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Nach dem soeben ergangenen Urteil des tschechischen Verfassungsgerichts liegt dem EU-Vertrag nichts mehr im Weg. Die EU jubelt. Die Skeptiker bleiben Skeptiker. Und die Sudentendeutschen sind deprimiert. Was heißt das alles nun wirklich?
Es ist recht ambivalent, was sich da zuletzt in Prag abgespielt hat, unter einigen Kaisern immerhin die Metropole des einstigen Reiches. Vaclav Klaus hat durch seine Veto-Drohung seinen politischen Stellenwert erhöhen können – obwohl er zweifellos von Anfang an gewusst hat, dass er alleine nicht imstande sein wird, den Vertrag aufzuhalten.
Er hatte aber auch ernsthafte Motive für seine Bremsmanöver: urliberale und nationalistische.
Die von Klaus spät gezogene Nationalismus-Karte bedeutet in Prag immer die Angst vor den vertriebenen Deutschen. Klaus hat nun die Zusage erreicht, dass Tschechien im Zuge des nächsten EU-Vertrages (der vermutlich für den kroatischen Beitritt durch alle Länderparlamente zu ratifizieren sein wird) eine Befreiung von den Grundrechten bekommen wird, damit die Vertriebenen daraus keine Ansprüche ableiten können.
Das ist aber in Wahrheit ein Pyrrhus-Sieg: Denn einerseits sind sich die meisten Experten einig, dass die Grundrechte-Charta den Vertriebenen (und heute schon überwiegend: deren Nachkommen) ohnedies keine große Chance auf ihr altes Eigentum oder Entschädigungen gibt.
Andererseits hat Klaus aber mit seiner jüngsten Argumentation indirekt, aber doch offener und schlüssiger denn je eines zugegeben: Dass die Vertreibung und Enteignung von rund 3,5 Millionen Deutschen nach dem Krieg ein schweres Unrecht war. Wäre es das nicht gewesen, dann hätte er sich ja nicht so vor der Überprüfung durch internationale Gerichte fürchten müssen.
Der Sieg des Vaclav Klaus ist überdies auch nur ein sehr vorläufiger: Was tut er etwa, wenn sich beim Kroatien-Beitritt eine Regierung weigert, die tschechische Klausel mitzuratifizieren? Aus Berlin und Wien ist solches zwar nicht zu erwarten. Hingegen hat Ungarns rechte Opposition schon ein Veto dagegen angekündigt; diese Opposition wird aber nach aller Wahrscheinlichkeit zum Zeitpunkt des Kroatien-Vertrages längst durch einen Erdrutschsieg an die Macht gekommen sein. Und auch die Ungarn wurden ja, was viele vergessen haben, nach dem Krieg von den slawischen Nachbarstaaten alles andere als gut behandelt.
Noch eines sollte klar sein: Bis zur Rechtskraft des Kroatien-Vertrages bleibt auch für Tschechien die Grundrechts-Charta gültig. Das wird zweifellos gute Juristen motivieren, trotz aller ungünstigen Prognosen noch schnell mit allen Mittel zu versuchen, den Vertriebenen vor dem EU-Gerichtshof zu einer Entschädigung zu verhelfen.
Will man die Dinge hingegen optimistisch sehen, dann könnte durch die Klaus-Aktion vielleicht auch einer guten Lösung für jenes alte Unrecht der Weg bereitet werden (wäre nicht die Versuchung für Politiker und Boulevardzeitungen aller Seiten zu groß, immer wieder mit dem Schüren alter Emotionen zu agieren): Die tschechische Seite könnte in einer Art Wahrheitskommission offen und deutlich die Vorgänge rund um die Vertreibung als schweres Unrecht anerkennen und sich bei den Deutschen für den gemeinsamen Aufbau des Landes vom frühen Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert bedanken; die deutsche und österreichische Seite sowie die Vertriebenenverbände könnten umgekehrt in einem rechtsverbindlichen Vertrag auf alle Kompensationen verzichten.
Viel mehr Verständnis kann man für die in den letzten Wochen in den Hintergrund getretene Kritik des Vaclav Klaus an der EU und dem neuen Vertrag haben. Denn der neue Vertrag macht erstens die Union alles andere als funktionstüchtig: Wetten, dass spätestens im zweiten Jahr ein veritabler Machtkampf zwischen dem Kommissions- und dem neuen Rats-Präsidenten in Gang sein wird?
Zweitens hat sich die EU in den letzten ein bis zwei Dekaden zu einem überregulierenden Monster entwickelt, von dem Klaus mit guten Argumenten fürchtet, dass es nach dem Lissabon-Vertrag noch viel ärger wird. Denn die EU predigt am Sonntag die Subsidiarität sowie das „Europa der Bürger“ und bringt von Montag bis Freitag täglich eine neue Richtlinie heraus, welche die Bürger und die in Europa tätigen Unternehmen immer mehr reguliert und entmündigt.
Die EU rückt dadurch ihre eindeutig positive Rolle zur Stärkung der europäischen Wirtschaft und zur Sicherung unseres Wohlstandes in den Hintergrund. Diese Rolle bestand einst in der Schaffung eines großen und starken Binnenmarktes und einer starken Währung, sowie im Abbau von offenen und versteckten Handelshemmnissen.
Das hängt wohl auch damit zusammen, dass in den europäischen Apparat inzwischen sehr viele interventionistisch und regulationswütig gesinnte Menschen eingesickert sind, während die Anhänger der Freiheit und die Deregulierer an Macht verloren haben. Das war wohl der bittere Preis dafür, dass die ursprünglich EU-feindlichen Teile der Linken und insbesondere die Grünen ihren Frieden mit der EU gemacht haben.