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Die Schuldigen suchen einen Sündenbock

Es ist absolut faszinierend: Noch selten waren die Ursachen einer Katastrophe so sonnenklar, wie im Anlassfall Griechenland; zugleich wird jedoch europaweit ein ungeheuer Aufwand getrieben, von diesen Ursachen abzulenken und Sündenböcke zu finden. Der einst vielgerühmte „europäische Weg“ führt direkt in den Abgrund. Die an der Wahl dieses Weges Schuldigen attackieren jedoch all jene, die am Rande dieses Weges Warntafeln mit der Aufschrift „Vorsicht Abgrund!“ aufgestellt haben.

Man lese nur die Kommentare bestimmter Politiker und Journalisten. Da wird in einer angeblichen Qualitätszeitung der Bankrott Griechenlands als „Liquiditätskrise“ beschönigt. Da werden die Rating-Agenturen beschimpft, weil sie griechische oder portugiesische Staatsanleihen abwerten. Da werden die Banken beschimpft, weil sie den Griechen Geld geborgt haben. Da werden die Banken beschimpft, weil sie den Griechen kein Geld borgen. Da sind an allem und jedem anonyme Spekulanten schuld. Da werden die Deutschen beschimpft, weil sie im Gegensatz zu den Griechen imstande sind, Produkte zu günstigen Preisen zu exportieren (ehrlich, diesen Unsinn verzapft ein Professor der Wiener Wirtschaftsuniversität!). Da fehlt nur noch, dass am Schluss wieder einmal die Angehörigen einer bestimmten Religion schuld sind.

Es ist wirklich beklemmend, mit welcher Energie da Sündenbock-Theorien gezimmert werden, nur um von der einzigen Hauptursache abzulenken: Die Griechen haben jahrelang ungeniert über ihre Verhältnisse gelebt, den Staat und die europäische Außenwelt schamlos betrogen, sich unglaubliche Lohn- und Pensionserhöhungen genehmigt, Steuern hinterzogen, die Korruption eskalieren lassen. Und sie haben geglaubt, dass das mit dem harten Euro genauso problemlos geht wie mit ihrer weichen Drachme, die sie ständig abwerten konnten, so dass der Unsinn relativ folgenlos blieb.

Und warum sind so viele unterwegs – bis hin zum Chef der österreichischen Nationalbank? Weil ähnliches auch in vielen anderen europäischen Staaten stattfindet. Und weil in einer Kettenreaktion wirklich der ganze Euroraum bedroht ist.

Man rufe sich nur folgenden grotesken Aspekt ins Bewusstsein. Das von den diversen Ewald Nowotnys so hochgelobte Rettungspaket für Griechenland besteht zu einem wesentlichen Teil aus Milliarden von Italien, Portugal, Spanien – also lauter Ländern, die fast ebenso bankrott und überschuldet und sorglos sind wie die Griechen. Ausgerechnet die sollen jetzt den Retter spielen! Jedes Pyramidenspiel ist dagegen eine hochseriöse Angelegenheit.

Natürlich gibt es noch andere Mitschuldige an der dramatischen, weit über Griechenland hinausreichenden Entwicklung. Auch in Österreich.

Man denke nur an die ununterbrochene Kritik etwa der Freiheitlichen an den Maastricht-Kriterien (obwohl deren Einhaltung durch die Regierungen den Euro geschützt hätte), an die Kritik vieler Wirtschaftskreise an „Basel II“ (obwohl dieses Abkommen ja die Banken zu einer strengeren Handhabung der Kreditvergabe zwingen sollte), und an die besonders populistisch-laute Kritik  der SPÖ am „Einsparwahnsinn“ (O-Ton Michael Häupl), am „Nulldefizitfetischismus“ oder an der angeblichen sozialen Kälte der Sparpolitik Karl-Heinz Grassers (obwohl die wirkliche soziale Kälte jetzt von Griechenland bis Portugal herrschen wird).

Ich weiß schon, es gibt fast keinen Bankrotteur, der die Schuld bei sich selber sucht. Dennoch sollte uns klar sein, je länger wir uns über die Ursachen in die Tasche lügen, umso weniger wird eine Sanierung möglich sein.

Das heißt nun nicht, dass die Banken kein Teil des Problems wären. Sie haben in der verzweifelten Suche nach relativ sicheren Geldanlagen den Regierungen (auch der österreichischen) deren Anleihen als scheinbar sicheres Anlageinstrument massenweise abgekauft. Und wenn nun von Griechenland bis Portugal die Staaten krachen, dann sind die Banken in Wahrheit wieder genauso gefährdet wie beim Zusammenbruch von Immobilienhypotheken (die bis vor drei Jahren auch jeder als etwas besonders Sicheres angesehen hat).

Im Hintergrund der so eilfertigen Bereitschaft etwa auch Österreichs, den Griechen beizustehen, steht folglich die selten kommunizierte Tatsache, dass die heimischen Banken verglichen mit dem österreichischen Anteil am Hilfspaket ein Vielfaches an Forderungen gegen Griechenland haben. Da scheint es ja durchaus billiger zu kommen, wenn man Griechenland direkt hilft, als wenn Griechenland in Staatsbankrott ginge. Überdies hat ja der bekannte Ökonom Werner Faymann großmundig erklärt, dass es keine weitere Bankenhilfe geben wird.

Da findet natürlich der nächste große Fehler statt. Denn die Griechen stehen mit absoluter Sicherheit nicht zum letzten Mal mit dem Hut in der Hand da. Und wer – übrigens in Verletzung der EU-Verträge – einmal hilft, der wird auch beim nächsten Mal in die Tasche greifen müssen.

Vor allem aber wird die Hilfe für Griechenland den Portugiesen, Spaniern, Italienern & Co das völlig falsche Signal geben. Nämlich dass auch sie jedenfalls gerettet werden und daher nicht ernsthaft sparen müssen. Diese Hilfe wird auch den österreichischen Gewerkschaftern und Arbeiterkämmerern (welche die Hauptberater des wirtschaftlich ja absolut ahnungslosen SPÖ-Vorsitzenden sind!)  eine falsche Botschaft geben: Sie werden weiter glauben können, dass man mit durch Schulden finanziertem Konsum (=Lohnerhöhungen ohne Produktivitätszuwachs) die Wirtschaft nachhaltig ankurbeln kann.

Es klingt zwar nach einem Sektenprediger: Aber immer mehr deutet darauf hin, dass der Untergang eines ganzen Systems sehr nahe ist.

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