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So schnell verglühen politische Sterne. Barack Obama ist ein Schulbeispiel für die Vergänglichkeit von politischem Ruhm. Bei den Wahlen vor eineinhalb Jahren hat er noch einen großen Sieg errungen. Heute hingegen sind die meisten demokratischen Politiker bemüht, nur ja nicht als enger Gefolgsmann Obamas zu gelten.
Der Erfolg Obamas bei der Wahl war zwar nicht so überwältigend wie jene seiner Vorgänger Johnson (1964) oder Reagan (1980 und 1984). Aber im Fahrwasser der Obamania hatten die Demokraten die volle Kontrolle über beide Häuser des Kongresses übernommen. Die Europäer haben dem neuen Anti-Bush für seine außenpolitischen Bemühungen auch gleich den Friedensnobelpreis hinterhergeworfen.
Während die Europäer nach wie vor von Obama ziemlich begeistert sind, hat im liberalsten (=linkesten) aller US-Staaten, in Massachusetts, ein völlig unbekannter Republikaner den Senatorensessel gewonnen, den seit 1953 die Kennedys für sich gepachtet haben. Wir sehen Konservative gegen eine Gesundheitsvorsorge wettern, die wir Europäer für selbstverständlich - ja, fast für ein Menschenrecht halten, und die Amerikaner jubeln ihnen zu. Wir sehen aufgebrachte Demonstranten auf sogenannten Tea Partys mit Schildern bewaffnet, die das Gesicht Obamas mit einem Hitler-Bärtchen zieren. In den Souvenirläden gibt es schon mehr Anti- als Pro-Obama-Shirts. Und der Europäer steht verdattert daneben und fragt sich, was zum Kuckuck ist jetzt schon wieder mit diesen Amerikanern los.
Ein Blick in die jüngere Vergangenheit beweist, dass mit außenpolitischen Erfolgen beziehungsweise historischen Reden in den USA kein Blumentopf zu gewinnen ist. Es verzückt zwar die Ostküsten-Intelligenzia, wenn es das alles auch gibt, sie sind aber im Grunde herzlich irrelevant.
Alles, was Herrn und Frau Amerikaner momentan interessiert, ist die Gesundheitsreform. Und eigentlich geht’s auch gar nicht so sehr um Gesundheit als um „State’s Rights“, die große Frage, welche Aufgaben die Regierung in Washington und welche die einzelnen Bundesstaaten haben sollen. Und plötzlich versteht auch der kleine Europäer die ganze Aufregung. Man denke nur, was hierzulande eine umweltfreundliche gesamteuropäische Glühbirne auslösen kann. Bei den Amerikanern geht’s jetzt aber nicht um ungemütliche Beleuchtung, sondern – dramatisch ausgedrückt – um Leib und Leben.
Das Reformgespenst, das seit geraumer Zeit durch die amerikanische Öffentlichkeit geistert, prophezeit jahrelange Wartezeiten auf lebenswichtige Operationen, tote Omas und das Ende des persönlichen Arzt-Patienten-Verhältnisses. Ganz schön gruselig. Darüber hinaus soll das ganze knapp acht Mal so viel kosten wie der Marshall-Plan, mit dem die USA den Wiederaufbau Europas nach dem Krieg gesponsert haben. Aber wen interessieren schon die zusätzlichen 900 Milliarden Dollar für Gesundheit, wenn man bedenkt, dass der amerikanische Steuerzahler in den letzten 16 Monaten über 4 Billionen – also 4.000.000.000.000 – für Bail-outs, Stimulus Package, etc. ausgegeben hat? Hingegen interessiert die höchste Arbeitslosigkeit seit der großen Depression Ende der 1930er das amerikanische Volk ganz gewaltig.
Im November stehen die nächsten großen Kongresswahlen an, die Republikaner werden jubeln, vielleicht auch in drei Jahren, wenn Obama sich der Wiederwahl stellt. Wundern sollte man sich dann jedenfalls nicht.