Die Markwirtschaft hat seit langem eine klare Antwort, wenn sich jemand überschuldet: den Konkurs, also ein Ende mit Schrecken. Diese klare Konsequenz hat man im Vorjahr durch weltweite Staatsinterventionen zur Rettung von Banken und Industrien zu vermeiden versucht – und hat nun den Schrecken ohne Ende. Dieser Schrecken ohne Ende wird nun ins schier Unendliche gesteigert, wenn nun die Steuerzahler aus Deutschland und Österreich auch Griechenland mit vielen Milliarden retten sollen. Dafür sind die von allen guten Geistern verlassenen europäischen Regierungen offenbar bereit, sogar die EU- und Euro-Verträge zu brechen.
Diese Verträge verbieten es, dass einem überschuldeten Staat geholfen wird, gleichgültig ob diese Hilfe durch andere EU-Staaten, durch die EU, die Europäische Investitionsbank oder die Europäische Zentralbank erfolgen soll. Dieses Verbot hat einen guten Grund: Es soll verhindern, dass sich Euro-Staaten trotz der strengen Regeln der sogenannten Maastricht-Kriterien (die übrigens von österreichischen Links- wie Rechtspopulisten häufig kritisiert worden sind) maßlos verschulden – im Vertrauen, dass einem am Ende der reiche Onkel aus Frankfurt, Brüssel oder Berlin eh helfen werde.
Alleine Österreich müsste anteilsmäßig allein für die Rettung Griechenlands mindestens eine halbe bis eine ganze Milliarde Euro zusätzlich hinlegen – während man gleichzeitig gerade verzweifelt nachdenkt, wie man den Österreichern für die Sünden des Vorjahres zusätzlich 1,7 Milliarden durch neue Steuern aus der Tasche zieht. Man also gar nicht weiß, woher man das Geld für die Griechenland-Hilfe nehmen sollte.
Ein Dammbruch droht
Selbst wer auch das noch für finanzierbar hält, wird verstummen müssen, wenn nach den Griechen als nächste die viel zahlreicheren Spanier ebenfalls Geld verlangen. Die Spanier stehen ja genauso schlecht da wie die Griechen. Und kaum besser ist es um Portugal, Italien und Irland bestellt. Pikanterweise lauter Länder, die seit Jahrzehnten fette Milliarden von den Nettozahlern der EU über Struktur-, Regional oder Kohäsionsfonds beziehen, die es also gleichsam gewohnt sind, dass sie ein Dritter rettet.
In Griechenland versucht die Regierung nun wenigstens, durch ein hartes Sparprogramm (Mehrwertsteuererhöhung, Kürzung von Beamtengehältern und Pensionen) eine Umkehr einzuleiten, und stellt sich dem aggressiven Protest der Straße entgegen.
Offen bleibt freilich, wieweit Athen auch das Krebsgeschwür der wuchernden Korruption in den Griff bekommt. Jeder Grieche gibt im Jahr laut Transparency International im Schnitt 1355 Euro aus, um jemanden zu bestechen beziehungsweise um an ihm eigentlich zustehende Leistungen heranzukommen; dieser Betrag ist allein von 2007 auf 2009 um 23 Prozent gestiegen.
Auf die zeitweiligen Versuche griechischer Politiker, wieder einmal das schlechte Gewissen der Deutschen wegen des Weltkriegs zu bemühen, hat Deutschland zum Glück nicht einmal mit dem Ohrwaschel gewackelt. Nur einige Beispiele: Oppositionschef Tzimas: „Wie kann Deutschland die Frechheit besitzen, uns wegen unserer Finanzen zu denunzieren, wenn es noch immer keine Entschädigungen für die griechischen Opfer des Zweiten Weltkrigs gezahlt hat?“ Oder die Kommunisten: „Deutschland hat den Wert seiner Goldreserven aufgebläht, um den Euro zu bekommen.“
In Spanien hat die ebenfalls sozialistische Regierung hingegen sofort knieschlotternd zurückgezogen, als die Gewerkschaften gegen ein – ohnedies nur zartes – Sparpaket mit Beamtengehalts-Kürzungen protestierten. Spanien hat ja derzeit die weitaus linkeste Regierung Europas, während die Griechen und Portugiesen von gemäßigten Sozialdemokraten regiert werden.
Was passiert mit dem Euro?
