Wozu noch FPÖ wählen? Eine Replik

Vielleicht sollte man diesen Artikel zur Tagespolitik aus der Feder eines Historikers "nicht einmal ignorieren" – aber österreichische Zeitungen fanden es wert, ihn weiterzureichen an ihr Lesepublikum. Dies vielleicht, um doppelt zu schaden: einerseits natürlich der FPÖ an sich und mit dem Hintergedanken: Seht mal, wen die "in mehreren Positionen beratend tätig" hatte, so ein Begleittext, und andererseits dem Verfasser des Artikels zum Nachteil. Denn er ehrt diesen als Wissenschafter nur wenig.

Polemik braucht dazu gar nicht ins Feld geführt zu werden wie "Alberich von Radenthein" und dass dieser "offenbar Pferde liebt". Aber der Widersprüche und Fehlvermutungen sind einfach zu viele. Da wird besagtem pferdeliebenden Alberich flugs bescheinig, dass er einerseits "zweifelsohne [!!] intelligent" ist, aber sogleich zweieinhalb Zeilen weiter, dass sich seine Haltung "logisch (…) nicht erklären" lässt. Und weil dem so ist – "logisch lässt sich die Sache nicht erklären" –, muss Kickls Handlungsweise "Experten aus anderen Fachgebieten überlassen bleiben" – sie werden also eingeladen, unlogische Erklärungen zu liefern!

Welches "Fachgebiet" hat eigentlich unser Verfasser vor Auge? Vielleicht sein eigenes, nämlich die Geschichtswissenschaft? Man ist darob ein wenig verunsichert angesichts nicht der Deutung von Vergangenem, wie es dem Historiker ziemt, sondern der Zukunft. Nicht dass Historiker das nicht schon immer gemacht hätten – nur hats dann oft nicht gestimmt. Und wieso soll "Kanzleramt und Finanzministerium" für die FPÖ eine "aller Voraussicht nach nie wiederkehrende Chance" gewesen sein, wieso weiß unser Historiker, dass "anderthalb Millionen Wähler der FPÖ" jetzt "enttäuscht" sind, dass Kickl "esse delendam" (angesichts einer Umfrage nach der 50% Kickl zustimmten), dass viele "Ärgernisse" nun "wegen der Marotten von Herrn Kickl vermutlich leider bestehen bleiben" werden.

Nicht nur hier frägt man sich doch: "Wozu noch ÖVP wählen?" Hat diese am Geschehenen keinerlei Anteil? Auch angesichts der von unserem Verfasser beschworenen "seit Jahr und Tag bestehenden bürgerlichen Mehrheit im Land"? Und daher verhandelt nun die ÖVP mit der SPÖ; ging auch in Gemeinden "Koalitionen" mit den Grünen ein?

Und immer wieder: Hat unser Verfasser das Wahlergebnis vergessen oder bedeutet es ihm nichts? Wahlsieger war die FPÖ, nicht die ÖVP und auch nicht die SPÖ! Aber die allzu strapazierte intellektuelle Spielerei mit dem "internationalen Umfeld" ist eben bestechender als innenpolitische Fakten. Zu diesen gehört ganz entscheidend, was die Geschichte belegt, dass das Innenministerium ein, manchmal sogar das Schlüsselministerium gewesen ist. Und das soll nicht der Gewinner der Wahl in Anspruch nehmen, es soll nicht ihm zufallen?

Dies und vor allem die demokratische Entscheidung nicht entsprechend berücksichtigt zu haben zählen zu den Hauptkritikpunkten an "Wozu noch FPÖ wählen". Das "internationale Umfeld", von der Innenpolitik kaum beeinflussbar, strapazieren übrigens nicht nur manche Historiker gerne, sondern dies taten auch historische Personen als Flucht in die Außenpolitik: Napoleon III. beispielsweise fiel damit mehrfach auf die Nase.

 

o.Univ.-Prof.em. Dr. Wilhelm Brauneder war Abgeordneter zum Nationalrat (FPÖ) und Dritter Nationalratspräsident. (Der Text "Wozu noch FPÖ wählen?" erschien am 14. Februar im Tagebuch)      

zur Übersicht

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)

Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print




© 2025 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung