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Hurra, die Lehrer werden gefeuert

Eine kleine Geschichte von einem anderen Planeten zum Nachdenken. Er wird USA genannt. Eine Schuldirektorin aus Central Falls (Rhode Islands) - einer sehr armen Gegend - war mit der Tatsache konfrontiert, dass ihre Schüler im Vergleich mit anderen Schulen katastrophal abschnitten und in großem Umfang die Graduierung nicht schafften. Die Schule geriet deshalb auch unter massive Kritik der Behörden. Die Direktorin entwarf einen Plan für eine Gegenoffensive: Jeder Schultag wird um 25 Minuten verlängert, es gibt für einzelne Schüler eine besondere Betreuung nach der Schulzeit, und im Sommer wird zwei Wochen zusätzlich geübt.

Was als nächstes passierte, ist vorerst doch wieder von unserem Planeten: Die Gewerkschaft verlangt 90 Dollar für jede zusätzliche Stunde, die Direktorin bot 30. Man konnte sich nicht einigen. Nach langen Verhandlungen passierte aber nun das Ungeheurliche: Die Direktorin kündigte mit einem Schlag alle Lehrer und das ganze Verwaltungspersonal.

Gewiss, auch in Amerika ist das keineswegs alltäglich. Aber dennoch ist an dieser Geschichte eine ganze Reihe von hierzulande absolut undenkbaren Elementen festzuhalten:


  • Erstens, es gibt ein Ranking der Schulen, das öffentlich bekannt ist. Bei uns hat die Gewerkschaft bisher jedes solches Ranking, jede Vergleichbarkeit verhindert.

  • Zweitens, die Politik übt Druck auf schlechte Schulen aus, besser zu werden. Bei uns wird Druck nur in der Form ausgeübt, dass - wie etwa in Wien - vom Stadtschulrat bis zu den Direktoren Druck auf die Lehrer ausgeübt wird, keine oder nur wenige negative Noten zu vergeben ("Dann haben wir nämlich nächstes Jahr vielleicht eine Klasse weniger").

  • Drittens, niemand kommt in den USA auf die Idee, die Gesellschaft oder das ganze Schulsystem zum Schuldigen für die schlechten Leistungen einer Schule zu machen. Bei uns hat  jeder drittklassige Journalist und fast jeder parlamentarische Hinterbänkler als Universalschuldigen die Gesellschaft zur Hand und insbesondere das gegliederte Schulsystem.

  • Viertens, eine Direktorin sagt: Wenn die Ergebnisse schlecht sind, dann muss mehr und länger gelernt werden. Bei uns hingegen wird die Unterrichtszeit ständig verkürzt (siehe Energiewoche, schulfreie Tage, freie Samstage, Wochenstundenkürzungen).

  • Fünftens, schlechte Ergebnisse bei Rankings werden zur Kenntnis genommen. Bei uns beginnt in solchen Situationen jeder Betroffene eine Grundsatzdiskussion, dass das Ranking, die Vergleichsmethode falsch sei.

  • Und  sechstens: Die Gewerkschaft kann sich nicht durchsetzen, weil in Amerika Lehrer gekündigt werden können - was auch immer wieder geschieht, seit es Ronald Reagan gewagt hat, streikende Fluglotsen zu entlassen. Bei uns ist das absolut undenkbar.


Nun werden manche sagen, dass das amerikanische Schulsystem in Summe auch keine überragenden Ergebniss zustandebringt; und dass das extrem unsozial ist.

Das amerikanische Schulsystem hat natürlich Schwächen, die hängen aber primär mit den großen kulturellen Rückständen der  Einwanderer aus Afrika oder Lateinamerika zusammen (während die ostasiatischen Neoamerikaner die erfolgreichste Gruppe sind, deutlich vor den aus Europa stammenden US-Bürgern). Das amerikanische Schulsystem produziert jedenfalls eine wissenschaftliche Spitze in einer Breite und Qualität, von der wir nur träumen können. Was sich an den Patenten genauso wie an der Zahl der Nobelpreise ablesen lässt.

Und unsozial ist das beschriebene Vorgehen überhaupt nicht. Denn es ist in Wahrheit viel unsozialer, wenn ein System mehr auf die Rechte der Lehrer schaut als auf die Bildungserfolge der Schüler. Wenn eine Gesellschaft  durch das Verhindern von Vergleichsmöglichkeiten zwischen den Schulen sich und die Schüler über deren Wissensstand hinwegtäuscht. Wenn man so tut, als ob durch Einführung der Gesamtschule auch nur eine Schule besser würde.

Finnland, das so oft zitierte Vorbildland, gibt den Schuldirektoren ähnliche Rechte wie die USA. Und es hat viel weniger ethnische Minderheiten, die das Ergebnis von Bildungsbemühungen - und Pisa-Tests - drücken könnten. Könnten die guten Ergebnisse Finnlands nicht primär an diesen Unterschieden liegen und nicht an der von Ideologen so gern bemühten Gesamtschule? Die ja in Deutschland zu viel schlechteren Ergebnissen führt als in den gesamtschulfreien Bundesländern.

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