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Populär und reformarm

Es ist bedrückend, wie wenig Spielraum heute Regierungen für notwendige Entscheidungen haben. Oder genauer: zu haben glauben. Das zeigt nun auch der Start von Schwarz-Gelb in Deutschland.

Jahrelang haben die Rechtsparteien signalisiert, was sie in einer gemeinsamen Ehe alles besser machen würden als unter Teilnahme der SPD; sie haben dabei auch im Prinzip immer wieder auf die richtigen Schwachstellen des Landes hingewiesen. In der Stunde der Wahrheit ist von diesen Reformansätzen aber nicht mehr viel übriggeblieben.

Letztlich zeigen alle drei Regierungsparteien in gleicher Weise Angst, unpopulär zu werden. Sie haben daher nur die angenehmen Seiten einer liberalkonservativen Reform, wie etwa eine Steuersenkung, auf die Agenda gesetzt. Unangenehme Notwendigkeiten, die Einsparungen, blieben in der schmerzfreien Theorie hängen. Lediglich im Gesundheitssektor gibt es einen ernsthaften wie auch interessanten Reformansatz, bei dem man aber noch auf die konkreten Details warten sollte.

Daher steuert Deutschland wie viele andere Länder mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit auf eine neuerliche Finanzkrise zu. Denn die Hoffnung, dass ein durch die Steuersenkung angekurbelter Wirtschaftsboom die Kosten dieser Senkung gleich wieder finanzieren werde, ist sehr gering. Das könnte in guten Zeiten gelingen, aber nicht, wenn Deutschland ohnedies schon vor einem klaffenden  Finanzloch sitzt. Entstanden durch die Konjunkturkrise, durch die Bankenrettung, durch die Opel-Rettung, durch die Verschrottungsprämie.

Wenn es aber auch ein Stück Hoffnung durch die neue Konstellation gibt, dann durch den neuen Finanzminister, durch den starken Mann im Rollstuhl. Wolfgang Schäuble hat das Zeug dazu, trotz allen Populismus rings um ihn auf die Finanzen der Nation zu achten. Er hat wohl von allen Politikern trotz oder vielleicht gerade wegen seiner Behinderung das härteste Rückgrat - ähnlich wie sein Vorgänger Peer Steinbrück, aber ohne dessen Hang zur Unhöflichkeit.

Das Gewicht Schäubles – oder die Klugheit der Bundeskanzlerin – zeigt sich auch daran, dass er ja eigentlich ein innerparteilicher Opponent Angela Merkels gewesen ist. Das ist eine Konstellation, die normalerweise die spätere Aufnahme in eine Regierung verhindert und den Abgang ins politische Nirwana garantiert. Siehe in Österreich das Aus für Karl Schlögl, Caspar Einem, Wolfgang Schüssel oder Wilhelm Molterer nach einem innerparteilichen Machtkampf und Machtwechsel.

Insgesamt hat sich  wieder einmal der alte Spruch des Friedrich August von Hayek bewahrheitet, der in allen Parteien Sozialdemokraten geortet hat. Insbesondere Merkel selbst muss sich seit einiger Zeit in diese Gruppe zählen lassen. Die Reformkraft, mit der sie als junge Parteichefin angetreten war, ist verflogen. Ihr scheint nur noch wichtig zu sein, dass sie Kanzlerin bleibt. Was Geheim-Sozialdemokratin umso leichter fällt, da sich die offiziellen Sozialdemokraten in einer totalen Orientierungskrise befinden.

Auch Ehrlichkeit zeichnet den Neustart in Berlin nicht wirklich aus. Haben die Koalitionsverhandler doch ernsthaft eine Zeitlang vorgehabt, über einen „Schattenhaushalt“ die Höhe des Defizits zu verstecken. Und diesen Plan erst nach öffentlichem Protest zurückgezogen.

Freilich: Das Verstecken von Schulden wird auch in anderen Ländern, etwa in Österreich, gerne praktiziert. Kein Menschen weiß, wie hoch die – ja immer nur scheinbar – ausgelagerten Schulden der Alpenrepublik sind. Hunderte unterschiedliche Konstruktionen wie die Bahn, der Autobahnbau oder alle Ansprüche aus schon eingezahlten Pensionsbeiträgen würden schon heute eine schockierende Gesamtbilanz voller ungedeckter Schecks ergeben.

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