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Zwergenland Europa

Jahrelang haben uns die europäischen Regierungschefs eingeredet: Wenn nur endlich der Lissabon-Vertrag durch wäre, dann wäre Europa stark und international handlungsfähig; dann bekäme es eine starke Doppelspitze. Und dann das.

Außer den Regierungschefs und den persönlichen Freunden der beiden nun an diese Spitze avancierten Personen wird es in ganz Europa wohl niemanden geben, der das für eine gute Lösung hält. Wenn Herman van Rompuy, der künftige Präsident des Europäischen Rates, einmal einen Termin bei Barack Obama bekommen sollte, dann darf man jetzt schon das Vokabel "Höflichkeitstermin" dafür verwenden. "Das sind die Leute, die Europa führen", sagte der schwedische Ministerpräsident Reinfeldt - und Kenner des Schweden meinen, in diesem höflichen Satz stecke ein gehöriges Ausmaß an Zynismus.

Denn ein Mann als neuer Chef Europas, der primär "diskret" sein will, der von sich selbst nach Ernennung in diese Funktion sagt "Meine persönliche Meinung ist völlig untergeordnet", der ist sicher nicht das Gesicht, mit dem sich die Europäer identifizieren können. Der Belgier mit dem unbekannten Namen und Gesicht könnte sich mit dieser Einstellung höchstens als Mediator bei Familienzwistigkeiten versuchen. Aber er kann Europa nicht das geben, was es endlich wieder bräuchte und was ihm auch versprochen war: Leadership. Ja er will es offensichtlich nicht einmal versuchen.

Das Schlimme an der Angelegenheit ist, dass sie kein Zufall ist. Die Regierungschefs wollten niemanden, der sie überstrahlt, der sie führt. Sie haben nur immer so getan, als ob sie das wollten. Da sind zwei Spitzenleute, die niemals einen Wahlkampf als Spitzenkandidat geführt haben, gerade richtig. Dabei wären von Tony Blair bis Wolfgang Schüssel mehrere exzellente und starke Persönlichkeiten mit etlicher Regierungserfahrungen und mit Wahlerfolgen zur Verfügung gestanden. Nur das nicht, Menschen mit Ausstrahlung, Menschen mit eigener Meinung! Man stelle sich bloß vor, dann würden die Journalisten nach einer Ratssitzung nicht mehr zu Sarkozy, Merkel oder gar Faymann pilgern, sondern zu einem starken und interessanten Präsidenten.

Die Wahl erinnert an den wichtigsten Vorläufer der EU, an das "Heilige Römische Reich deutscher Nation". Auch in dessen tausendjähriger Geschichte war es für die wählenden Kurfürsten oft das Wichtigste, nur keinen allzu starken Kaiser zu bekommen. Dementsprechend war das Reich meist sehr schwach. Und die diversen Landesfürsten taten, was sie wollten.

Ach ja, dann gibt es auch noch die zweite nunmehr bestellte "Spitzen"-Position, die der neuen Außenkommissarin namens Catherine Ashton. Sie hat nicht einmal Regierungserfahrung, hat keine Erfahrung im Auswärtigen Dienst (obwohl sie nun einen der größten Dienste  der Welt von Null aufbauen soll!), sie spricht schlecht Französisch, dafür ist sie Baronesse und saß einst dem verschmockten Lordklub, dem britischen Oberhaus vor. Die Dame ist erst vor einem Jahr in  die EU-Kommission nachgerückt und kein Mensch hat dort in dieser Zeit je ihre Präsenz bemerkt. Bei Amtsantritt wurde nun ihre Unerfahrenheit öffentlich vermerkt.  Wenn das alles ist, was man für diese in Tausenden Politikerreden als so wichtig gerühmte Position braucht, dann hätte es Hunderte Bessere gegeben. Und zumindest Dutzende mit dem gleichen Geschlecht: Da wären Ursula Plassnik oder Benita Ferrero-Waldner zweifellos um Eckhäuser besser qualifiziert gewesen.

Warum ist es dann Ashton geworden? Genau aus all diesen Gründen. Sie war so unbedeutend, dass niemand einen Grund haben konnte, etwas gegen sie zu haben. Außerdem ist sie Sozialistin und hat das richtige Geschlecht (was für einige Europaratsabgeordnete als der wichtigste Faktor bezeichnet wurde). Und überdies war Werner Faymann mit der Auswahl beauftragt. Da sind bekanntlich Geschlecht und Parteizugehörigkeit so ungefähr alles, was er an selbst Qualifikationen einer Person zu überprüfen geistig imstande ist.

Europa ist tot. Es lebe das Zwergenreich.

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