Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Mit diesem Wahlergebnis ist klar: Die Spannung des Wahltages und des Wahlkampfes war nichts gegen das, was jetzt an spannenden Entscheidungen und innerparteilichem Tauziehen bevorsteht, bis wir eine Regierung haben. Denn wenn es nicht zum Rückzug eines oder mehrerer Parteiobmänner kommt – was aber nur in einem Fall halbwegs denkbar ist –, ist die wahrscheinlichste Perspektive, dass es nach monatelangem Taktieren und Verhandeln zu vorgezogenen Neuwahlen kommt. Daran können der gigantische Erfolg der Freiheitlichen mit 29 Prozent und das sehr gute Abschneiden der Volkspartei im Vergleich zu ihren Umfragewerten noch vor einem halben Jahr (da lag sie unter 20, jetzt über 26 Prozent!) nichts ändern, was in Summe einen massiven Rechtsruck ergibt. Jetzt aber wird es in allen drei Parteien hinter den Kulissen heftig rund gehen – während sich gleichzeitig zeigen wird, dass das Verhalten des Bundespräsidenten völlig irrelevant ist, sobald es im Parlament eine Mehrheit geben sollte. Die Ursachen dieses Wahlergebnisses sind hingegen ziemlich klar (diese Analyse ist im Laufe des Wahlabends in Detailpunkten präzisiert worden).
Die wichtigsten:
Zurück in die Zukunft:
Am heftigsten wird das Nachwahl-Ringen zweifellos in der SPÖ sein. Denn diese schneidet in jeder Hinsicht katastrophal ab. Sie liegt mit 21 Prozent nicht nur hinter der letzten Wahl zurück, wo sie gegen Sebastian Kurz nur auf bloße 21,2 Prozent gekommen war, was schon das bisher schlechteste SPÖ-Ergebnis seit 1945 gewesen ist. Sie liegt noch viel weiter hinter den besten Zeiten von Vorgängerin Rendi-Wagner zurück, die erst vor zwei Jahren noch Umfragewerte von 30 Prozent erreicht hat.
Dabei war die SPÖ zuletzt die stärkste Oppositionspartei. Dabei haben beide Regierungsparteien, die ideologisch ja rechts und links von ihr stehen, kräftig verloren. Dabei hätte eine solche Situation eigentlich ein aufgelegter Elfmeter für die SPÖ sein müssen.
Diese Niederlage kann nur an Andreas Babler gelegen sein. Es ist extrem schwer vorstellbar, dass er das überleben kann, noch dazu in einer SPÖ, die in den letzten Jahrzehnten eine stolze Tradition des Obmannabschusses entwickelt hat (wenn nicht der Obmann gleich selber flüchtet, bevor ihm das Messer angesetzt wird, wie etwa Viktor Klima).
Ein Rücktritt Bablers und seine Ablöse durch einen gemäßigten Sozialdemokraten wie etwa durch den Wiener Finanzstadtrat Peter Hanke aus dem bei der SPÖ traditionell starken Freimaurer-Eck hätte aber auch für die Frage nach der künftigen Regierungskoalition große Bedeutung. Denn nur dann kann es für die ÖVP überhaupt in Frage kommen, über eine alternative Koalition mit Rot (und wahrscheinlich braucht man man dazu auch noch Pink) auch nur nachzudenken. Würde sie mit der SPÖ unter dem Linkssozialisten Babler koalieren, gäbe es für die ÖVP nur einen weiteren Weg: nämlich den steil bergab. Sie würde dann in den nächsten Jahren noch schwerer an die FPÖ verlieren, aber auf der anderen Seite auch an die Neos, sofern diese nicht selbst das dritte Rad der künftigen Koalition sein sollten.
Aber selbst im Fall eines Avancements Hankes an die SPÖ-Spitze hat eine blau-schwarze Koalition eine Chance auf ein Zustandekommen – wider alles schwachsinnige Gerede der Linken und der Medien von "Extremismus", "Ende der Demokratie" oder "ausländischen Reaktionen". Denn nichts davon droht in Wirklichkeit. Selbstverständlich wird es auch beim nächsten Mal genauso faire Wahlen geben wie diesmal, auch wenn die FPÖ die Regierung führt. Und die Bedeutung der ausländischen Reaktionen hat einst schon Wolfgang Schüssel stark relativieren können. Sie sind inzwischen sogar total irrelevant geworden, seit in Italien, den Niederlanden, Ungarn, in Skandinavien, dem Baltikum und sogar in Frankreich einst verteufelte rechte Parteien in der EU die Regierungsmehrheit mittragen oder sogar anführen.
