Allzuviele Chancen, uns aus der Krise zu bringen, wird es nicht mehr geben

Die Verhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP sind also gescheitert. Das Aufatmen der Anständigen und Moralinhaber im Land war und ist deutlich spürbar, laut Schauspieler und Multikunstausübendem Hosea Ratschiller etwa soll es in Wien-Alsergrund zu spontanen Autokorsos mit Österreich-Flaggen gekommen sein. Gut.

Dass sich die beiden Parteien die »Schuld« für dieses Verhandlungsende gegenseitig zuschieben, ist wenig überraschend. Als externer Beobachter sehe ich beide gleichermaßen in Verantwortung für dieses Versagen beim Versuch einer Regierungsbildung. Das größere Kasperltheaterpotential verdient die ÖVP. Die hat den gesamten Wahlkampf über Herbert Kickl als »unzusammenarbeitbar« erhöht, aber als dann Karl Nehammer zurückgetreten ist, mit Christian Stocker ausgerechnet den lautesten »Nie-mit-Kickl«-Argumentierer zum Nachfolger erkoren.

Ich mag ja den Begriff »Wendehals« nicht so sehr, selbstverständlich darf man seine Meinung ändern, aber das war dann doch eine unglaublich dämliche Strategie. Wie dünn ist die Personaldecke, mit der diese einst so stolze und große konservative Partei heute ihr leidliches Auslangen finden muss? Interessant auch Stockers Reaktion auf das Verhandlungsende in der ZiB2, in der er sich ansonsten gut geschlagen hat. Seine Kernbotschaft war im Grunde, es sei gescheitert, weil die ÖVP nicht in der Lage gewesen wäre, die Österreicher ausreichend vor Herbert Kickl zu beschützen. Was einen ratlos zurücklässt. Warum ist Stocker dann überhaupt in Verhandlungen eingetreten? Aber auch gut.

Um nichts besser die Freiheitlichen, vor allem ihr Parteichef, der – aus meiner Sicht zu Unrecht – »gefürchtete« Herbert Kickl. Der hat offenbar mit Erhalt des Regierungsbildungsauftrages, jedes wirkliche Interesse, Kanzler und so Regierungschef zu werden, fahren gelassen. Zumindest hat es so gewirkt. Jetzt ist mir persönlich Pathos besonders wichtig, aber hier geht es ja dann doch um Wesentliches, und da muss man einfach in der Lage sein, »staatsmännisch« auftreten zu können. Und nicht die ÖVP in einer Art Präambelansprache viel zu sehr vorzuführen. Auch wieder interessant, nach dem Crash in seiner gut dreißigminütigen Rede zur besten Sendezeit live auf ORF1 – was muss sich das Redaktionskollektiv geärgert haben – war er durchaus überzeugend und zumindest dem nicht total voreingenommenen Zuhörer gegenüber von gewisser politischer Verantwortung getragen. Aber man kann hier seinen so oft überschießenden Kritikern recht geben, diese Rede war schon der Startschuss für den nächsten Wahlkampf.

Insgesamt ist also FPÖ wie ÖVP der nüchterne Befund auszustellen, die wollten das nicht zum positiven Abschluss bringen. Und es war wohl Kalkül beider Parteien, jeweils ihr eigenes Süppchen zu kochen. Die einen wollten durch Neuwahlen noch stärker werden – denkbar; die anderen durch neuerliche Verhandlungen mit SPÖ (und Neos) das Kanzleramt retten – auch denkbar. Das ist übrigens nicht nur teuflisch. Machtinteressen zu haben und sich nach diesen zu richten, ist ja nur aus linkem »Narrativ« heraus per se schlecht. Und alles, was mit »Narrativen« zu tun hat, ist in aller Regel lediglich am Salzamt gut aufgehoben.

Wie auch immer, Österreich steht vor veritablen Herausforderungen. Das ist nicht unalltäglich, nur langsam geht auch mir immerwährendem Optimisten die Zuversicht zur Neige. Energie-, Wirtschafts- und Industriedesaster durch verheerende linksgrüne Ideologie-Durchdrückung in Europas wichtigster Volkswirtschaft Deutschland gefährden unser aller Wohlstand – und damit über kurz oder lang natürlich auch jede staatliche Sozialleistungsfähigkeit. Außerdem brauchen beinahe alle europäischen Volkswirtschaften zum einen geordneten Zuzug und Migration so dringend wie lange nicht (und eigene Kinder!), werden aber gleichzeitig, welch historische Ironie, zum anderen von einer illegalen Massenzuwanderung überschwemmt, die tagtäglich das Sicherheitsversprechen unserer westlichen Entitäten mehr und mehr verblassen lässt, ja geradezu Hohn spottet.

Profil-Chefin Anna Thalhammer sieht in der neuen Lage die Chance, »gemeinsam gegen Populismus und die Spaltung der Gesellschaft« zu kämpfen. Ich sehe in Populismus wenig Gefahr und der vollendeten »Spaltung der Gesellschaft« wird man nur entgegenwirken können, wenn endlich linke wie rechte Demokraten sich an einen Tisch setzen und gemeinsam für diesen Kontinent, für unsere einzelnen Staaten eintreten. Sonst wird das nichts mehr werden.

 

Christian Klepej ist Unternehmer und gibt in Graz das Monatsmagazin Fazit heraus. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt mit seiner Familie in Hirschegg-Pack und Graz.

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