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Wo bleibt die Inflation?

Die Themen und Fragen, die mir die Partner des Blogs stellen, werden immer schwieriger – und damit aber auch spannender. So etwa die Frage „Wo bleibt eigentlich die Inflation?“

Vorweg die Überlegungen eines Partner im O-Ton: „Ich bin ja der festen Überzeugung, dass die derzeitige Krise mit den Folgewirkungen auf die Staatshaushalte nur einen Ausweg haben kann: Schuldentilgung durch Geldentwertung. Ich bin selber Betriebswirt und diskutiere dieses Thema seit langem mit einem Kommilitonen. Das Problem der Inflation ist ein sehr, sehr komplexes. Vielleicht können Sie das mal versuchen zu erörtern. Normalerweise entsteht sie ja durch Ausweitung der Geldmenge, dies über niedrige Zinsen. Was passiert aber derzeit? Wir haben niedrigste Zinsen, die Geschäftsbanken quellen über vor Liquidität und die Preise sind extrem stabil. Ich versteh das nicht.“

Der Versuch einer Antwort: Dies scheint im Grund das gleiche Paradoxon zu sein, das schon zum Ausbruch der Krise seit 2008 geführt hat. Die Erhöhung der Verbraucherpreise an sich, welche die Notenbanken – vielleicht – zu einem früheren Bremsen des gefährlichen Booms veranlasst hätte, ist auch damals nicht besorgniserregend gewesen. Erst 2008 sind die Benzin- und Nahrungsmittelpreise dann wirklich signifikant angestiegen.

Wobei es für beides sehr spezifische Erklärungen gibt, die nicht unbedingt eine Überhitzung der Kunjunktur bedeuten. Die Lebensmittel wurden knapp, weil auf Grund der damals am Höhepunkt stehenden Global-Warming-Panik bedeutende Anbauflächen zur Energieproduktion umgeleitet wurden, weshalb plötzlich zu wenig Lebensmittel produziert wurden und etwas drohte, was dank der modernen Landwirtschaftsmethoden schon fast ausgerottet schien: eine Hungerkatastrophe. Die Energiepreise wiederum stiegen, weil China und Indien ihren Verbrauch rapide erhöht haben, was naturgemäß weltweit zu Preiserhöhungen führt.

Aber der Rest der Preise blieb und bleibt in den letzten Jahren recht stabil, obwohl Regierungen und Zentralbanken die Geldmenge vor der Krise und in der Krise in unverantwortlicher Weise vermehrt haben. Warum?

Ein Hauptgrund ist der Eintritt Süd- und Ostasiens in die Wirtschaft: China, Indien, Vietnam steigerten wie wild ihre industrielle Produktion – und zwar zu so billigen Preisen, dass trotz der (infolge der Geldmengenaufblähung) erhöhten Nachfrage im Westen die Preise für die vielen dort erzeugten Produkte niedrig bleiben konnten.

Also alles bestens? Ganz und gar nicht. Denn die Vermehrung der Geldmenge und die Verbraucherpreise sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Das überschüssige Geld suchte und sucht sich halt andere Kanäle – bis dann eben diese zerbersten und mit schlimmen Nebenfolgen übergehen.

Erstens fließt das Geld nach Asien: Die Devisenreserven der dortigen Staaten gehen mittlerweile vor Billionen an Dollars und Euros über. Durch die Erlöse der Exporte, aber auch weil westliche Investoren ihr Geld zunehmend lieber nach Asien tragen, weil dort niemand blöd von Steuererhöhungen für Aktionäre redet. Das führt mittelfristig zu einer totalen Umkehr sowohl der wirtschaftlichen wie auch der politischen Machtverhältnisse. Und niemand weiß etwa, wie Peking diese Macht einsetzen wird.

Zweitens fließt das überschüssige Geld auch in Europa und Amerika in Branchen, die wenig mit dem Verbraucherpreis zu tun haben. Vor der Krise wie auch heute – was manche fälschlicherweise schon für „nach der Krise“ halten – sind das vor allem drei Bereiche: Immobilien (in Wien sind im Krisenjahr Eigentumswohnungen um 20 Prozent teurer geworden; in Amerika waren es vor der Krise die gebündelten Pfandbriefe auf Hypotheken), Edelmetalle (wie Gold) und Aktien. Der jetzige Boom, die jetzige Blase in diesen Bereichen hat einen Grund: Das überschüssige Geld sucht rasch sichere Häfen, die beim nächsten Sturm Schutz gegen allzu rasche Entwertung bieten. Da erscheint eine Eigentumswohnung oder der Anteil an einem Unternehmen eben viel krisensicherer als Bargeld.

Man kann aber auch hier mit Sicherheit vorhersagen, dass diese Blasen wieder platzen werden. Auch wenn die Menschen, die einem eine Wohnung verkaufen wollen, natürlich das Gegenteil behaupten. Auch wenn eine Wohnung immer einen Wert darstellen wird (solange sie nicht hypothekenbelastet ist).

Dennoch könnten die in diese drei neuen Blasen hinein Flüchtenden am Ende doch richtig gehandelt haben. Denn die Inflation durch Geldvermehrung wird in den nächsten Jahren auch bei den Verbraucherpreisen ankommen und sich dort viel schlimmer auswirken als bei Wohnungen, Gold und Aktien. Unweigerlich.

Der Grund: Weder Staaten noch Notenbanken werden die politische Kraft haben, die überschüssigen Geldmengen rasch wieder abzusaugen. Vor allem, weil sie gar kein Motiv dafür haben. Denn nur über eine heftige Inflation können die Staaten ihre Megaschulden entsorgen. Wenn man für eine Milliarde eines Tages nur noch einen Laib Brot bekommt, dann muss sich die Politik nicht mehr um den gigantischen Schuldenberg sorgen.

Nur jene werden blöd dastehen, die eifrig gespart habe, die solcherart etwa für ihr Alter vorsorgen wollten. Aber eine solche Enteignung passiert offenbar unweigerlich alle paar Jahrzehnte.

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