Was dem im Weg steht, ist lediglich die ständige Festlegung Karl Nehammers und einiger anderer aus der derzeitigen Führungsspitze der ÖVP auf ein "Ja zur FPÖ, aber Nein zu ihrem Obmann Kickl". Inhaltlich sind sich hingegen beide Parteien bis auf die Russlandnähe der FPÖ nämlich sehr nahe und könnten eine sehr gute Politik für Österreich machen (wenn nicht gerade eine zweite Pandemie ausbrechen sollte).
Daher muss es zum Rücktritt eines der beiden Parteiführer im rechten Lager kommen, wenn es aus irgendeinem Grund nicht zu einer Koalition mit einer Hanke-SPÖ kommt. Gibt es aber weder einen solchen Rückzug noch eine koalitionswillige Hanke-SPÖ, dann steht Österreich vor einer sehr, sehr langen Regierungskrise, an deren Ende baldige Neuwahlen drohen. Daran werden auch noch so viele Turnübungen des Bundespräsidenten nichts ändern können. Sobald sich ein Bündnis mit einer parlamentarischen Mehrheit gefunden hat, muss er sich dem beugen. Das hat schon Thomas Klestil im Jahr 2000 begreifen müssen – trotz eines noch so grantigen Gesichtes. Und wenn sich keine finden sollte, gibt es nach einigen Monaten nur eine Möglichkeit: Das sind Neuwahlen.
Wo ist nun ein Rückzug wahrscheinlicher?
Wohl eher bei der ÖVP. Diese hat zwar zuletzt eine eindrucksvolle Aufholjagd hingelegt, liegt aber noch immer meilenweit – um rund elf Prozentpunkte – unter dem letzten Wahlergebnis von Sebastian Kurz. Vor allem aber stünde Karl Nehammer lebenslang als blamiert da, wenn die ÖVP unter ihm jetzt doch in eine Regierung mit Kickl ginge. Dazu hat er sich zu sehr festgelegt. Aber in der ÖVP gibt es zugleich relativ viele, die diese Festlegung kritisiert haben, die trotz allem eine Koalition mit der FPÖ für die inhaltlich logischste Variante halten, die an die einstige große Koalition mit der SPÖ nur absolut negative Erinnerungen haben. Die einstige ÖVP-Generalsekretärin Sachslehner hat sich auch schon vor der Wahl für die Variante FPÖ vorgewagt. Daher könnte zumindest mittelfristig Nehammers Sessel wackeln.
Freilich sind auch jene in der ÖVP über Nehammer hinaus eine nur schwer auszuhebelnde Gruppe, welche die Person Kickl auf Grund der Erfahrung der letzten Koalition als absolut unerträglich ansehen. Dabei war dieser damals "nur" Minister, jetzt ist er unangefochtener Parteichef und Wahlsieger
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass etliche FPÖ-Bundesländer, vor allem das große Kernland Oberösterreich, Kickl sehr skeptisch gegenüberstehen. Sie zeigen aber ihre Opposition nur sehr leise und vorsichtig.
Daher fehlt einem die Phantasie, dass ein Wahlsieger Kickl jetzt zurücktreten oder gar gestürzt werden könnte. Selbst ein Rückzug Kickls auf den Posten des Parlamentspräsidenten oder des Fraktionsvorsitzenden scheint eher unwahrscheinlich. Ganz abgesehen davon, dass ja auch die Fraktionschefs der Regierungsparteien mit am Regierungstisch sitzen, was einen Verzicht Kickls auf ein Regierungsamt für die ÖVP kaum besser verkaufbar macht. Am ehesten noch denkbar wäre, dass die ÖVP den Blauen im Gegenzug den steirischen Landeshauptmann zubilligt, wo ja als nächstes gewählt wird. Steiermark ist das einzige Bundesland, wo die Freiheitlichen deutlich in Führung liegen, wo es aber eine starke schwarz-rote Tradition gibt.
Es wird daher alles vom ÖVP-internen Ringen abhängen, wie es weitergeht. Dieses Ringen könnte länger dauern. Das wird zu einer längeren Phase der Ungewissheit führen, in der alles möglich ist, wie auch eine Beamtenregierung à la Bierlein oder eine Minderheitsregierung durch nur eine Partei und dann baldige Neuwahlen.
Jedenfalls scheint eines gewiss: Eine Koalitionsbildung ist nicht möglich, wenn alle drei Möchtegern-Kanzlerkandidaten im Rennen bleiben.