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Ein europäischer Dammbruch droht

Vielleicht ist im Kanzleramt noch ein bisschen Kleingeld in der Kaffeekasse und jemand kauft Werner Faymann die Financial Times (und übersetzt sie ihm). Dort machte Otmar Issing, einer der seit langem führenden deutschen Ökonomen, klar, warum es ein absoluter Wahnsinn wäre, an finanzielle Hilfe der EU für Griechenland auch nur zu denken. Wie sie Faymann schon gefordert hat.

Issing zufolge ist das eindeutig eine Verletzung der EU-Verträge. (Hinzuzufügen ist: Jener nun mancherors zitierte Paragraph, der solche Hilfe angeblich erlaubt, bezieht sich in Wahrheit auf unverschuldete Naturkatastrophen. Was die jahrelange griechische Schuldenmacherei und Betrügerei wohl nicht ist.) Vor allem macht Issing klar, dass eine solche Hilfe ein "Dammbruch" wäre. Wenn man einem Regelverletzer hilft, dann kann man sie allen anderen auch nicht verweigern. Damit bräche die Glaubwürdigkeit der gesamten Währungsunion zusammen. Und kein Bürger würde verstehen, wenn das Geld der Steuerzahler aus disziplinierten Ländern zur Hilfe für die Regelbrecher verwendet würde. Damit bräche auch die Identifikation mit dem ganzen europäischen Projekt zusammen.

Wenn man schon im Kanzleramt nicht zum Lesen ausländischer Zeitungen imstande ist: Vielleicht liest sie wenigstens in der Krone jemand, damit es dann auch Faymann versteht.

Zurück zu Europas Währung: Diese wird derzeit feixend von all jenen Ausländern - vor allem Amerikanern - beobachtet, die von Anfang an der Meinung waren, eine Währungsunion zwischen souveränen Partnern mit unterschiedlicher Wirtschaftspolitik könne langfristig nicht funktionieren. Und schon gar nicht, wenn in einer Union ein Teil der Länder mitmacht und ein anderer Teil nicht.

Gewiss, lange war das Gründungsprinzip der EU simpel: Die Deutschen zahlen (schließlich müssen sie ja für die Nazis büßen) und die Franzosen und Italiener profitieren. Aber inzwischen sind auch die deutschen Kassen leer: durch die überhöhte Ausgabenfreudigkeit bei der Wiedervereinigung und durch den ständigen Ausbau des Wohlfahrtsstaates.

Dass dieser nun durch ein Urteil des deutschen Verfassungsgerichts noch weiter ausgebaut werden muss (Hartz-IV-Urteil), macht den Ausblick übrigens nicht erfreulicher. Beweist es doch nur, dass auch Deutschland nicht vor der griechischen Krankheit gefeit ist. Die es sogar sofort bekommen wird, wenn den Griechen geholfen werden sollte. Denn: Wie will man den deutschen Arbeitslosen den Regierungsstandpunkt erklären, dass es für sie trotz des Karlsruher Urteils kein zusätzliches Geld gibt, während der griechische Sozialstaat, der die Pension schon mit 63 vorsieht, auf Kosten Deutschlands gerettet wird? Die Deutschen haben bekanntlich schon bei den ersten Anzeichen eines zu hohen Defizit das Pensionsalter auf 67 erhöht.

Das Urteil beweist aber auch weiter, wie sehr inzwischen in vielen Ländern Richter ohne ökonomische Ahnung zu Mittätern am ständigen Ausbau des Wohlfahrtssystems wurden. Auch der Wiener VfGH hat unter dem Stichwort "Vertrauensschutz" diesbezüglich ja schon manch seltsames (und teures) Urteil gefällt. Und in Argentinien sind in den Monaten vor dem Staatsbankrott die verzweifelten Versuche der Regierung, Ausgaben zurückzunehmen, an Richtern gescheitert.

Daher hat auch der FDP-Chef Westerwelle absolut recht, wenn er das jüngste Urteil der Karlsruher Richter scharf attackiert. Seine Worte ("wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspreche, lade zu 'spätrömischer Dekadenz' ein") provozieren zwar. Aber sie stimmen. Übrigens genauso wie Westerwelle absolut unrecht hat, wenn er derzeit eine Chance für eine Steuersenkung sieht und deshalb fast die Koalition scheitern lässt.

Die Menschen sind nur noch mit drastischen Worten aus der Wohlfahrtsstaats-Falle zu retten.

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