Angesichts der drohenden Massenarbeitslosigkeit, die infolge einer ideologiegetriebenen "Energiewende" droht, und der langsam aus der Mode kommenden Klimahysterie, sind die soeben in die Bedeutungslosigkeit stürzenden Grünen auf der Suche nach neuen Themen. Eines haben sie schon gefunden: Das dringend zu verschärfende Waffengesetz. Als Grund führen sie ihre Besorgnis über die steigende Zahl von "Femiziden" an, bei denen auch Schusswaffen zum Einsatz kommen. Dass in der Mehrzahl der Fälle von Gewalt gegen Frauen (und Männer!) überwiegend Messer, stumpfe Gegenstände oder die bloßen Hände als Tatmittel dienen, interessiert die Grünen nicht. In Wahrheit geht es beim legalen Zugang zu Schusswaffen um ganz grundsätzliche Fragen.
In Europa, wie auch in den USA tobt seit Jahren ein Streit zwischen Befürwortern einer liberalen Waffengesetzgebung und den Vertretern einer rigorosen Beschränkung des privaten Waffenbesitzes. Einer der prominentesten Vertreter der ersten Gruppe ist der amerikanische Ökonom und Waffenrechtsaktivist John Lott. In seinen Büchern "More Guns, Less Crime" und "The Bias Against Guns" argumentiert er für einen möglichst freien Zugang der Bürger zu effektiven Selbstverteidigungsmitteln. Lott und andere sachverständige liberale Autoren betonen den abschreckenden Effekt, den der bewaffnete Bürger auf kriminelle Gewalttäter ausübt.
Demnach würde von der Möglichkeit, dass potenzielle Straftäter sich unverhofft einem bewaffneten Opfer gegenübersehen, eine gewaltpräventive Wirkung ausgehen. In den USA sind Waffenangelegenheiten keine Bundessache, sondern fallen in die Zuständigkeit der einzelnen Bundesstaten. Lott hat herausgefunden, dass es zu einer Verlagerung von Gewaltkriminalität aus Bundesstaaten mit liberaler Waffengesetzgebung in solche mit restriktiven Regeln kommt – was seine These stützt, dass Gewalttäter nicht auf Schießereien, sondern auf wehrlose Opfer aus sind.
Gegner eines freien Zugangs zu Feuerwaffen behaupten dagegen, dass jede Reduktion des Privatwaffenbestandes einen Rückgang der Schusswaffenkriminalität nach sich zieht, wobei sie allerdings nicht zwischen legal oder illegal erworbenen Schusswaffen unterscheiden. Dass Kriminelle nicht dazu neigen, ihre Tatmittel auf amtsbekannten Wegen – beim gewerblichen Waffenfachhandel – zu erwerben, sondern den naturgemäß unregulierten Schwarzmarkt vorziehen, bleibt unberücksichtigt. Den illegalen Erwerb von Schusswaffen kann auch das restriktivste Waffengesetz nicht verhindern.
Tatsache ist, dass in den USA Schusswaffen in der Kriminalitätsstatistik eine größere Rolle spielen als in Europa. Daraus den Schluss zu ziehen, dass strikte Waffengesetze zu mehr Sicherheit führen, greift indes zu kurz. Für die Gewaltkriminalität sind nämlich sozioökonomische Faktoren wie Arbeitslosigkeit, Drogenabhängigkeit oder Alkoholismus von weit größerer Bedeutung als der legale Zugang zu Feuerwaffen.
Zu denken gibt in diesem Zusammenhang das Beispiel Großbritanniens, wo 1987, nach einem Schulmassaker im schottischen Dunblane, der private Schusswaffenbesitz beinahe ausnahmslos kriminalisiert wurde, was auf die Zahl der Gewaltdelikte keinen nennenswerten Einfluss hatte.
In den USA zeigen mehrere Studien zur Frage des Zusammenhangs zwischen der legalen Verfügbarkeit von Feuerwaffen und der Zahl der Schusswaffendelikte keine klare Korrelation. Die von den Gegnern des privaten Waffenbesitzes getroffene Annahme, dass es zur legal erworbenen Schusswaffe keine Alternative gibt, ist pure Fiktion. Wie am Vorbild der Drogengesetzgebung zu sehen ist, wird sich, wer verbotene Drogen zu konsumieren wünscht, auch welche beschaffen. Kriminelle, die sich zur Ausführung ihrer Straftaten bestimmte Tatmittel beschaffen wollen, finden gleichfalls Mittel und Wege, in ihren Besitz zu gelangen.
Ein weiteres Problem resultiert aus dem Umstand, dass auch dann, wenn in einer Notwehrsituation eine Waffe zum Einsatz kommt, bei der der Angreifer getötet wird, dieser als "Schusswaffenopfer" in die Statistik eingeht. Die einschlägige Statistik würde besser aussehen, wenn das Überfallsopfer sich vom Angreifer hätte töten lassen, sofern dies beispielsweise mit einem Messer geschehen wäre. Das führt jede seriöse Statistik ad absurdum!
Weiters wird die Zahl angebahnter Straftaten, die allein wegen des Vorzeigens einer scharfen Waffe durch das potenzielle Opfer unterbleiben, in keiner Statistik erfasst – einfach, weil derlei Begebenheiten so gut wie nie amtsbekannt werden. Daraus ergibt sich eine statische Verzerrung zulasten des Legalwaffenbesitzes.
Leider ist die Frage des Privatwaffenbesitzes derart stark emotionalisiert, dass Logik und die Ergebnisse empirischer Untersuchungen nichts an der verbreiteten Illusion zu ändern vermögen, gemäß der weniger Waffen mehr Sicherheit bedeuten würden. Die von den Grünen geforderte Verschärfung der derzeit geltenden Bestimmungen für den gesetzeskonformen Erwerb von Schusswaffen wird sich auf die Zahl der Gewaltdelikte daher nicht auswirken – gleich, ob die Opfer weiblichen oder männlichen Geschlechts sind.
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.