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Was Österreich von Ungarn lernen könnte

In Ungarn ist etwas ganz seltenes passiert: Eine einzige Partei erringt zwei Drittel der Mandate. Das kann diese Partei zu Recht bejubeln. Das ist aber auch eine große Gefahr. Und jedenfalls ein Anlass zu fragen, was da bei den Nachbarn geschehen ist - und ob es etwa mit Österreich auch etwas zu tun haben könnte.

Absolute Macht - und das ist eine Zweidrittelmehrheit jedenfalls - verleitet absolut zu Machtmissbrauch. Ob die absolute Macht nun rechts oder links besteht. Daher sollten auch die Freunde und Nachbarn Ungarns das Land mit einem kritischen Auge begleiten. Freilich ist in der Geschichte auch oft schon etwas anderes passiert: Dass sehr rasch innerhalb einer scheinbar starken Mehrheitspartei Konflikte auftauchten: Siehe Kreisky-Androsch, siehe Bauernbund-Wirtschaftsbund in der Ära Klaus.

Sorge macht jedenfalls, dass Viktor Orban alles andere als ein klares Wirtschaftsprogramm zu haben scheint. Wer in Zeiten wie diesen seinen Landsleuten Milch und Honig in Aussicht stellt, hat den Realitätsbezug verloren.

Und ebenso besorgniserregend ist die nationale Eskalation in der Slowakei wie in Ungarn. Die große ungarische Minderheit in der Slowakei könnte sehr bald Anlass zu recht explosiven Situationen nur wenige Kilometer von Wien entfernt sein.

Auf der anderen Seite muss klar sein: Würde Orban das nationale Thema ignorieren, dann würde davon die radikale Rechte profitieren, die mit ihren uniformierten Aufmärschen beängstigend an die 30er Jahre erinnert.

Die Sozialisten haben die Wahl zweifellos zu Recht verloren. Wegen ihrer Korruptionsskandale, aber vor allem wegen ihrer verantwortungslosen Politik am Beginn, als sie mit nicht vorhandenem Staatsgeld in schlechter alter Sozialistenmanier um sich zu werfen begonnen hatten. Der damalige Parteichef hat dann auch in einer - blöderweise an die Öffentlichkeit gedrungenen - Geheimrede auch offen zugeben, die Bürger frontal angelogen zu haben. Das Bekanntwerden dieser Rede war dann klarerweise das nun mit Zeitverzögerung eingetretene Todesurteil der Partei - obwohl sie in den letzten zwei Jahren über eine Expertenregierung plötzlich noch eine sehr vernünftige Politik der Sparsamkeit begonnen hatte. Aber wer einmal beim Lügen erwischt wird . . . (Das ähnelt übrigens ganz dem Ende von George W. Bush in Hinblick auf die gelogenen Gründe für die Irak-Intervention).

In Österreich sollten wir uns fragen, ob wir nicht spätestens seit dem 24. September 2008 ebenso angelogen werden, als Werner Faymann - mit Unterstützung der FPÖ und angesichts einer groggy in den Seilen hängenden ÖVP - die Milliarden unters Volk geworfen hat, um die bevorstehende Wahlniederlage seiner Partei abzumildern und doch noch Nummer eins zu bleiben. Nur wird Faymann zum Unterschied von den ungarischen Sozialisten sicher keine ähnliche Geheimrede halten. Begreift er doch gar nicht, was er angerichtet hat. Ist doch für ihn der brutale Machterhalt überhaupt der einzige politische Parameter.

In Österreich sollte sich aber auch die ÖVP das ungarische Ergebnis genau anschauen: Dort triumphiert eine Partei, die ihren Chef über zwei Niederlagen hinweg durchgetragen hat. Dort hat es vor allem gleichzeitig zum Aufstieg der Orban-Partei binnen weniger Jahre die große christlich angehauchte Partei der rechten Mitte, das Demokratische Forum, zerrissen. Dieses Forum hat die Wähler an eine neue, junge Gruppierung auf der rechten Seite verloren, gegen die der Einsatz der Faschismuskeule unwirksam geblieben ist. Genau dasselbe ist in den letzten Jahren aber auch den einst großen christdemokratischen Regierungsparteien in Italien und Spanien passiert. In der Schweiz zeichnet sich ähnliches ab.

Der Grund ist immer der selbe: Wenn die Partei der rechten Mitte zu sehr in die Mitte rückt, dann kommt sie in ein geistiges Vakuum, dann wird sie zur frömmelnden Imitation der Sozialdemokraten. In fast allen Ländern der Welt gibt es nämlich eine Mehrheit, die nicht so weit nach links gehen will, eine Mehrheit für einen klar antisozialistischen Kurs, auch wenn auf Grund des in Demokratien notwendigen Machtwechsels keine Partei auf ewig regieren kann. Diese Mehrheit fürchtet die keynesianische Geldvernichtungspolitik der Linken, sie fürchtet die Beschränkung der Meinungsfreiheit durch die Linke, sie lehnt die Überregulierung durch den Staat ab, sie hängt an Werten wie Heimat, Tradition und Familie.

Die ÖVP droht genauso wie ihre einstigen Freunde in den genannten Ländern in ein gefährliches geistiges Vakuum zu geraten, je weniger sie das erkennt. Sie ist überdies durch den Pröll-Kurs an die Sozialdemokraten gebunden, denen sie immer wieder in allen wichtigen Fragen nachgibt. Und die dumpfe Orientierungslosigkeit der gegenwärtigen schwarzen Programmsuche zeigt, dass da niemand wirklich einen echten Ausweg kennt oder auch nur sucht.

Das einzige Glück der ÖVP ist, dass rechts von ihr tiefe Zerstrittenheit herrscht, dass das personelle Angebot des dritten Lagers sehr mager ist, dass insbesondere niemand FPÖ&Co auch nur den Hauch einer Wirtschaftskompetenz zutraut.

Es wird daher spannend, ob irgendjemand bereit ist, von Ungarn zu lernen. Freilich sind hierzulande alle Parteisekretariate von Menschen geprägt, die keine Ahnung von Geschichte haben oder von jenen Dingen, die sich außerhalb unserer Grenzpfähle abspielen.

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