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1989: Jahr der europäischen Freude und der österreichischen Schande

Es sind ergreifende Bilder, die uns derzeit überall an den Fall der Mauer und den Zusammenbruch der Diktaturen im Osten Europas erinnern. Jenseits der Event-Berichterstattung wird aber rundum allen unangenehmen Wahrheiten aus dem Weg gegangen. Vor allem von denjenigen, die in Hinblick auf ein anderes Mega-Verbrechen der Geschichte den Vorwurf der „unbewältigten Vergangenheit“ zu ihrem politischen Hauptberuf gemacht haben. Erfolgreich sind die Geschichtsverdränger auch in Hinblick auf österreichische Fehlleistungen.

Denn nirgendwo wird an das blamable Fehlverhalten von SPÖ und ÖGB rund um den Zusammenbruch des Kommunismus auch nur erinnert. Von Anton Benya bis Franz Vranitzky finden sich in den alten Akten aber demonstrative Solidaritätssignale an die alten Diktatoren. Und zwar auch zu einem Zeitpunkt, da politische Intelligenz schon die schweren Erschütterungen im osteuropäischen Gebälk erkennen konnte.

So hatte der ÖGB am Beginn  der 80er Jahre die Beziehungen zu den offiziellen Staatsgewerkschaften in Polen forciert und betont - obwohl damals die Solidarnosc, die frei gegründete Oppositionsgewerkschaft, schon Millionen Polen mobilisiert hat. Aber ÖGB-Chef Anton Benya waren unabhängige Gewerkschaften offenbar ein Gräuel.

Ebenso peinlich war das Festklammern von Bundeskanzler und SPÖ-Chef Franz Vranitzky an der stalinistischen Führung der Tschechoslowakei. Er war der allerletzte Politiker der Welt, der noch Ende Oktober 1989 den tschechoslowakischen Ministerpräsidenten Ladislav Adamek zu einem offiziellen Besuch empfing. Was in den tschechoslowakischen Medien als Signal „noch besserer Beziehungen zu Österreich“ und „gegenseitigen Respektes“ gefeiert wurde. Und bei Vranitzky Lob für die „gutnachbarschaftlichen Beziehungen“ auslöste, so wie er ein Jahr vorher bei einem Prag-Besuch von einer „grundlegend positiven Einstellung Österreichs gegenüber der CSSR“ gesprochen hatte.

Im Oktober 1989 waren hingegen Ungarn und Polen bereits in kleinen Schritten ins demokratische Lager gewechselt (aus Österreich haben sich freilich nur Erhard Busek, Alois Mock und die Paneuropa-Bewegung für die demokratischen Vorkämpfer engagiert). Und einen Monat später war die Friedhofsruhe der Prager Altkommunisten von der samtenen Revolution hinweggefegt gewesen.

Auch der Fall der Mauer löste bei Vranitzky seltsame Reaktionen aus. Denn er formulierte: „Für Österreich sei es wichtig zu erkennen, dass die helfenden und zusammenarbeitenden Hände in Richtung Osteuropas ausgestreckt werden müssen; dies gelte insbesondere für die DDR, einen der wichtigsten Handelspartner Österreichs. Es gelte, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die gute Außen- und Wirtschaftspolitik fortzusetzen“. Das alles NACH dem Fall der Mauer. Dementsprechend dauerte es auch bei der DDR nicht lange, und es gab keinen Partner mehr für diese „gute“ Außenpolitik. Und eine gute Wirtschaftspolitik der DDR hat außer Vranitzky auch schon vorher niemand gesehen.

Diese DDR-Liebe war in der SPÖ aber nicht nur auf Vranitzky beschränkt. So schrieb der damalige österreichische Botschafter Fritz Bauer, ein deklarierter SPÖ-Mann, in seinen Erinnerungen: „Wir haben weder gegen die Wiedervereinigung agitiert, noch haben wir sie in einem gewissen Zeitpunkt besonders begrüßt.“  Deutlicher geht es bei einem Diplomaten kaum.

Der Ex-Banker und Ex-Androsch-Sekretär Vranitzky war aber nicht lernfähig. Er beging 1991 beim Zerfall Jugoslawiens noch einmal denselben Fehler: Er lud noch im März den jugoslawischen Ministerpräsidenten Ante Markovic nach Österreich und lobte ihn als den „offiziellen Ansprechpartner Österreichs“, während in Slowenien und Kroatien schon die Vorbereitungen zur Unabhängigkeit in vollem Gang waren. Worüber alle Welt berichtete.

Vranitzky jedoch empfahl den damaligen Teilrepubliken Jugoslawien, sich zu einigen und unterstrich: „Jugoslawien ist für Österreich ein guter und geschätzter Nachbar.“ Er tadelte sogar seinen Parteifreund Peter Jankowitsch, einen wirklichen und undogmatischen Außenpolitik-Experten, der als Staatssekretär damals eine Internationalisierung der jugoslawischen Krise empfohlen hatte. Vranitzky zufolge waren das hingegen alles interne Angelegenheiten Jugoslawiens. Eine katastrophale Fehleinschätzung, die am Rande Mitschuld daran trug, dass Belgrad  im Sommer des Jahres den Krieg wagte, der Hunderttausenden das Leben gekostet hat.

Es gibt also gute Gründe, weshalb die Vergangenheitsbewältigung der SPÖ in der Regel bei 1945 aufhört. Alles Spätere wird einfach ignoriert. So wie Österreichs Schülern die Tatsache meist vorenthalten wird, dass der Kommunismus weltweit im Lauf der Jahrzehnte mindestens 80 Millionen Todesopfer auf dem Gewissen hat. Ähnlich ignorieren die Sozialdemokraten und die Armin Wolfs unserer Medien, die heuer ständig und freudig ein Ende der Marktwirtschaft verkündet haben, dass der Kommunismus vor allem an seinem völligen wirtschaftlichen Versagen kollabiert ist.

Haben sich in der SPÖ – nachdem man aufrechte Demokraten wie Franz Olah ausgeschlossen und verfolgt hat – offenbar die alte Gemeinsamkeiten mit den Kommunisten ausgewirkt? Immerhin haben die Sozialdemokraten sehr rasch alt-, reform-, exkommunistische Parteien in ihre Internationalen Verbände aufgenommen. Und immerhin nimmt jetzt der SPD-Ministerpräsident in Brandenburg vier ehemalige Stasi-Agenten in die neue Landesregierung auf. Also Menschen, die ihre Umwelt ausspioniert und der brutalen Verfolgung des Regimes überantwortet haben.

Das ist im Grunde nicht viel anders, als hätte man einst Gestapo-Agenten in eine Regierung aufgenommen. Bruno Kreiskys hatte zwar zeitweise vier bekannte Ex-Nazis in seiner Regierung. Aber zur menschlichen und moralischen Widerlichkeit eines Gestapo- oder Stasi-Agenten ist da noch ein weiter Weg.

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