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Die Italiener trauen sich was

Man konnte in den letzten Wochen europaweit und insbesondere hierzulande fast keine Zeitung aufschlagen, keine ORF-Meldung hören, in der nicht Italiens Silvio Berlusconi eine schwere Niederlage bei den Regionalwahlen prophezeit worden wäre. Täglich hämmerten Skandalmeldungen über Berlusconi auf die Leser und Fernseher ein. Bis nun die großen journalistischen Italienexperten plötzlich verdattert zugeben müssen: Berlusconi hat einen großen Sieg errungen.

Das Regierungslager hat nicht nur seine bisherige Machtstellung gehalten, sondern diese auch in etlichen Regionen ausbauen können, wobei im Norden insbesondere die autonomistische und zuwanderungsfeindliche Lega Nord triumphiert und Berlusconis Partei sogar übertroffen hat.

Wie das? Nun, sich über das einseitige und realitätsferne Wunschdenken vieler Medien zu erregen, ist zwar immer wieder notwendig, aber fast schon langweilig. Viel spannender ist, warum sich die Italiener trotz der Wirtschaftskrise lieber an die amtierende Regierung halten als an die Linke.

Da gibt es wohl mehrere Motive: Primär ist es jedenfalls ein Verdienst Berlusconis, dass Italien angesichts seiner Schlendrian-Tradition derzeit nicht in erster Linie jener EU-Staaten steht, die bankrott-gefährdet sind. Diese Ehrenplätze werden fast nur von sozialdemokratisch regierten Ländern eingenommen. Gleichzeitig hängt die italienische Linke viel zu sehr am Gängelband der Gewerkschaften, die in jenem Land - wie in vielen anderen - immer mehr als die Hauptschuldigen an dem allgemeinen Über-die-Verhältnisse-Leben erkannt werden. Was ja wieder die Hauptursache der Schuldenkrise ist.

Die Medienkampagne gegen Berlusconi hat sich jedenfalls als schädlich erwiesen: Steht doch das voyeuristische Ausbreiten seiner amourösen Affären im Gegensatz zu der freundlichen Diskretion, mit der linke Politiker behandelt werden. Überdies ist Italien längst nicht mehr so verklemmt konservativ, wie manche glauben mögen, dass solche Geschichten wahlentscheidend wären.

Es ist Berlusconi aber auch gelungen, die vielen Fronten als parteipolitisch motiviert erscheinen zu lassen, die Richter und Staatsanwälte gegen ihn eröffnet haben. Ob das wirklich so ist, ist von außen nur schwer beurteilbar. Freilich: Auch wenn da und dort bei der Justiz eine solche Motivation zutreffen dürfte, so ist es doch schwer erträglich, dass ein europäischer Ministerpräsident korrupte Methoden angewendet haben könnte.

Da bleibt die nüchterne Erkenntnis: In der Politik kann man immer nur das geringere Übel wählen. Und das haben die Italiener getan, die sich für den wirtschafts- und gesellschaftspolitisch richtigen Weg entschieden haben, auch wenn man das nur tun konnte, in dem man einen moralisch bedenklichen Kandidaten wählte.

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