Was würde aber, so fragen manche besorgt, mit dem Euro passieren, wenn man Griechenland in Konkurs gehen ließe? Oder Spanien? Nun, der Euro würde einige Male wild nach oben und unten ausschlagen – aber sich dann zweifellos kräftig stabilisieren: Europa hätte dann nämlich aller Welt demonstriert, dass es seine Währung ernst nimmt, dass es diese auch gegen die Disziplinlosigkeit der eigenen Mitgliedsländer verteidigt. Das schafft bei Geldanlegern Vertrauen.
Fließt hingegen europäisches Steuergeld nach Griechenland, dann würde der Euro ebenfalls wild ausschlagen – aber letztlich zweifellos tief nach unten sinken. Der Vertrauensverlust wäre nachhaltig und nicht wiedergutmachbar. Die Menschen würden in andere Währungen flüchten; insbesondere der Schweizer Franken würde sich des gewaltigen Ansturms nicht mehr erwehren können und als Fluchtwährung nach oben schnellen, da ja auch der Dollar mit vielen Sünden beladen ist, also kaum noch Fluchtwährung spielen wird.
Was geschieht aber mit den Forderungen der österreichischen Banken, die griechische Anleihen im Tresor haben? Auch da gibt es eine klare Antwort: Es wäre noch immer billiger, diesen Banken direkt zu helfen, als durch Hilfe für Griechenland zahllose Nachfolgetäter anzustiften. So wie die vorjährige Hilfe für alle in Probleme rutschenden Banken dazu geführt hat, dass die durchaus üppigen Gehälter im Bankbereich kaum betroffen waren, dass etwa hierzulande keine einzige Bank aus dem viel zu dicht besetzten Bankenmarkt verschwunden ist. So wie in Deutschland die Rettung Opels ein Gesundschrumpfen der Autoindustrie verhindert hat.
Umschulden und reformieren
Vor allem bedeutet eine Zahlungsunfähigkeit eines Staates ja noch nicht, dass Forderungen gegen diesen Staat zu hundert Prozent abgeschrieben werden müssen. Da gibt es interessante Beispiele – etwa Russland oder Polen. Als sie gröbere Finanzprobleme hatten, haben sie sich – meist in Paris – mit ihren Gläubigern zusammengesetzt und Umschuldungsabkommen ausgehandelt. In solchen Abkommen verzichten die Gläubiger beispielsweise auf 30 Prozent ihrer Forderungen, verleihen auch frisches Geld und erstrecken etwa das Zahlungsziel um drei Jahre. Und siehe: All diese Länder haben sich – zusammen mit hartem innerstaatlichem Sparen – erholt.
Noch besser ist das Beispiel der Skandinavier in den 90-er Jahren. Sie waren durch die Exzesse des Wohlfahrtsstaates (und Finnland durch den Zusammenbruch des russischen Exportmarktes) in fast ans heutige Griechenland heranreichende Probleme geschlittert. Sie haben mit beinharten („sozial kalten“, „neoliberalen“) Reformen geantwortet. In Schweden etwa geht man heute durchschnittlich um vier Jahre später in Pension als in Österreich. In Dänemark gibt es überhaupt keinen Schutz gegen Kündigungen. Und siehe: Heute stehen diese Länder wieder recht gut da. Und leisten sich immer nur so viel Wohlfahrt, wie sie sich leisten können.
Auch aktuell gibt es ein gutes Beispiel: Das sehr neoliberal regierte Polen hat derzeit das weitaus beste Wachstum in der EU.
Ignorieren hilft nicht
Natürlich gibt es auch negative Beispiele wie Argentinien, das als Antwort auf eine Krise beschlossen hat, seine Auslandsschulden zu ignorieren. Dem daher bis heute kaum jemand einen Kredit einräumt. Das bis heute von linkspopulistischen Politikern (Peronisten) regiert wird und nicht aus seinen Problemen herauskommt, obwohl Argentinien nach dem Krieg einmal eines der reichsten Länder der Welt war.
Ein weiteres negatives Beispiel droht nun Island zu werden, das nun nach einem populistischen Referendum seine Auslandsschulden nicht zahlen will (die entstanden sind, weil der Staat für die Banken des Landes gehaftet hat).
Warum aber sind so viele europäische Regierungen jetzt dafür, Griechenland trotz aller Verbote – oder notfalls um den Preis einer Vertragsänderung – Geld zuzuschieben?
Erstens weil es generell kaum noch Regierungen gibt, die das Wort „Nein“ buchstabieren können, wem gegenüber auch immer. Und zweitens, weil die meisten Regierungen selber viel zu hohe Defizite machen und daher gerne selber die Garantie hätten, dass auch sie und ihr Land letztlich von anderen herausgeboxt würden. Nur wird es nach einer „Rettung“ Griechenlands bald niemanden geben, der sie herausboxen könnte.
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