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Ich habe immer wieder Politiker gegen allzu pauschalierende und verächtliche Angriffe zu verteidigen versucht. In zweierlei Hinsicht muss man heute aber ehrlicherweise katastrophale Entwicklungen feststellen: Erstens bei der wohl nur noch als politische – nicht persönliche – Korruption einzuordnenden immer massiveren Verschiebung öffentlicher Mittel (von Ministerien, ÖBB, Asfinag, ÖIAG und insbesondere Gemeinde Wien) zu bestimmten Medien, um deren Wohlwollen zu kaufen. Und Zweitens bei der progressiv zunehmenden Dummheit und Ahnungslosigkeit.
Die Korruption ist im Tagebuch schon mehrfach aufgespießt worden. Die schlichte Dummheit hingegen ist gerade in letzter Zeit massiv und in erschreckendem Umfang zutage getreten.
Da forderte vor kurzem Gesundheitsminister Alois Stöger eine Verdoppelung der Kapitalertragssteuer von 25 auf 50 Prozent. Was nicht nur verfassungswidrig wäre, sondern Österreich auch eine Finanzkrise bescheren würde, die das letzte Jahr total in den Schatten stellt. Tags darauf erklärt er, er habe nicht die Kapitalertragssteuer gemeint, sondern eine Vermögenszuwachssteuer ...
Woraufhin er von seinem Parteichef Werner Faymann wegen des „Vorpreschens mit unausgesprochenen Ideen“ getadelt wurde. Wenige Tage später ist Stöger aber nun von Faymann selbst mit einem solchen Vorpreschen übertroffen worden: Dieser verlangte angesichts der um 20 Prozent angewachsenen Studentenzahlen Zugangsbeschränkungen: Man müsse jetzt diskutieren, welche Regelungen sinnvoll sind bzw. welche geschaffen werden sollten. Als „gutes Beispiel“ nannte Faymann die Fachhochschulen. (Dort gibt es bekanntlich ein striktes quantitatives Limit, wie viel Studenten aufgenommen werden, die auch streng qualitativ ausgesucht werden.) Faymann weiter: Die hohe Anzahl ausländischer Studenten wäre nicht leistbar.
Einen Tag später wurden diese Aussagen nun von seiner eigenen Sprecherin komplett dementiert: Neue Regeln seien „von uns aus nicht beabsichtigt“.
Peinlicher geht’s nimmer. Natürlich ist Faymann unter dem Druck seiner populistischen Funktionäre umgefallen, die hartnäckig glauben, Österreich können wirklich jedem, der will, gratis und ohne Prüfung seiner Fähigkeiten unendlich lang (fast) jedes Fach studieren lassen. Ist das schon abgrundtief dumm, so ist es von Faymann noch dümmer, offenbar nicht zu wissen, wie die Haltung praktisch seiner gesamten Partei zum Thema Studienzugang ist. Und am dümmsten ist es, in der Öffentlichkeit einen Tag lang so und einen Tag später komplett anders zu plauschen.
Und das ist der Bundeskanzler der Republik.
Die ÖVP steht aber auch nicht viel besser da.
Beim Thema ORF etwa hat sie offenbar bis heute nicht begriffen, dass es da in einer pluralistischen Demokratie primär ums Informations-Programm als wichtigstem Marktplatz der Nation gehen muss. Dort findet ja ein komplett rot-grünes Agenda-Setting statt, das ordnungsliberalen und wertkonservativen Positionen absolut keinen Spielraum gibt.
Die ÖVP glaubt hingegen, das zentrale Problem beim ORF sei ein betriebswirtschaftliches. Sie ist offenbar schon glücklich, wenn die extrem schwache kaufmännische Direktorin – die Feigenblatt-Schwarze im ORF – durch einen anderen Schwarzen ersetzt wird, dessen Berufskarriere aber eine journalistische, keine kaufmännische ist. Und wenn dann auf zwei recht unwichtigen Posten der mittleren Etage unabhängige Bürgerliche durch VP-nähere ausgetauscht werden, ist das Ganze auch bestenfalls ein Pyrrhussieg. Höchstwahrscheinlich aber einfach nur dumm.
Unter dieses Stichwort fällt auch das sich hartnäckig haltende Gerücht über ein ÖVP-Regierungsmitglied, dem bei Amtsantritt erst der Unterschied zwischen Lohn- und Einkommensteuer erklärt werden musste. Da das aber nicht beweisbar ist, bleibe der Name ungenannt.
Und die dreifaltige Opposition? Da hilft nur noch der dickste Mantel des allerinnigsten Schweigens. Denn wenn deren Vorstellungen und Pläne verwirklicht würden, würde der Staatsbankrott wohl noch heuer eintreten.
Schließlich doch noch ein Wort zur relativen Verteidigung der Politiker: Es gibt nämlich auch außerhalb der Politik praktisch keine Infrastruktur, in der relevante Beiträge zur Bekämpfung der kleinstaatlichen Versumperung zu finden wären, aus der eine intelligentere Politik erwachsen könnte: Das reicht von den NGOs, den Medien, dem Fehlen von Think tanks bis zu den Universitätsprofessoren, die sich gerade in diesen Tagen mehrheitlich mit dem lächerlichen Forderungskatalog der Hörsaalbesetzer solidarisch erklären (das könnte auch bloße Feigheit sein, ist aber wohl beides).
Selbstkritisch sollte man sich fragen, ob diese Kritik vielleicht überheblich ist. Zum Glück gibt es aber noch internationale Medien, Wissenschafter, Buchautoren, welche die totale alpine Verdummung noch nicht als globales Phänomen erscheinen lassen, sodass man sich dann selber als intellektueller Geisterfahrer vorkommen müsste.