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Kyoto: Das wahre Desaster

Österreich steht nun als einziger Sünder in der EU am Pranger. Es wird seine Kyoto-Ziele nicht erreichen: eine Nachricht, die für viele schmerzlich klingt, auf die man im Grund aber schon jahrelang gewartet hat. Dies freilich nicht, weil Österreich so umweltverschmutzend ist, sondern weil es so umweltfreundlich war und ist – aber auch verlogen.

Wie das? Österreich war beim klassischen Umweltschutz schon lange ein Spitzenreiter, bevor 1997 die Kyoto-Ziele vereinbart worden sind, den CO2-Ausstoß deutlich unter das Niveau von 1990 zu senken. Aber genau diese alte Vorzugsschüler-Rolle hat dem Land seither geschadet: Denn es war nur schwer möglich, jenes Niveau noch zu unterbieten. Dennoch hat sich Österreich damals und in der Folge in die verlogene Position begeben, wieder einmal besonders vorbildliche Ziele zu haben.

In Kyoto hatten sich die teilnehmenden Industrieländer verpflichtet, ihre – angeblich – für die globale Erwärmung relevanten Emissionen (vor allem CO2) um 5,2 Prozent zu verringern (wobei die USA wohlweislich nicht mitgemacht haben). Dabei ging man aber von dem viel niedrigeren Niveau 1990 aus, das 1997 von vielen bereits weit übertroffen war. Der EU genügte dieses ambitionierte Ziel noch immer nicht: Sie versprach ein Minus von 8 Prozent. Und Österreich genügte auch das noch immer nicht: Es versprach sogar ein Minus von 13 Prozent.

Wie konnte es zu all dem kommen? Ganz einfach: Bei solchen internationalen Konferenzen sitzen neben den Diplomaten (die meist gar keine eigene Meinung haben) in der Regel nur die zuständigen Fachminister, also in diesem Fall die Umweltminister. Und die freuen sich natürlich, wenn sie unter sich sind und sich gegenseitig an verbalen Ambitionen übertreffen können. Die Anbindung an die Realitäten und die wirtschaftlichen Gegebenheiten ist da offenbar nicht mehr so wichtig. Jedenfalls viel weniger als im innerstaatlichen Willensbildungsprozess.

In der Tat lobten sich Österreich und die zuständigen (schwarzen) Minister nachher lange für diese hehren Vorgaben – wobei natürlich den Grünen und den einschlägigen NGOs sowieso alles immer zuwenig war.

Nur vergaßen die Österreicher wie auch die Umweltminister Bartenstein, Pröll, Berlakovich eine Kleinigkeit: die Kluft zwischen unrealistischen Ankündigungen und widerspenstigen Realitäten zu schließen. Denn dazu hätte man sehr unpopuläre Maßnahmen setzen müssen – und schließlich will jede Partei wiedergewählt werden.

Sie vergaßen aber noch etwas zweites: Während sich etwa die USA bis heute – trotz aller Obamania – zu nichts Verbindlichem verpflichtet haben, muss Österreich auf Grund des EU-Rechts fette Strafen in Milliarden-Dimensionen zahlen, wenn es seine Ziele nicht erreicht.

Während die Deutschen ihr (noch höheres) Ziel leicht erreichen konnten, weil sie viele (meist sehr energieintensive und -verschwenderische) Industrien in den neuen Bundesländern sowieso zusperren mussten, gab es in Österreich nichts zum Zusperren. Der industrielle Energie-Standard war schon 1990 sehr effizient. Daher hätte jede weitere Maßnahme den zusätzlichen Verlust von Arbeitsplätzen bedeutet, etwa in der Zement- oder Stahlindustrie. Oder das schlichte Verbot des Autofahrens. Oder die Zerstörung des Stadtbildes, indem man die schönen Gründerzeitbauten in dicke Wärme-Isolierplatten gehüllt hätte.

Gewiss wäre die Bilanz eine Spur besser gewesen, wenn der öffentliche Nahverkehr – etwa durch eine Privatisierung der ÖBB – effizienter geworden wäre. Gewiss wäre die Bilanz auch besser gewesen, wenn man mit viel höheren Mauten auf Brenner & Co den Transitverkehr reduziert hätte. Aber das verhindern wieder andere EU-Regeln.

Natürlich schadet Österreich – wenn man diese Kyoto-Ziele schon unterschrieben hat – auch der Verzicht auf Atomkraftwerke, die ja eine viel bessere Kyoto-Bilanz haben als etwa Gaskraftwerke. Auch schadet die Tatsache, dass hierzulande fast alle Wasserkraftwerke schon vor 1990 gebaut worden sind, dass also die mit Wasserkraft erzielbaren Einsparungen gleichsam schon in der Vor-Kyoto-Zeit konsumiert waren. Dazu kommt, dass dieselben Grünen und NGOs auch jedes Wasserkraftwerk vehement bekämpft haben, die sich jetzt über Österreichs schlechte Kyoto-Bilanz so erregen.

Der Ausbau von Alternativenergien in der derzeit üblichen Form ist jedenfalls ein Irrweg. Solar- und Windkraftwerke sind noch lange nicht konkurrenzfähig, sondern brauchen massive Subventionen (auf Kosten aller Stromkonsumenten). Sie liefern den Strom auch nur sehr unregelmäßig, sodass man all ihre Energie fast nicht direkt ins Netz speisen kann, sondern meist nur über den Umweg eines riesigen Wasserkraftwerkes samt Speicher irgendwo in den Alpen.

Und von der Landschaftsverschandelung durch Windkraftwerke wird offenbar gar nicht mehr geredet. Sie sind zweifellos heute schon der flächenmäßig größte Eingriff in Europas Naturlandschaften. Was interessanterweise all jene nicht stört, die sonst Kampagnen für jeden Frosch-Laichplatz inszenieren.

Die einzige wirkliche positive Auswirkungen auf die heimische CO2-Bilanz hatte ein sehr negatives Ereignis: die Wirtschaftskrise. Diese hat zu deutlichen Reduktionen im Energie-Verbrauch geführt. Sollen wir uns nun wünschen, dass die Krise bis 2012 anhält, damit Österreich doch noch unbestraft davonkommt?

Wir sollten uns wohl etwas ganz anderes wünschen: Politiker, die nicht ob kurzfristigen Beifalls ihren gesunden Menschenverstand aufgeben, die vor allem längerfristig denken – auch bis zu jenem Zeitpunkt, da sie populistische Verpflichtungen eingehen. Aber über den nächsten Wahltag geht ihr Denken ja fast nie hinaus: In der Kyoto-Frage genauso wenig wie in der Pensions- und Hacklerfrage. Zugleich versprechen sie – immer nur langfristig – unhaltbare Steigerungen der Budgetausgaben, etwa für Forschung, Wissenschaft, Kindergärten,  Grundsicherung, Entwicklungshilfe.

Das alles hält den jetzigen Umweltminister nicht davon ab, für die Nach-Kyoto-Phase schon wieder weitere gigantische CO2-Reduktionen durch die EU und damit auch Österreich anzukündigen. Dies freilich in der Gewissheit, dass die Versprechungen erst zu einem Zeitpunkt fällig werden, wenn schon längst ganz andere an der Macht sind.

Zu vermessen wäre wohl der Wunsch, dass wir Politiker bekämen, die sich die Grundlagen der ganzen CO2-Hysterie einmal sehr kritisch anschauen – und sich nicht blind von all jenen da hineinhetzen lassen, die selbst davon profitieren.

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