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Abbitte an Milton Friedman

Es war ein spannender Halbtag in den Neunzigern. In einem eher nüchternen Raum einer kalifornischen Universität diskutierte eine kleine Gruppe mit Milton Friedman über alles und jedes. Er zeigte uns faszinierende Einsichten in weltwirtschaftliche Zusammenhänge. Nur in einem einzigen Punkt ärgerten wir uns über den kleingewachsenen Nobelpreisträger. Da lag er wohl völlig falsch.

Heute muss man ihm demütig Abbitte leisten. Denn täglich wird eines klarer: Gerade in jenem Punkt, wo wir ihm vehement widersprachen, bekommt Friedman von der Geschichte zunehmend recht. Er hatte die Europäer vehement vor einem Zusammenschluss zum Euro gewarnt. Wir hingegen glaubten, er täte dies vor allem, weil die Amerikaner eine Konkurrenz zum Dollar als einzige Weltwährung fürchteten. Wir betonten die vielen Transaktionsvorteile durch den Euro und seine Resistenz gegen Spekulation.

Friedman hingegen zeigte die gewaltigen Unterschiede zwischen den Euro-Ländern auf, die auch in Zukunft keine einheitliche Politik haben würden. Er prophezeite massive politische Interventionen in die Währung. Er analysierte insbesondere, dass die Gewerkschaften in jedem Land ganz unterschiedlich aggressiv sind. Und er verwies darauf, dass das bisherige Instrument, um diese Unterschiede auszugleichen, künftig wegfallen werde: nämlich die Abwertung von Währungen.

Und all das hat sich seither bestätigt. Insbesondere in den Ländern des südlichen Europas. So haben die griechischen Gewerkschaften – insbesondere jene des öffentlichen Dienstes – binnen zehn Jahren durch ihre exorbitanten und dann auch durchgesetzten Forderungen die griechische Wettbewerbsfähigkeit um mehr als 30 Prozent reduziert.

Griechenland kann aber nicht mehr abwerten. Es musste daher seine vielen Konzessionen an die Gier der Gewerkschaften, seine mangelnde Bereitschaft, gegen Korruption, Schattenwirtschaft und Steuerhinterziehung vorzugehen, durch ständig mehr Schulden finanzieren. Bis die Gläubiger erwachten – auch aufgeweckt durch die Information, dass die Griechen sogar bei ihren Statistiken kräftig geschwindelt haben.

Empfehlungen aus dem Jenseits


Was würde der inzwischen verstorbene Friedman den Europäern wohl heute raten? Vermutlich Folgendes:

  1. Vorerst keinen Kredit mehr für Griechenland.

  2. Notfalls die Gläubiger-Banken mit rund 60 Prozent für die dadurch eintretende Zahlungsunfähigkeit Griechenlands schadlos halten (keinesfalls zu 100 Prozent), damit die Folgewirkungen abgebremst werden.

  3. Griechenland ein Aussteigen aus dem Euro-Raum nahelegen.

  4. Den Griechen nach Rückkehr zu einer eigenen Währung wieder Kredite geben, aber nur über den Internationalen Währungsfonds und unter strengen Auflagen (wie: Halbierung der Beamtenzahl; Streichung der Zulagen für Beamte; Einfrieren der Pensionen; Schaffung einer auch international besetzten Sonderkommission zur Jagd auf Steuerhinterzieher und Korruptionisten, die kräftige Vollmachten bekommt; Privatisierungen; Rückfahren der Militärausgaben, die noch für einen Krieg gegen den Erbfeind Türkei dimensioniert sind; Reduktion der Gesetze um 5000 Seiten pro Jahr; befristete Steuerzuschläge; grundlegende Reformen des Zivilrechts nach ausländischen Vorbildern).

  5. Ähnliche Pakete für Italien, Portugal und Spanien schnüren, bis deren Budgets halbwegs ausgeglichen sind. Unter Androhung, dass auch ihnen sonst der Kredit gesperrt und der Austritt nahegelegt wird.

  6. Ländern wie Österreich ganz konkrete Pakete empfehlen. Im Falle Österreichs etwa für die Schulden-Bundesländer Kärnten, Niederösterreich und Wien, aber auch für die Pensions-, Verwaltungs- und Gesundheits-Systeme. Dies unter der Androhung, dass auch hier Untätigkeit zu ganz konkreten Konsequenzen führen wird. (Immerhin hat sich auch für Österreich seit dem dummen Herumgerede seiner Regierung über Steuern die Kreditwürdigkeit in den letzten Wochen wieder signifikant gegenüber Deutschland verschlechtert.)

  7. Jedem Land, das die Maastricht-Kriterien verletzt, wird das Stimmrecht entzogen.


Natürlich wird Europa nicht auf solche Ratschläge hören, und den Griechen unter höchstwahrscheinlich nur sehr vagen Reformversprechungen wieder Geld geben. Das nicht ausreichen wird. Das aber gleichzeitig auch die Stabilität von Deutschland und den Niederlanden, den letzten halbwegs stabilen Ländern EU-Europas, erschüttern wird.

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