen flüchten.

Wahr ist natürlich das Gegenteil. Noch gibt es eine Reihe anspruchsvoller und leistungsorientierter staatlicher Gymnasien, in die der Mittelstand seine Kinder schicken kann, ohne teures Schulgeld zu bezahlen. Müssen diese Gymnasien hingegen zu „Gymnasien für alle“ werden, wie die Forderung der Linken in allen Parteien derzeit lautet, dann wird sich naturgemäß auch in diesen Schulen das Niveau so nach unten verändern, dass alle verantwortungsbewussten Eltern in die Privatschulen flüchten werden (wenn sie es sich irgendwie leisten können). So wie etwa in den Gesamtschulländern USA und Großbritannien. Sehr sozial.

Manches Mal hört man da übrigens das Gegenargument: Natürlich solle die Gesamtschule leistungsorientiert sein. Nimmt man das ernst, dann hieße Gesamtschule, dass die Kinder zwar beim gleichen Tor hineingehen, dann aber den ganzen Tag bis auf den Sport in völlig verschiedenen Klassen sitzen. Was extrem teuer wird, und was die linken Gleichheitsfanatiker natürlich nicht wollen. Sie wollen ja alle Menschen gleich machen. Da kann es dann natürlich nicht schlechtere Klassen geben, in denen dann halt wieder konzentriert die Kinder aus bildungs- und sprachfernen Schichten so sitzen wie jetzt in den städtischen Hautschulen.

Eine solche leistungsdifferenzierende Gesamtschule würde ja die Wiedereinführung der Aufnahmsprüfung ins Gymnasium zur Potenz bedeuten. Diese ist einst ja von den gleichen Gleichheitsfanatikern, die jetzt für die Gesamtschule kämpfen, mit dem Argument abgelehnt worden ist, sie würde benachteiligten Kindern den Aufstieg verbauen. Dort müsste es dann auch Klassen mit Disziplin und strengen Benotungen (samt Konsequenzen) geben. All das ist ja von den progressiven Schulreformern der letzten Jahrzehnte zum Schaden der Schulen weitestgehend abgeschafft worden. Nur sehr naive Menschen werden glauben, dass die Linken die Gesamtschule wieder einführen wollen, um ausgerechnet diese Methoden einer konservativen Schule wieder einzuführen.

Genauso logikfrei ist das zweite Argument Salchers, das die Popper-Schule als Argument für die Gesamtschule verwendet. Jene Elite-Schule ist nämlich geradezu ein Parade-Exempel für ein differenziertes Schulsystem. Mit Aufnahmstests und allem diskriminierenden Drum und Dran. Der übrigens (siehe seine Waldzell-Veranstaltungen) auch sehr in die jeder Vernunft ferne Esoterik verliebte Salcher muss wohl bei George Orwell gelernt haben: Bezeichne jedes Ding als das Gegenteil, dann bricht jede Logik und Ordnung zusammen, dann haben die Mächtigen freie Bahn für jede Manipulation.

Zweitens: Alles andere als manipulationsfrei war dieser Tage auch ein PR-Bericht in der „Zeit im Bild“ für die Wiedereinführung des von Schwarz-Blau angeblich abgeschafften Hausmeisters.  Dabei wurde wieder einmal in Orwellscher Manier die Tatsache verschwiegen, dass natürlich auch nach der Abschaffung der Hausmeister-Privilegien durch Schwarz-Blau zu Tausenden Hausmeister neu angestellt wurden, die in Mietshäusern leben und sich um diese kümmern, nur zu billigeren Konditionen gegenüber früher. Dabei wurde vom ORF überdies wieder einmal verschwiegen, dass ein Hausmeister – auf welcher Gesetzesgrundlage immer – die Mieter deutlich teurer kommt als die Wartung des Hauses durch eine externe Firma. Dieser Bericht war nur ein weiterer Beweis dafür, dass der heraufziehende Wiener Wahlkampf zumindest in den gleichgeschalteten beziehungsweise bestochenen Medien der grauslichste und manipulativste werden wird, den wir je erlebt haben.

Drittens: Der linke Historiker Oliver Rathkolb hat in einem Zeitungsinterview endlich die politisch korrekte Erklärung für die Ursachen der katastrophalen Finanzkrise geliefert. Die Ursache liege darin, dass Griechenland, Portugal und Spanien bis in die 70er Jahre rechte Diktaturen gewesen seien, so Rathkolb. Schuld ist also nicht die seither praktizierte Verschwendungspolitik, nicht die durch aggressive Gewerkschaften erkämpften und allein in den letzten zehn Jahren um 30 Prozent über dem deutschen Niveau liegenden Gehaltserhöhungen, nicht die Korruption, nicht die ringsum befürchtete Unfähigkeit sozialistischer Regierungen, die ewig versprochenen Reformen auch durchzuführen. Nein, Franco & Co sind die Täter. Offenbar haben die Linken erkannt, dass der Spekulantenschmäh nicht so richtig zieht, jetzt konstruiert man einen anderen Sündenbock für das Scheitern der eigenen Keynes-Wohlfahrt-Schulden-Politik (die freilich auch von fast allen anderen Parteien teilweise praktiziert wurde).

Viertens: Der deutsche Linkspolitiker Gregor Gysi zitiert im deutschen Bundestag ausgerechnet Werner Faymann als Kronzeugen für seine Auffassungen zur Finanzkrise. Gysi ist bekanntlich ein hochrangiger Exponent des DDR-Systems gewesen (so wurde er von dem Regime zu internationalen Anwaltskongressen entsandt), also der – bisher – letzten Diktatur auf deutschem Boden. Dieser totalitäre Gefängnisstaat hat sich nicht nur durch massenweisen Terror, Mord und Sadismus ausgezeichnet, sondern auch durch ein katastrophal versagendes Wirtschaftssystem. Trotzdem ist Gysis Partei auch heute nicht bereit, sich von dem dortigen Regime zu distanzieren, sodass die Linkspartei gerade um die Chance umgefallen ist, sich in Nordrhein-Westfalen an der Regierung beteiligen zu dürfen (was den dortigen Sozialdemokraten und/oder Grünen ein gutes Zeugnis ausstellt)

Mit anderen Worten: Die Apologeten der DDR sehen die Weltwirtschaft genauso wie jene Menschen, die dem österreichischen Bundeskanzler die Ideen eingeben. Das ist nun keine Chuzpe mehr. Das ist nur noch beängstigend.

zur Übersicht

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)

Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print




© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung