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Deutschland am Weg nach Frankreich

Der "Economist" hat es mit  "A messy german election" gut zusammengefasst. Dieses deutsche Wahlergebnis hat aber dennoch klare Folgen. Die bestehen nicht nur darin, dass - wie erwartet - der nächste deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz heißen wird; dass die deutschen Sozialdemokraten trotz des schlechtesten Wahlergebnisses seit ihrem Bestehen mit absoluter Sicherheit den Vizekanzler stellen werden; dass die ständig zwischen links und rechts pendelnde FDP von den Wählern aus dem Bundestag geschmissen wurden. Die Folgen bestehen vielmehr auch in der Erkenntnis, wo die wahren Wahlsieger zu finden sind.

Die befinden sich nämlich am rechten und linken Rand des Wählerspektrums. Zwar feiert in der Mitte die CDU/CSU, dass sie klare Nummer eins geworden ist und dass sie 4,4 Prozentpunkte dazugewonnen hat. Jedoch liegt sie mit 28,5 Prozent schlechter als bei den meisten Umfragen, die ihr in den letzten Wochen bis zu 32 Prozent prophezeit haben. Vor allem bedeuten diese 28,5 Prozent das zweitschlechteste Ergebnis in der ganzen Geschichte der CDU.

Im Klartext: Die Union ist von Angela Merkel – oder genauer von ihrer Politik der Grenzöffnung für illegale Migranten und vom Beschluss der Abschaltung der Atomkraftwerke – so nachhaltig zertrümmert worden, dass sie seither zu einer Mittelpartei abgesunken ist. Daran konnte auch Merkels langjähriger Gegenspieler Friedrich Merz jetzt nicht wirklich etwas ändern. Er lieferte zwar persönlich einen starken Auftritt, kann aber keine strategische Änderungsperspektive vermitteln. Denn sein Kurs lässt sich auf den Satz reduzieren: "Für immer Schwarz-Rot, und eventuell dazu auch noch mit den Grünen." Das könnte freilich auch Merkel gedacht haben.

Diese drei Parteien behaupten einfach, sie seien die einzigen demokratischen und hätten daher das ewige Recht zu regieren. Ja, sogar die Pflicht dazu.

Es ist aber in Wahrheit absolut undemokratisch, wenn immer die gleichen Parteien einen ewigen moralischen Machtanspruch für sich postulieren – unabhängig vom Wahlergebnis. Das erkennen auch immer mehr deutsche Wähler. Sie haben daher genau jene Parteien, die die "demokratischen Parteien" durch diese moralistische Lüge dauerhaft ausschließen wollen, zu den wahren Wahlsiegern gemacht.

Die Parteiendemokratie besteht vor allem darin, dass die Wähler eine Regierung abwählen und regelmäßig etwas anderes probieren können. Es genügt ihnen nicht, lediglich entscheiden zu können, ob einmal die Roten und einmal die Schwarzen den Kanzler in der immer gleichen Regierungskoalition stellen.

Genau aus diesem Grund haben die AfD und die beiden Linksaußenparteien – das Wagenknecht-Bündnis BSW und die Linke – die weitaus größten Zugewinne:

  • Die "Alternative für Deutschland" hat sich buchstäblich verdoppeln können: Sie hat zu ihren 10,3 nun 10,5 Prozent dazugewonnen. Ein gigantischer Erfolg, gegen den jener der CDU eigentlich verblasst.
  • Ähnlich gewaltig ist aber auch der Erfolg der beiden Linksaußenparteien, die sich ja erst vor ein bis zwei Jahren gespalten haben. Sie sind gemeinsam direkte Rechtsnachfolger der ostdeutschen Kommunisten, vor allem die Linkspartei, die nach dem Wahltag zu Recht jubelt. Gemeinsam haben die beiden 8,8 Prozent zu den 4,9 Prozent dazugewonnen, die sie in einer gemeinsamen Liste bei den letzten Wahlen hatten.
  • Noch dramatischer wird der Radikalisierungstrend dieses Wahlergebnis beim Blick auf die Jungwähler: Diese haben sich noch viel stärker, als schon der Blick auf das Gesamtergebnis zeigt, nach links und rechts außen begeben.
  • Darin spiegelt sich nicht nur eine gefährliche Zukunft für Schwarz, Rot und Grün, die sich präpotent als die einzigen Demokraten bezeichnen. Das lässt vor allem auch eine gefährliche Polarisierung unter den Jungen erkennen, die sich schon in fast jedem Klassenzimmer und in jeder zweiten Familie – auch in Österreich – abspielt.

Diese Polarisierung hat extrem klare Ursachen:

  1. Wie soll da vor allem für die Jungen Politik einen Rest an Glaubwürdigkeit behalten, wenn einerseits wochenlang rote und grüne Parteien ihre Anhänger zu aggressiven Massendemonstrationen gegen die CDU und ihre Parteilokale mobilisieren, wenn andererseits genau diese Parteien schon vor dem Wahltag de facto klar sagen, dass sie nachher miteinander koalieren werden und alles andere praktisch ausschließen?
  2. Wie soll da die CDU glaubwürdig sein, wenn sie fast am gleichen Tag, da sie im Bundestag mit der AfD für Gesetze zu einer strengeren Asylpolitik stimmt, gleichzeitig den Wählern versichert, dass sie jede Kooperation mit der AfD ablehnt?
  3. Wie will die CDU glaubwürdig sein, wenn sie ausgerechnet mit jener Partei, deren Wahlprogramm die größten Schnittmengen mit ihrem hat, eine Koalition am vehementesten ausschließt, wenn sie also damit konkludent zugibt, dass sie das eigene Wahlprogramm eigentlich nicht ernst meint?
  4. Wie soll da die CDU glaubwürdig sein, wenn sie mit großer Energie die Migrationspolitik und die Wirtschaftspolitik der Ampel kritisiert, wenn sie aber alle anderen Varianten ausschließt als eine Koalition mit den beiden Ampelparteien Rot und Grün, die haargenau für diesen Kurs hauptverantwortlich sind?
  5. Wie will da die SPD glaubwürdig sein, wenn ihr Parteivorsitzender einmal mit der Merkel-CDU koaliert, dann nahtlos in eine Ampel ohne CDU übergeht und dann wieder ohne Probleme zur CDU zurückpendelt?

Das ist alles viel zu verlogen. Das ist den Menschen immer weniger zumutbar, den jungen schon gar nicht.

Es ist daher kein Wunder, wenn man von Schwarz bis Rot schon in den ersten Stunden nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses vor den nächsten Wahlen im Jahr 2029 zu bangen begonnen hat. Dann wird mit Sicherheit, sofern Schwarz und Rot (mit oder ohne Grün) überhaupt so lange ihren Pakt der verzweifelten Nothilfe unter Feinden durchhalten sollten, die Polarisierung an der Urne noch viel deutlicher werden.

Niemand soll sagen: Es wird sich schon ein Weg finden, wie sich ja immer ein Weg gefunden hat. Das stimmt nicht. Etwa Frankreich zeigt, dass bei einer Polarisierung ein Land weitgehend stehenbleibt. In Frankreich ist eine solche Polarisierung längst mehrheitsfähig geworden. Die Linke und die Rechte haben dort zusammen längst eine riesige Mehrheit – nur wollen sie diese (noch?) nicht aktivieren. Daher werden regelmäßig mit Misstrauensvoten Regierungen gestürzt.

Präsident Emmanuel Macron hat lange Links und Rechts gegeneinander ausspielen wollen. Er hat es dadurch aber natürlich keiner Seite rechttun können und ist in der Mitte übrig geblieben. Jetzt agieren dort seine provisorischen Regierungen absolut hilflos, während Links und Rechts zusammen im Parlament seit dem Vorjahr die absolute Mehrheit haben – nur können und wollen sie diese halt nicht zusammen nutzen. Die Mitte (Macronisten und Republikaner) hat zusammen nur noch 27 Prozent und muss ständig die beiden Seiten anbetteln, sie doch nicht zu stürzen. Vor allem die Rechtsparteien haben (als klare Reaktion auf die Bedrohung durch den Islamismus) nicht nur bei den Wahlen im vergangenen Sommer stark dazugewonnen, sondern auch seither massiv zugelegt.

Das Land ist unregierbar geworden, solange der Präsident und seine Parteienbasis sich nicht für ein Zusammengehen mit der Rechten oder Linken entschließen. Was Macron aber keinesfalls will. Seine Versuche, die Gemäßigteren von der radikalen Rechten oder Linken herauszubrechen, sind aber nach kurzen Anläufen gescheitert. Das Land produziert massive Defizite, keine Reform kommt zustande und auch die Unterstützung für die Ukraine und die Nato ist bedroht. Nichts geht mehr in Frankreich.

Genau das steht auch Deutschland spätestens nach der nächsten Wahl bevor. Die Wähler dürften bis dahin – wenn kein Wunder geschieht – weiter im Eiltempo nach links und rechts außen marschieren. Und die Mitte rinnt aus.

Aber genau dieses Deutschland und dieses Frankreich sind die Führungsmächte in der EU …

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